Sascha II?
Österreichs Bundespräsident, Alexander Van der Bellen, gibt sich bei seiner neuerlichen Kandidatur etwas divenhaft. Als Krisenmoderator war er gut, als notwendige mahnende Stimme weniger.
» Van der Bellen frönt seinem liebsten Zeitvertreib: Er lässt sich Zeit. «
Österreich hat keinen Kaiser und leider auch keine Netflix-Queen. Wir haben aber Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Tapetentür. Auch in der Hofburg werden Rituale und Erklärungen behandelt und geplant, als handle es sich um einen Königshof. Oder den Vatikan. Wenn es seiner Durchlaucht Sascha I. gefällt, wird er uns heute darüber informieren, ob er wieder antritt und mit 99,9-prozentiger Sicherheit Bundespräsident bleibt. Vielleicht in einem schnittigen Instagram-YouTube-Trallala-Reel. Vielleicht lässt er auch seinen Hund eine tragende Rolle spielen. Vielleicht frönt er auch weiter seinem liebsten Zeitvertreib: Er lässt sich Zeit.
Zum Glück sind es gute Zeiten, da haben wir die Muße für derlei Kindereien. Oder positiv formuliert: Wie so oft bietet Van der Bellens launiges Amtsverständnis ein gutes alternatives Unterhaltungsprogramm zu Krisenzeiten. Die erlebte Van der Bellen tatsächlich: Angetreten als guter Onkel für die Hofburg in sonniger Hochkonjunktur, musste er so viele Regierungen und Minister angeloben und verabschieden wie mehrere seiner Vorgänger zusammen. Sowohl bei Ibiza als auch vor und während des Expertenkabinetts, später in der Covid-19-Phase: Er moderierte, tolerierte und lenkte hintergründig gut. Das schenkte uns ein einigermaßen beruhigendes Gefühl. Oder besser: Er gab nie Anlass zu zusätzlicher Sorge. Das ist mehr, als man von einem Politiker erhoffen darf.
Die Erwartungshaltung übertreffen oder manchmal auch nur erfüllen konnte er aber nicht: Er blieb zurückhaltend und scheute vor Machtworten oder deutlichen Statements zurück, stand fast in der Tradition seines Vorgängers, Heinz Fischer, was eine nicht ungemeine Kritik ist. Egal, ob die drohende Energiekrise, die das Land in ihren Ausmaßen noch nicht realisiert hat, die Geldgeschenke für fast alle, die jüngere Generationen werden abstottern müssen, oder die Nichtdebatte um Österreich als sicherheitspolitisch neutrale Made im Nato-Speck: Er duckt sich bei heiklen Themen gern weg. Seine Medienpolitik wirkt mitunter rigide: Würden sich andere Spitzenpolitiker bei Interviewanfragen so zieren, der Vorwurf der Message Defense würde laut. Trotz Gassigehens
auf dem Heldenplatz: So locker skandinavisch ist Van der Bellen nicht, speziell sein Umfeld mag es mitunter präsidial.
Aber niemand mit Ausnahme der FPÖ scheint den Sympathieträger kritisieren zu wollen, daher werden SPÖ und ÖVP auf eigene Kandidaten verzichten. Ihre Kandidatinnen hätten de facto keine Chance, leisten können sich beide den Wahlkampf nicht. Die Neos überlegen noch und suchen einen Helden für die Ehrenrunde, die FPÖ wird als Einzige den (Zwischen-)Wahlkampf mit aller Härte führen. Wirklich begeistert können nur die Grünen sein, wenn sie ihren ehemaligen Parteichef in der Hofburg behalten. Die Partei schaut ohnehin neidisch nach Berlin zu Krisenerklärer Robert Habeck. Mit Van der Bellens zu erwartender Bestätigung können sie ihren Habeck feiern. Denn egal, wie überparteilich er agiert oder inszeniert wird – seine Wahl zum Bundespräsidenten markiert den größten Erfolg in der Geschichte der Grünen. Mehr wird nie wieder möglich sein. Einmal geht es noch.