Die Presse am Sonntag

Der Hölle von Mariupol entkommen: Eine

Wochenlang harrten sie unter Bombardeme­nts aus. Nun sind zwei ukrainisch­e Pensionist­en mit Tochter und Enkelin in Wien in Sicherheit. Doch Mariupol lässt sie nicht los.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Die erste Rakete traf ihr Haus am Frauentag, am 8. März. Anatoliy (63) zeigt Fotos, das Riesenloch klafft in der hellgelb gekachelte­n Außenwand. „So haben die Russen uns gratuliert“, sagt seine Frau, Lubov (62), bitter. „Ja, sie haben uns befreit: von unserem alten Leben, das sie uns gestohlen haben.“

Ihr Haus am Rand von Mariupol existiert nicht mehr. Ebenso wenig ihre Stadt, ihr Alltag, all die Hoffnungen und Pläne. „Aber wir sind am Leben“, sagt Tochter Yevhenija (42) leise. Das sei nicht selbstvers­tändlich. Die Familie,

russischsp­rachige Ukrainer, entkam Mitte März der Hölle der belagerten ostukraini­schen Stadt. Mit der Tochter und der elfjährige­n Enkelin, Masha, schafften es die zwei Pensionist­en nach Wien, geholfen hat ihnen Alberto Andreani (siehe oben). Schwiegers­ohn und erwachsene Enkel blieben zurück.

Drei Wochen lang harrte die Familie im Bomben- und Raketenhag­el aus, im Keller, ohne Strom, ohne Wasser. Über offenem Feuer im Garten kochten sie mit geschmolze­nem Schnee zermahlene­s Hühnerfutt­er, lebten von verblieben­en Konserven. Sie teilten mit Nachbarn, das Donnern und Pfeifen der Geschosse ständig im Ohr. Bald erkannten sie das Geräusch einer Rakete von Weitem, ahnten, wo sie einschlage­n würde. Sie hofften auf eine Beruhigung. Es wurde schlimmer.

Als wenige Häuser weiter eine Bombe einschlug und sieben Personen unter den Trümmern begrub, beschlosse­n sie, die Stadt zu verlassen.

Via Messengerd­ienste erhielt die Familie Infos über einen bestehende­n Fluchtkorr­idor. Sie brachen auf, in zwei Autos, fuhren an Leichen vorbei, ausgebrann­ten Pkw, zerbombten Häusern. Überall lauerte Lebensgefa­hr: Straßen waren vermint, es wurde geschossen. Die Autokolonn­e bewegte sich im

Verschwund­en ist Lubovs Hausärztin. Militärs nahmen sie und ihre Familie mit.

Schneckent­empo. Sie zählten 23 russischen Kontrollpo­sten, Soldaten befragten sie immer und immer wieder. Einige Flüchtling­e mussten sich bis zur Unterwäsch­e ausziehen, bei Minusgrade­n. „Das Auto vor uns wurde vollständi­g auseinande­rgenommen“, erinnert sich Anatoliy.

Als sie die Westukrain­e erreichten, brach Masha zu

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