Mode und Ukraine bei der Photo London
Die auf Fotografie spezialisierte Kunstmesse Photo London hat sich in ihrem siebenten Jahr zu einem Fixpunkt der Sparte entwickelt. Gezeigt wird das gesamte Spektrum von Vintage bis zeitgenössisch. Und alte Aufnahmen aus Odessa.
Mit 15 Jahren verkaufte Frank Horvat eine wertvolle Briefmarkensammlung, um sich seine erste Kamera zu kaufen. Ein Freund versicherte ihm, dass Fotografieren ein guter Weg sei, um Mädchen aufzureißen. Der Rat war gut, denn aus dem Teenager sollte einer der erfolgreichsten Modefotografen werden. Mitte der 1950er-Jahre fotografierte er Topmodels in den wichtigsten Modemetropolen, wie Paris, London und New York. Nachdem er sich 1954 für zwei Jahre in London niedergelassen hatte, war er so gefragt, dass er im Claridge’s wohnte, seine Anzüge bei Savile Row bestellte und in einem weißen Rolls-Royce zu den Aufträgen fuhr.
Horvats Tochter Fiammetta hat jetzt für die Fotomesse Photo London eine Retrospektive seiner Arbeiten kuratiert. Die ehemalige Theaterdesignerin leitet heute das Archiv ihres Vaters. Horvat wurde bekannt dafür, dass er für Zeitschriften wie „Vogue“, „Elle“, „Life“und „Picture Post“Models in aufwendiger Haute Couture in kontrastierenden Straßenszenen fotografierte. Die Stadt Paris zeigte er dabei ungeschönt, arm und verwahrlost. Laut seiner Tochter wollte Horvat in seinen Arbeiten immer eine Situation schaffen, in der etwas passiert, das sich nicht wiederholen lässt: „Ein gutes Foto ist ein Foto, das man nicht noch einmal machen kann“, sagte er zu ihr.
Horvat lebte bis in die späten 1980er-Jahre von der Modefotografie, widmete sich aber nebenbei mit ganzem Herzen seinen künstlerischen Arbeiten: Porträts von Bäumen und fotografischen Studien von Skulpturen von Edgar Degas. Heute sind seine Fotos in den wichtigsten Sammlungen vertreten, darunter die Bibliothe`que Nationale, das Muse´e National d’Art Moderne, das V&A und das Museum für Moderne Kunst. Auf der Messe sind zwei Bildserien zu sehen: seine Modefotografie, mit der er Natürlichkeit und Spontaneität in die allzu mondäne Welt der Modemagazine brachte, und seine Bilder der Pariser Cabarets, in denen er die Poesie des nächtlichen Lebens der Stadt dokumentierte.
Charity für die Ukraine. Die siebente Ausgabe der Photo London wurde diese Woche im Somerset House eröffnet und läuft noch bis heute Abend. 106 Galerien aus 18 Ländern zeigen einen Querschnitt der Fotografie, von historischen und Vintage-Werken bis zu den neuen Positionen dieses Mediums. Neben einer Auswahl internationaler Aussteller widmet sich die Kunstmesse in der Sektion Discovery auch aufstrebenden Galerien und Künstlern. Hier findet man etwa Fotos von Philip-Lorca diCorcia, der 1996 Hunderte Bilder in der ukrainischen Hafenstadt Odessa machte. Mit Ausnahme eines einzigen Bildes wurden die Fotos nie veröffentlicht. Als der Künstler sich an seine Reise erinnerte und sah, dass die Stadt in der Berichterstattung über den gegenwärtigen Krieg wieder auftauchte, griff er auf sein Archiv zurück und traf eine Auswahl für die Messe. Seine Aufnahmen sind um 250 Dollar zu haben, der gesamte Erlös geht an das Rote Kreuz zur Unterstützung der humanitären Krise in der Ukraine.
Neben diCorcia widmet sich die Discovery-Sektion der Kunst aus Afrika. Afikaris etwa ist eine junge Galerie für zeitgenössische Kunst, die 2018 von Florian Azzopardi gegründet wurde und aufstrebende Künstler zeigt, die in ihrem Leben und Schaffen von Afrika beeinflusst werden. Von jungen Talenten bis zu renommierten Künstlern fördert Afikaris verschiedene Perspektiven des zeitgenössischen Afrika. Gezeigt wird etwa Thandiwe Muriu, die in ihren Arbeiten ihr afrikanisches Erbe zelebriert und sich mit wichtigen Themen wie Identität und Selbstwahrnehmung auseinandersetzt – indem sie die satten, leuchtenden Farben verwendet, für die der Kontinent so bekannt ist.
Sie lässt sich von afrikanischen Textilien, Alltagsgegenständen und traditionellen Frisuren inspirieren. Und erforscht, wie der Einzelne seine Identität an die Kultur verlieren kann. Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen wiederum in den Bildern des gabunischen Fotografen Marc Posso, die eine Hommage an die Arbeiten von Malick Sidibe´ und Seydou Ke¨ıta sind.
Sein Werk ist eine Wiederbelebung der traditionellen Studiofotografie, die er sorgfältig in der heutigen Zeit verankert. Seine Schwarz-Weiß-Bilder haben manchmal einen Hauch von Nostalgie.
Auf dem Auktionsmarkt hat die Sparte Fotografie zuletzt geschwächelt. Im Februar verkaufte Sotheby’s etwa das hervorragende Werk „Moonrise,
Philip-Lorca diCorcia schoss in den 1990er-Jahren Hunderte Fotos in Odessa.
Auf dem Auktionsmarkt schwächelte die Sparte Fotografie zuletzt.
Hernandez“von Ansel Adams für 504.000 Dollar. Die Schätzung lag bei 700.000 Dollar. Im April war die Stimmung bei Christie’s ebenso lauwarm. Mit 2,4 Millionen Dollar blieb die Mehrheit der Arbeiten inner- oder unterhalb der Schätzungen. Für einige zeitgenössische Fotografen ist der Auktionsumsatz in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Ob es sich dabei bloß um ein vorübergehendes Phänomen handelt, bleibt offen.