Weltuntergang auf dem Rathausplatz
Die Wiener Festwochen eröffneten mit der Revue »Last Night on Earth«.
Zur Eröffnung ein bisserl Weltuntergang: ein ausgesprochen wienerisches Konzept, diesfalls erdacht von David Schalko. Der als routinierter Regisseur auch weiß: Wenn’s einmal aus sein soll, dann lässt man sich nicht lumpen. Am letzten Abend sollen die Schrammeln spielen. Oder, etwas heutiger, Kruder und Dorfmeister auflegen. Also garnierten diese beiden – mit ihren in diesem Zusammenhang leicht futuristisch anmutenden Pulten in einer großen Plastikkugel platziert – ihre gut gealterten House-Beats mit endzeitlichem Knistern, apokalyptischem Flirren und eschatologischem Zischen. Das funktionierte gut vor dem von der Gruppe Hand mit Auge wild und doch streng illuminierten Rathaus, zu dem sich auch der Vollmond pflichtschuldig eingefunden hatte.
Die Dramaturgie des Abends allerdings wirkte ziemlich erratisch. Caroline Peters, als Spinnenfrau gewandet, verkündete erst die Aufhebung des Konzepts von Raum und Zeit sowie den Austausch mit einem anderen Planeten,
später, in bedrohlicherem Tonfall, das Ende der Geschichte und der Menschheit. Worauf Kruder und Dorfmeister halbwegs passend eine Bearbeitung von „Riders on the Storm“von den Doors folgen ließen. Doch dann ist eine Band gekommen, die mit ihrem grundsätzlichen Optimismus überall hinpasst, nur nicht zu einem Weltuntergang. Bilderbuch spielten in ihren hübschen Reformgewändern zwei Songs, „Zwischen deiner und meiner Welt“und „Spliff“. Dann wurde es jäh wieder besinnlich: Peters, inzwischen auch in einer Plastikkugel balancierend, pries im melancholischen Duktus die Heilsamkeit der menschlichen Berührung. Es folgte die schwedische Sängerin Sofia Jernberg, mit einer Erinnerung an den exaltierten Freejazz der Siebzigerjahre: „Music Is the Passion“und so.
Guter Rap. Neben Bilderbuch hatte der Wiener Rapper Yung Hurn die leidenschaftlichen Fans auf den Rathausplatz gebracht. Er kam im Anzug mit fliegender Krawatte. Und stürzte sich ins Stück
„Ferrari“mit expressionistischen Zeilen wie „Stich ein Messer in mein Herz, Baby, hoff, dann hört es endlich auf zu klopfen, keiner kann mich killen, weil ich tot bin“. Das ist natürlich nicht als reale Aufforderung zu verstehen. Genauso wenig wie die überdrehten, im Grunde tieftraurigen Gangsterfantasien in „Ponny“. So schlicht lässt sich Lyrik – auch im Hip-Hop – nicht interpretieren. Dennoch hatten Anstandshüter, darunter erstaunlicherweise auch aktive Künstler wie der Schmusechor, im Vorhinein gegen Yung Hurns Auftritt protestiert. Gut, dass die Festwochen dennoch daran festhielten. Gut, dass die Wiener Singakademie sein berührendes, stilvoll mit Rose in der Hand vorgetragenes Lied „Diamant“zart begleitete. Mit einem fantastisch arrangiertem „Life on Mars“sorgte sie für einen zweiten Höhepunkt des Abends. Der dann doch nicht mit einem Knall, sondern eher mit einem Winseln ausklang. Gut so. Die Welt steht auf jeden Fall noch lang und die Festwochen laufen bis 18. Juni.