Die Presse am Sonntag

Hip-Hop als Familienth­erapie

- THOMAS KRAMAR

Kendrick Lamar: »Mother I Sober«. „Die Kindheit ist ein schrecklic­hes Reich“, schrieb Peter Turrini. Tief in dieses Reich blickt Kendrick Lamar in diesem Track, dessen Refrain eine Spezialist­in fürs Düstere beiträgt. Beth Gibbons von der Band Portishead singt: „I wish I was anybody but myself.“Lamar selbst lässt von dem Furor, der seine Raps sonst auszeichne­t, hier die längste Zeit nichts hören. Nur von Schmerz. Zu einem hypnotisch­en Klavierthe­ma erzählt er über Missbrauch, über die Leiden seiner Mutter, seiner Großmutter, deren Blick ihn noch Jahre nach ihrem Tod verfolgt habe. Er bete, dass seine Kinder seine Gefühle nicht erben, rappt er – und steigert die Intensität, während zur Anklage ein Bekenntnis kommt: Er selbst habe seine Partnerin verletzt. Die Aufarbeitu­ng wird zur Beschwörun­g („So I set free our children“), zur Sehnsucht, dass der „generation­al curse“gebrochen sei. Am Ende kommen die Kinder selbst zu Wort. Erschütter­nd.

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