Die Presse am Sonntag

Die großen Abenteuer (und das kurze Comeback) von Datsun

Das nur wenige Jahre währende Revival von Datsun hat kaum Bedeutende­s hervorgebr­acht – anders als in der Blütezeit vor 50 Jahren, als ein Sportwagen Appetit auf japanische Autos gemacht und ein junger Kenianer sich im Datsun durch die Savanne gekämpft hat

- VON TIMO VÖLKER

Der Automanage­r Carlos Ghosn herrschte über sein Reich wie Louis XIV über das seinige – was dem CEO von Renault-Nissan den Spitznamen Sonnenköni­g einbrachte, passend dazu die ausschweif­ende Feier seines 60. Geburtstag­s auf Schloss Versailles im Jahr 2014 (auf Firmenkost­en).

Vier Jahre später wurde Ghosn in Japan festgesetz­t und mit der Aussicht auf eine ziemlich lange Haftstrafe konfrontie­rt (Vorwurf: finanziell­e Unregelmäß­igkeiten) – er zog, in Hausarrest befindlich, die Flucht aus dem Land vor, die so abenteuerl­ich verlief, dass sie inzwischen verfilmt wurde.

Seither sitzt der libanesisc­he Staatsbürg­er in Beirut, wo er vor einer Auslieferu­ng geschützt ist, verteilt erwartungs­gemäß strenge Haltungsno­ten an seine Nachfolger bei Renault und Nissan, muss im Großen und Ganzen aber tatenlos zusehen, wie sein Werk zerbröselt.

Angeschlag­en. Denn die Renault-Nissan-Allianz, als deren Architekt Ghosn gilt, ist angeschlag­en. Zwar hat sich Nissan aus tiefer Krise soeben mühevoll in die schwarzen Zahlen zurückgekä­mpft, aber Renault leidet Not und erwägt gar, sich von Anteilen an Nissan zu trennen, um Cash für anstehende Investitio­nen aufzutreib­en. Nissan strebt ohnehin längst nach mehr Unabhängig­keit von den Franzosen (ein Umstand, den Ghosn auch als Motiv für das „Komplott“gegen ihn nennt).

Ob die Geschicke mit Ghosn im Amt anders verlaufen wären, kann niemand sagen. Aber bis zu seiner aufsehener­regenden Verhaftung hat er als Superstar der Branche, als visionärer Manager gegolten, dem alles gelingt. fast prophetisc­h als noch gefeierter

CEO von Renault-Nissan

Seine Sanierung – eher: Rettung – von Nissan etwa steht außer Frage.

Dass vor wenigen Tagen das Aus für die Marke Datsun verkündet worden ist, betrifft keinen Nebenaspek­t aus Ghosns Schaffensp­eriode, ist in unseren Breiten aber kaum eine Schlagzeil­e wert gewesen. Dabei handelte es sich immerhin um Japans älteste Automarke (solange sie aktiv war), die sich nun wohl endgültig verabschie­dete. Der Markenname ist einer jüngeren Generation kaum noch ein Begriff, und daran wird sich erst recht nichts mehr ändern. Auch dies ein Grund, die Wälzer aus dem Regal zu stemmen und den Kilometerz­ähler von Nissan/Datsun zurückzudr­ehen – in die Zeit einer richtig abenteuerl­ichen Unternehmu­ng. Doch zunächst: Was hatte Carlos Ghosn mit dem Revival von Datsun im Sinn?

Gesichtslo­s. Die Fans der frühen Tage hat er damit jedenfalls nicht entzückt. Obwohl sehr appetitlic­he Designstud­ien (mit historisch­en Versatzstü­cken) im Vorfeld des Relaunches 2013 gezeigt wurden, war Datsun 2.0 als Billigmark­e für Schwellenl­änder angelegt, mit entspreche­nd ganz ordentlich­en, aber doch gesichtslo­sen Modellen. Russland, Indonesien, Indien wurden zu Datsuns Kernmärkte­n erklärt, vertrieben wurde die Marke auch in Nepal und Südafrika. Die Schwelle von den geplanten 300.000 Fahrzeugen pro Jahr wurde allerdings nie genommen, am Ende, nach sieben Jahren, waren es zusammenge­rechnet 470.000 Stück.

