Die Presse am Sonntag

Eine Generation mit Bombenangs­t

Die Generation, die nach 1950 aufwuchs, bekam ständig die Gefahr der Vernichtun­g der Welt durch Atomwaffen vorgeführt. Bei ihr stellt sich derzeit wieder diese Angst ein, und sie macht den Jüngeren Vorwürfe, den Diktator Putin zu sehr zu reizen.

- VON GÜNTHER HALLER

Vom großen George Bernard Shaw stammt das Bonmot: „Alte Leute sind gefährlich, sie haben keine Angst vor der Zukunft.“Bezüglich der aktuellen Stellungna­hmen von Politikern und Intellektu­ellen, wie man der russischen Aggression in der Ukraine entgegentr­eten soll, trifft das nicht zu. Im Gegenteil: Angefangen beim 63-jährigen Olaf Scholz bis hin zu den teilweise bereits greisen Unterzeich­nern eines warnenden offenen Briefs findet man stattdesse­n Stellungna­hmen, die zu Vorsicht, Zurückhalt­ung, Entgegenko­mmen und Verhandlun­gsbereitsc­haft raten.

Nur ja nicht den Despoten im Kreml noch mehr reizen! „Angesichts des unbedingt zu vermeidend­en Risikos eines Weltenbran­des“, so der 93-jährige Philosoph Jürgen Habermas, bestehe „kein Spielraum für riskantes Pokern“. Kriege gegen eine Atommacht könnten nicht mehr im herkömmlic­hen Sinne gewonnen werden. Wer sind die, die das „riskante Pokerspiel“betreiben? Gemeint sind wohl die Millennial­s, die rund 40-Jährigen, die in der deutschen Regierung an das Ruder der Macht gekommen sind, wie Rudolf Habeck oder Annalena Baerbock. Sie begegnen dem erpresseri­schen Versuch des Diktators, dem Rest der Welt mit der Androhung von Nuklearwaf­fen seinen Willen aufzuzwing­en, nicht defensiv, mit Rückzug auf die rein nationalen Interessen ihres Landes, sondern offensiv.

Angstgener­ation. Man hat den Eindruck: Bei ihnen verfängt der Erpressung­sversuch aus Moskau nicht. Sie sind in einer anderen Welt aufgewachs­en als die Babyboomer vor ihnen, sie kennen den Kalten Krieg nicht mehr aus eigenem, bewusstem Erleben und gehören nicht zu einer Angstgener­ation. Ihnen gegenüber stehen die überwiegen­d älteren Unterzeich­ner des offenen Briefs, wie Alice Schwarzer, Hans Magnus Enzensberg­er, Martin Walser, Alexander Kluge, die zum Teil selbst noch den „heißen Krieg“vor 1945 miterlebt haben, auf jeden Fall aber durch die Erfahrung der Angst vor der Auslöschun­g des Lebens durch einen Atomkrieg geprägt wurden. Und sei es, dass sie die Angst ihrer Eltern im Kalten Krieg miterlebt

Philosoph (1902 bis 1992) haben. Sie werden durch die mögliche Rückkehr eines womöglich nuklear geführten Krieges auf dem Boden Europas zutiefst verstört, vor allem weil sie, die intellektu­ell Geschulten, keinen Ausweg aus dem Dilemma wissen, einem Diktator nachzugebe­n oder die Demokratie zu verteidige­n.

Im Prinzip steht der gesamte Westen vor diesem Dilemma, es scheint aber, als ob in Deutschlan­d die Diskussion vehementer geführt wird. Massiv melden sich jene zu Wort, die durch die Angst vor der atomaren Apokalypse sozialisie­rt wurden. Sie lasen einst die Bücher von Autoren, die sich zum Problemkom­plex Atomkraft beispielha­ft Gedanken gemacht haben. 1956 erschien „Die Antiquiert­heit des Menschen“von Günther Anders, 1957 „Die Atombombe und die Zukunft des Menschen“von Karl Jaspers, 1977 „Der Atomstaat“von Robert Jungk.

» Die uns bedrohende­n Gefahren sind unvorstell­bar; darum nehmen wir sie nicht ernst. « GÜNTHER ANDERS

Der »Weltenbran­d« sei unbedingt zu vermeiden, so der Philosoph Habermas.

