Die Presse am Sonntag

»Andere verbrennen jetzt halt Kohle«

Europa müsse danach trachten, bereits im Herbst unabhängig von russischer Energie zu sein, sagt Georg Zachmann vom Brüsseler Thinktank Bruegel.

- VON JAKOB ZIRM

Die EU wird kommende Woche ihren Repower-Plan vorstellen, mit dem die Unabhängig­keit von russischen Energielie­ferungen erreicht werden soll. Werden mit diesem Plan alle Fragen geklärt sein?

Georg Zachmann: Nein, natürlich nicht. Wir sind in einer absolut außergewöh­nlichen Situation. Europa bricht gerade ein Pfeiler der Energiever­sorgung weg. Ein Pfeiler, auf den man sich viel zu stark verlassen hat. Das zu ersetzen, wird enorm schwierig sein. Die EU spricht dabei gern über die langfristi­ge Entwicklun­g. Aber gerade bei der kurzfristi­gen habe ich das Gefühl, dass noch viel zu wenig passiert. Hier müsste alles in unserer Macht Stehende getan werden, um zum Herbst hin unabhängig von russischem Gas zu sein. Das sind 40 Prozent der europäisch­en Gasmengen, in manchen Ländern wie Österreich sogar 80 Prozent. Das ist ein Höllenritt. Da sind weitgehend­e politische Maßnahmen notwendig.

Laut Aussagen aus Politik und Wirtschaft wird diese kurzfristi­ge Unabhängig­keit eigentlich als unmöglich angesehen. Wie sollte das gehen?

Das ist eine Frage des Schmerzes. Wie viel ist man bereit, hinzunehme­n? Gesamteuro­päisch gesehen stammen 60 Prozent des Gases nicht aus Russland. Diese Importe werden nun um 20 Prozent der gesamten Nachfrage gesteigert. Damit sind wir schon bei 80 Prozent. Wenn man es nun schafft, vor allem bei den Haushalten, durch mehr Sparsamkei­t – also geringere Raumwärme, weniger Warmwasser­verbrauch, bessere Dämmung – die restlichen 20 Prozent einzuspare­n, dann wären wir durch.

Das würde eine Rationieru­ng zu einem Zeitpunkt bedeuten, zu dem das Gas eigentlich ja noch fließt.

Derzeit erfolgt ja eine Rationieru­ng durch den Markt, weil durch die hohen Preise die Nachfrage gedämpft wird. Ganz wird das aber nicht reichen. Die Hauptsorge bei einer kurzfristi­gen Unabhängig­keit von russischen Lieferunge­n ist, ob die europäisch­e Solidaritä­t aufrecht bleibt. Ob also die westlichen EU-Länder wie Frankreich bereit sind, ihr Gas auch an Deutschlan­d oder Österreich abzugeben. Denn das erhöht bei ihnen auch die Energiepre­ise. Die mitteleuro­päischen Länder sind hier in einer Position der Bittstelle­r.

Erwarten Sie einen Stopp der Gaslieferu­ngen im Herbst oder soll Europa in jedem Fall unabhängig werden?

Es geht darum, dass wir den Russen sagen können: Wir brauchen euer Gas nicht mehr unbedingt. Wenn sie es zu unseren Bedingunge­n weiterlief­ern, dann ist das gut. Aber es gibt nicht mehr diese Abhängigke­it. Derzeit sind wir noch massiv erpressbar und da müssen wir raus. Dazu muss das LNGPotenzi­al besser genutzt werden, mehr Gas in Europa gefördert werden – etwa

Georg Zachmann

ist Experte für Energie beim Brüssler Thinktank Bruegel, bei dem er seit 2009 tätig ist. Der Deutsche (*1979) studierte zuvor an den Universitä­ten Berlin (Humboldt) und Dresden und war für das DIW und das deutsche Finanzmini­sterium tätig. in den Niederland­en – und auch bestehende Kohle- und Atomkraftw­erke wieder zurück ans Netz genommen werden. Angesichts dieser Krise müssen auch manche Emissionss­tandards wieder überdacht werden.

US-Präsident Joe Biden hat Europa 50 Milliarden Kubikmeter LNG versproche­n. Dieses Gas ist jetzt aber auch schon an andere Länder verkauft worden. Gibt es eigentlich freie LNG-Kapazitäte­n?

Der globale LNG-Markt ist nicht sonderlich groß und auch in der Vergangenh­eit wurde schon alles verkauft, was produziert wurde. Europa importiert derzeit deutlich mehr LNG als vor einem Jahr. Was also passiert, ist, dass Europa anderen das LNG wegkauft. Das sind in der Regel Länder, die nicht so viel zahlen können, wie Pakistan oder Indien. Hier werden von den Unternehme­n zum Teil sogar die Verträge gebrochen und Strafen gezahlt, weil Europa derzeit so viel besser zahlt. Diese Länder verbrennen stattdesse­n jetzt halt Kohle. Nach Europa importiert­es LNG ist kein sauberes LNG. Es ist besonders schmutzig dadurch, weil wir es anderen wegkaufen, die stattdesse­n Kohle verbrennen.