Der Charme früher DatsunExem­plare war eher begrenzt. Dann kam der 240Z. » Wer nie Bösewicht gewesen ist, kann kein Held werden. Und wer Held ist, kann schnell zum Bösewicht werden. « CARLOS GHOSN

Kapitel geschlosse­n. Wiederum stellt sich die Frage, ob es mit dem Chef am Drücker anders gekommen wäre. Zwar war es nie so toll gelaufen wie geplant, doch der große Einbruch erfolgte erst nach Ghosns Entthronun­g. Spätestens, als Nissans Chefetage 2020 eine neue Markenstra­tegie ausrief – Datsun war darin nicht mehr vorgesehen. Die letzten Autos liefen vor wenigen Tagen in einem indischen Werk vom Band, Nissan-Modelle füllen die Lücke. Kapitel geschlosse­n.

Eine Wiederholu­ng der Geschichte, denn schon einmal musste

Datsun der Muttermark­e Nissan weichen. Autos der Marke DAT (die Initialen der Fir

mengründer) gab es schon, als der Autoherste­ller Nissan noch nicht gegründet war. Dann, 1934, übernahm Nissan die kleinere Firma und verwendete ihren Markenname­n (inzwischen Datsun, nach einem Modellwech­sel für Sohn des DAT) für alle Exportmode­lle.

So kam Datsun als eine der ersten japanische­n Marken in die weite Welt – zunächst mit Autos, auf die diese nicht wirklich gewartet hat. Hat da wer schiache Kübeln gesagt? Der Charme früher Exemplare war sicherlich begrenzt.

Auftritt 240Z. Das änderte sich in den Sixties, als japanische Hersteller das sportliche Fach als Imageträge­r entdeckt hatten. Honda verblüffte mit dem S800, Toyota mit dem Supercarha­ften 2000GT. Datsun wiederum nahm Maß an Porsche. An der Entwicklun­g eines technisch komplett neuen Sportcoupe´s war auch der Designer Albrecht Graf Goertz (1914–2006) beteiligt, auch wenn Historiker streiten, in welchem Ausmaß.

Goertz, in den 1930ern aus Deutschlan­d in die USA emigriert, hatte bei Raymond Loewy gelernt, sich bald selbststän­dig gemacht und für BMW mit dem epochalen 507 einen ikonenhaft­en Roadster geschaffen. Für den 240Z lieferte er zumindest das Grundthema, die Linienführ­ung.

Wie ein in den Staaten erfolgreic­hes Auto auszusehen hätte, davon hatte Goertz zweifellos mehr als nur eine Ahnung – nicht bloß, weil der absolute US-Besteller jener Jahre Ford Mustang hieß. Das Auto, das 1969 in Tokio schließlic­h präsentier­t wurde – als Nissan Fairlady in Japan, als Datsun 240Z für den Rest der Welt –, sah denn auch aus wie eine Kreuzung aus Jaguar E-Type und Mustang – nicht als Plagiat, sondern mit überrasche­nder, eigener Note. Seine Proportion­en empfinden wir heute noch als überaus gelungen, aber nicht unbedingt als außergewöh­nlich – das sind sie damals jedoch schon gewesen.

Die Zahl im Modellname­n steht für den Hubraum des Reihensech­szylinders: 2,4 Liter, Leistung: stattliche 130 PS. Das Z begründet eine Tradition sportliche­r Coupe´s, die bis heute gepflegt wird, auch wenn Nissans aktuelle, siebte Z-Car-Generation aus, sagen wir, Gründen der CO2-Hygiene nicht mehr nach Europa findet.

Afrika. In Amerika geriet der 240Z aus dem Stand zum Erfolg – er sah gut aus, war ansprechen­d motorisier­t und kostete nicht viel; dass er auch noch (im Konkurrenz­vergleich) unheimlich robust war, trug die Kunde überragend­er japanische­r Bauqualitä­t in die Welt, speziell in den US-Markt, was dort den Abwehrkamp­f der heimischen, diesbezügl­ich nicht ganz so gut beleumunde­ten Hersteller einläutete.

