Studieren am Schneidetisch und in der Dunkelkammer
An der Schule Friedl Kubelka in Wien Neubau lehrt man künstlerische Arbeit mit analogem Film – abseits von kulturindustriellen Zwängen.
Sind Filmschulen obsolet? Alle haben heute Mittel an der Hand, um sich in Sachen Filmemachen zu bilden. Jeder YouTube-Millennial und jede jugendliche TikTokerin ist mit Grundlagen von Lichtsetzung, Kameraführung und Schnitt vertraut. Oft können diese schneller Anschaubares produzieren als so mancher TV-Profi – zumindest im Bereich des Digitalen. Doch was ist, wenn man sich für Analoges interessiert? Für Ästhetik, Geschichte und Technik des Zelluloids? Nach der digitalen Wende gingen hier die Bildungsangebote rasch verloren.
Aber nicht komplett. Obwohl das Kino in der heimischen Hierarchie der Künste keinen sehr hohen Stellenwert genießt, wundert nicht, dass eine der wenigen Schulen, die sich der Auseinandersetzung mit Analogfilm verschrieben hat, in Wien steht: Die „Schule Friedl Kubelka für künstlerische Fotografie und unabhängigen Film“. Gegründet 2006 von Friedl vom Gröller (damals noch mit dem Avantgardefilmer Peter Kubelka liiert), steht diese parallel zur gleichnamigen Fotoschule allen offen, die sich der Arbeit mit Zelluloid über die Praxis nähern wollen. Und knüpft so an die reiche Tradition an, die Österreich im analogen Experimentalfilm auszeichnet.
Situiert ist die Privatschule im Neubauhof im Siebten, in einer geräumigen Altbauwohnung. Hier findet der Unterricht statt, hier werden die Filme der Studierenden entwickelt – in einer hauseigenen Dunkelkammer. Nationale und internationale Größen wie Jessica Hausner, James Benning und Roberto Minervini leiten Workshops und halten Vorträge, die wesentlicher Teil des jährlich wechselnden Lehrprogramms sind. Im Mittelpunkt steht dabei die Beschäftigung mit analogem Kunstkino anhand von laufender, eigenhändiger Filmproduktion – aber auch im Gespräch mit Gästen, Kommilitonen und Schulleitung.
Diese hat Philipp Fleischmann 2014 von der Gründerin übernommen, während er selbst noch studiert hat, wie er der „Presse“erzählt. Wie vom Gröller geht es ihm um die Vermittlung eines von kulturindustriellen Zwängen unbelasteten Zugangs zum Filmemachen: Die Schule soll Besuchern einen „Safe Space“bieten, um die Möglichkeiten des Mediums ohne Leistungsdruck und beengende Regelwerke für sich zu erschließen.
Ulrich Seidls Tisch. Im Unterschied zu branchennahen Filmschulen gibt es keine Fachbereiche wie Drehbuch, Regie oder Schnitt. Studierende werden ermutigt, im Austausch mit anderen ihre eigene Form zu finden. Gestellt werden Material und Gerät. Schmalfilm (bis 16 mm) kommt direkt von Kodak und kann vor Ort erworben werden, im Hauptraum steht ein Sichtungs- und Schneidetisch von Steenbeck – eine Dauerleihgabe von Ulrich Seidl. Dass die Schule vor allem jüngere Menschen anzieht, erklärt Fleischmann mit ihrem gesteigerten Interesse am sinnlichen Reiz des Analogen: „Sie wollen nicht nur Screens und Chips vor sich haben, sondern etwas mit ihren Händen machen.“