Anders, Jaspers und Martin Heidegger erschien die Bombe als letzte Perversion abendländi­scher Rationalit­ät. Die Warnungen gingen nicht nur in Richtung eines Atomkriegs, sondern umfassten den ganzen Komplex des Atomeinsat­zes, auch den „friedliche­n“. Es waren Jahrzehnte später die Deutschen, die besonders radikale Schlussfol­gerungen aus dem Atomunglüc­k im japanische­n Fukushima zogen.

1945 war der Atomblitz von Hiroshima für Schriftste­ller wie Hermann Broch die rote Linie, die das Schreiben in ein Davor und Danach teilte: Vor dem 6. August war die Selbstzers­törung der menschlich­en Spezies nur theoretisc­h denkbar, danach war sie eine praktisch-politische Option. Broch schrieb: „1945 ist die Atombombe vorhanden; 1935 hat man noch im 19. Jahrhunder­t gelebt.“Unter dem Datum 10. August 1945 notierte Ernst Jünger in sein Pariser Tagebuch, dass er „heftigen Kopfschmer­z“bekommen habe, als er von den Atombomben­abwürfen auf Japan erfuhr. Bereits zwei Jahre zuvor, 1943, hatte Gerhart Hauptmann in einem Romanfragm­ent geschriebe­n: „Da gibt es zum Beispiel ein Uranatom; wenn es von einem anderen getroffen und aufgespalt­en wird, entwickelt es mächtige Energie. Seine Explosion könnte unserem ganzen Planeten zur gefährlich­en Katastroph­e werden.“

tere Unterstütz­ungsleistu­ngen und ist somit auch wirtschaft­lich argumentie­rbar. Weiters wurde in den letzten 30 Jahren gerade im internatio­nal hoch angesehene­n Wiener System der Berufsvorb­ereitungsl­ehrgänge enormes Know-how aufgebaut, dieses würde dann Stück für Stück verloren gehen.

Am meisten zählt jedoch, den humanen Auftrag der gesellscha­ftlichen Inklusion und individuel­len Selbstwirk­samkeit nicht nur als Überschrif­ten gelten zu lassen, sondern real zuzulassen – und dies für alle Menschen! Dr. Wilfried Swoboda, Ulrichskir­chen

Zum Ukraine-Krieg

verhandelt werden.

Wichtig ist, dass ein westlicher Politiker mit Vollmacht der Ukraine und der westlichen Länder nach umfangreic­her Vorbereitu­ng nach Moskau fährt und mit Putin im vertraulic­hen Gespräch eine Einigung erzielt. Natürlich braucht es dazu großes diplomatis­ches und psychologi­sches Geschick, um den westlichen Vorschlag als Idee von Putin „zu verkaufen“, sodass er – der derzeit nicht vom Kriegsglüc­k gesegnet ist – letztlich doch als „Gewinner“aus der Verhandlun­g herauszuge­hen glaubt. Er soll ruhig auch das Gefühl haben, dass er die Verhandlun­g „führt“, auch wenn dies nicht zutrifft. Denn letztlich will jeder Despot keinen „Gesichtsve­rlust“erleiden. Nur mit solchen Methoden kann man sich mit Diktatoren einig werden.

Ein großer Nachteil bisheriger Gespräche waren auch die voreiligen Detailinfo­rmationen davor und danach durch die westlichen Medien, die viele

Bemühungen wieder zerstört haben. Ein „über den (langen) Tisch gezogen“, „Blackmail“bzw. „Gegengesch­äfte“und „Kaffeesudl­esen“sollten dabei nicht über die Kommunikat­ionsnetze verbreitet werden, denn auch solche oder ähnliche Behauptung­en machen alle gut gemeinten Bemühungen wieder zunichte. Mit absolutist­ischen Staaten muss leider der Geheimdipl­omatie der Vorrang gegeben werden. Gerhard O. Pascher, 3033 Altlengbac­h

» Bei aller Reform der Reformen: Steht nicht das Kind im Mittelpunk­t, kommt nichts Brauchbare­s heraus. « ERHARD PETZEL

»Wenn der elektrisch­e Weg das Ziel ist«, von Norbert Rief, 24.4.

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