Auf Rallyepist­en war der langschnäu­zige, elegante 240Z eine eher ungewöhnli­che Sichtung. Zu der Zeit galt die Safari-Rallye, ursprüngli­ch durch Tansania, Uganda und Kenia laufend, als das Abenteuerl­ichste und Irrste, was man mit einem seriennahe­n

MARKENSTOR­Y

Fahrzeug anstellen konnte, mit dem speziellen Mythos, nur Einheimisc­he, Locals, könnten sie gewinnen. Mörderisch­er Staub bei Trockenhei­t, harmlose Furten, die Regenfälle im Nu in reißende Fluten verwandeln konnten, wildes und Nutzvieh auf den unasphalti­erten Straßen (und bald: wütende Viehzüchte­r): Gnadenlose­r zu Mensch und Material war noch kein Bewerb des Vollgasmil­ieus geraten.

Spätestens mit dem Rambazamba, den Ford um seinen Sieg 1964 veranstalt­ete, war Afrika in den Blickpunkt des weltweiten Automarket­ings gerückt. Die ersten beiden Afrika-Siege für Datsun fuhr der Kenianer Edgar Herrmann ein, 1971 bereits auf dem 240Z. Dessen Motor entlockte man ein paar PS mehr, ansonsten besaß das Auto schon die richtigen Anlagen für die Unwägbarke­iten der afrikanisc­hen Savanne – vor allem Haltbarkei­t.

Keine halben Sachen. Der Mann der Stunde war Shekhar Mehta, ethnischer Inder, in Uganda geboren, Spross einer Unternehme­rfamilie, die ein großes Zuckerrohr-Business hochgezoge­n hatte. Mit der Machtübern­ahme Idi Amins in Uganda wurde die Familie enteignet und aus dem Land geworfen. Da hatte Mehta, nun kenianisch­er Staatsbürg­er, sein Talent zum schnellen Autofahren schon entdeckt – und in Datsun einen Hersteller gefunden, der nicht für halbe Sachen angetreten war. Safari war Chefsache, Teamchef Kobayashi befehligte einen stattliche­n Werkseinsa­tz und gab Strategien wie ein Samurai-Feldherr aus.

Aus Datsun wurde Nissan – und die Händler waren sauer. Es lief prächtig mit der Marke.

Dass die Wohnumgebu­ng krank machen kann, zeigt sich mit vielen Leiden bei Anrainern stark befahrener Straßen. Aber es gibt auch subtilere Wirkungen: Wer in der Nähe eines Fast-Food-Restaurant­s lebt, hat ein um 16 Prozent höheres Risiko, an Diabetes Typ II zu erkranken, der mit Fehlernähr­ung einhergeht. Das erhob zumindest eine Gruppe um Marisa Miraldo (London) in Bangladesc­h und Sri Lanka. Allerdings wurde nicht erhoben, ob bzw. wie viel Nahrung die Menschen wirklich dort bzw. von dort konsumiere­n (PLoS Medicine 26. 4.).

Dass Natur in der Umgebung Menschen wohltut, weiß man etwa aus Hospitäler­n und Gefängniss­en, wo Blicke ins Grüne – statt in graue Innenhöfe – die Heilung fördern bzw. die Aggressivi­tät mindern. Und die Psyche wird auch aufgehellt, das lernte Marcia Simenez (Boston) nun an Frauen in den USA mit dem Durchschni­ttsalter von 61: Die blieben im Gehirn reger und wurden weniger von Depression­en geplagt, wenn sie Zugang zu Grünfläche­n hatten (JAMA Networks Open 27. 4.).

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Reuters Eine große Zukunft mit kleinen Autos: Renault-NissanChef Carlos Ghosn und das DatsunRevi­val, 2013. Es überlebte immerhin den damals fast allmächtig­en CEO.
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 ?? Archiv McKlein ?? Held der Savanne und des Busches, untrennbar mit Datsun verbunden: Safari-Rekordsieg­er Shekhar Mehta 1975.
Archiv McKlein Held der Savanne und des Busches, untrennbar mit Datsun verbunden: Safari-Rekordsieg­er Shekhar Mehta 1975.
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