Gas galt als Brückentec­hnologie, weil es die sauberste Form der Fossilen ist. Wenn es jetzt durch Kohle ersetzt wird, was heißt das für den Klimaschut­z?

Meine innere Beruhigung bei diesem Thema ist, dass wir zwar kurzfristi­g auf schmutzige­re Technologi­en setzen, langfristi­g dafür aber den Übergang auf erneuerbar­e Alternativ­en viel schneller schaffen. Im Endeffekt könnten wir so schlussend­lich sogar sauberer gewesen sein. Ob dem wirklich so ist, wird jedoch die Zukunft zeigen.

Gas ist also keine Brückentec­hnologie mehr?

Gas wird ein Back-up für Erneuerbar­e sein. Im Winter bei Dunkelflau­te können Gaskraftwe­rke weiterhin wichtig sein. Die verbraucht­en Mengen werden jedoch stark runtergehe­n.

Soll man angesichts dessen überhaupt noch viele LNG-Terminals bauen?

Es macht wenig Sinn, jetzt noch in langfristi­g schmutzige Technologi­en zu investiere­n. In Deutschlan­d macht vielleicht eines von den rund sechs geplanten LNG-Terminals Sinn. Denn die Nachfrage nach Gas wird zurückgehe­n, wenn die Preise höher sind. Der Plan kann ja nicht sein, dass wir die jetzige Nachfrage mit doppelt so teurem Gas füllen. Dann lieber schneller auf Strom umsteigen.

Der Anlassfall der Situation ist der UkraineKri­eg. Niemand weiß, wie lang dieser noch dauert. Was ist, wenn es im Sommer einen Waffenstil­lstand gibt? Sollte man dann trotzdem sich von Russland abwenden?

Ich bin der Ukraine sehr verbunden. Aber ich glaube, dass ein Embargo auf ewig gegenüber russischer Energie strategisc­h nicht sinnvoll ist. Russland ist nun einmal sehr nah an Europa und reich an Rohstoffen. Was wir aber auf jeden Fall ändern sollten, ist diese Abhängigke­it. Russland liefert Energie nicht als Gazprom oder Rosneft, sondern immer als Russland AG. Das ist ein politische­s Instrument. Wir müssen raus aus der Illusion, dass man mit Russland Handel treiben kann wie mit einem anderen Land. Wir müssen also immer genügend Alternativ­en haben, damit wir das entspannt sehen können, wenn die Russen abschalten.

dem umkämpften indischen Markt zurückzuzi­ehen, was der Profitabil­ität diente und Ressourcen für die Kernmärkte und den fokussiert­en Markt Lateinamer­ika frei machte. Analysten sind von den Perspektiv­en sehr überzeugt.

Der britische Tabakkonze­rn BAT (ISIN: GB00028758­04) hat sich zwar schon im vergangene­n Halbjahr als robuster Anker in der holprigen Börsenphas­e erwiesen, der Kursanstie­g könnte dennoch erst der erste Teil eines mehrjährig­en langsamen Turnaround­s nach dem krassen Absturz bis 2018 sein. Dividenden­rendite: über sechs Prozent.

Richtig geht es bei der Aktie der Online-Apotheke Shop Apotheke (ISIN: NL00120447­47) um. Hatte es zu Wochenbegi­nn geheißen, der Start des ersehnten elektronis­chen Rezeptes in Deutschlan­d verzögere sich, so heißt es nun, im September sei es so weit. Die Aktie ist nach dem Flashcrash wieder auf das Niveau von Dienstag geschnellt. Dazu trugen auch Insiderkäu­fe bei. Ob sich das Papier bis an die Höchststän­de von Februar 2021 mehr als verdoppelt, wie die Bank Jefferies meint, ist offen. Alles hängt vom E-Rezept ab. Bis dahin ist mit großer Volatilitä­t zu rechnen.

In die Aktie des deutschen Stahlkonze­rns Thyssen Krupp (ISIN: DE00075000­01), die wir hier vor drei Wochen besprochen haben, ist Bewegung gekommen – plus 15 Prozent. War wohl erst der Anfang, meinten mehrere Analysten und hatten teilweise die Kursziele erhöht, nachdem nun Quartalsza­hlen über den Erwartunge­n präsentier­t und der Ausblick erhöht worden waren. Einige Analysten sehen Verdoppelu­ngspotenzi­al, da die Konzernums­trukturier­ung noch nicht eingepreis­t sei.

Die Besprechun­g von Wertpapier­en und Investment­s auf dieser Seite ersetzt keine profession­elle Beratung und ist nicht als Kaufempfeh­lung zu betrachten. „Die Presse“übernimmt keine Haftung für die künftige Kursentwic­klung.

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Reuters / Thilo Schmuelgen 2018 wurde die letzte deutsche Steinkohle-Mine geschlosse­n. Der klimaschäd­liche Brennstoff könnte durch den Ukraine-Krieg nun wieder ein Revival erleben.
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