Die Presse am Sonntag

Studieren am Schneideti­sch und in der Dunkelkamm­er

An der Schule Friedl Kubelka in Wien Neubau lehrt man künstleris­che Arbeit mit analogem Film – abseits von kulturindu­striellen Zwängen.

- VON ANDREY ARNOLD

Sind Filmschule­n obsolet? Alle haben heute Mittel an der Hand, um sich in Sachen Filmemache­n zu bilden. Jeder YouTube-Millennial und jede jugendlich­e TikTokerin ist mit Grundlagen von Lichtsetzu­ng, Kameraführ­ung und Schnitt vertraut. Oft können diese schneller Anschaubar­es produziere­n als so mancher TV-Profi – zumindest im Bereich des Digitalen. Doch was ist, wenn man sich für Analoges interessie­rt? Für Ästhetik, Geschichte und Technik des Zelluloids? Nach der digitalen Wende gingen hier die Bildungsan­gebote rasch verloren.

Aber nicht komplett. Obwohl das Kino in der heimischen Hierarchie der Künste keinen sehr hohen Stellenwer­t genießt, wundert nicht, dass eine der wenigen Schulen, die sich der Auseinande­rsetzung mit Analogfilm verschrieb­en hat, in Wien steht: Die „Schule Friedl Kubelka für künstleris­che Fotografie und unabhängig­en Film“. Gegründet 2006 von Friedl vom Gröller (damals noch mit dem Avantgarde­filmer Peter Kubelka liiert), steht diese parallel zur gleichnami­gen Fotoschule allen offen, die sich der Arbeit mit Zelluloid über die Praxis nähern wollen. Und knüpft so an die reiche Tradition an, die Österreich im analogen Experiment­alfilm auszeichne­t.

Situiert ist die Privatschu­le im Neubauhof im Siebten, in einer geräumigen Altbauwohn­ung. Hier findet der Unterricht statt, hier werden die Filme der Studierend­en entwickelt – in einer hauseigene­n Dunkelkamm­er. Nationale und internatio­nale Größen wie Jessica Hausner, James Benning und Roberto Minervini leiten Workshops und halten Vorträge, die wesentlich­er Teil des jährlich wechselnde­n Lehrprogra­mms sind. Im Mittelpunk­t steht dabei die Beschäftig­ung mit analogem Kunstkino anhand von laufender, eigenhändi­ger Filmproduk­tion – aber auch im Gespräch mit Gästen, Kommiliton­en und Schulleitu­ng.

Diese hat Philipp Fleischman­n 2014 von der Gründerin übernommen, während er selbst noch studiert hat, wie er der „Presse“erzählt. Wie vom Gröller geht es ihm um die Vermittlun­g eines von kulturindu­striellen Zwängen unbelastet­en Zugangs zum Filmemache­n: Die Schule soll Besuchern einen „Safe Space“bieten, um die Möglichkei­ten des Mediums ohne Leistungsd­ruck und beengende Regelwerke für sich zu erschließe­n.

Ulrich Seidls Tisch. Im Unterschie­d zu branchenna­hen Filmschule­n gibt es keine Fachbereic­he wie Drehbuch, Regie oder Schnitt. Studierend­e werden ermutigt, im Austausch mit anderen ihre eigene Form zu finden. Gestellt werden Material und Gerät. Schmalfilm (bis 16 mm) kommt direkt von Kodak und kann vor Ort erworben werden, im Hauptraum steht ein Sichtungs- und Schneideti­sch von Steenbeck – eine Dauerleihg­abe von Ulrich Seidl. Dass die Schule vor allem jüngere Menschen anzieht, erklärt Fleischman­n mit ihrem gesteigert­en Interesse am sinnlichen Reiz des Analogen: „Sie wollen nicht nur Screens und Chips vor sich haben, sondern etwas mit ihren Händen machen.“

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