20 Minuten Tourist im Fiaker
Während wieder einmal darüber diskutiert wird, ob die Wiener Fiaker noch zeitgemäß sind, steigen Touristen wieder gern ein. Eine Probefahrt.
Einmal zieht er noch an seiner Zigarette, drückt sie dann auf den Pflastersteinen am Michaelerplatz aus und öffnet galant das kleine Türchen an der Kutsche, durch das man einsteigt. Na, sicher habe er Zeit für eine Fahrt.
Dass er ausnahmsweise eine Wienerin durch die Stadt kutschieren soll, überrascht den Fiaker (so wird sowohl die Kutsche als auch der Kutscher genannt) ein bisschen. Gewöhnlich führen er und seine zwei Schimmel nur Touristen durch die Stadt. „Kennen Sie sich aus, oder soll ich was erzählen?“, fragt er, wie fast alle Fiaker mit Melone auf dem Kopf, weißem Hemd und dunklem Gilet bekleidet, halb nach hinten gedreht, vom Kutschbock aus.
Erzählen bitte. Wenn man schon in eine Touristenkutsche steigt, dann mit dem vollen Programm. Langsam setzten sich Pferde und Kutsche in Bewegung, erstmals ist man selbst mittendrin im Klick-Klack, Klick-Klack der Pferdehufe, dem wahrscheinlich charakteristischsten Geräusch der Wiener Innenstadt. Denn dass die Touristen zurück sind, ist auch unüberhörbar: Fast permanent begleitet einen, wenn man derzeit durch die Stadt spaziert, das Geräusch der Pferdehufe, das Wien in der Pandemie ebenso abhandenkam wie die Besucher. Jetzt sind nicht nur die Gäste wieder da, sondern verlässlich ist auch die Diskussion zurückgekehrt, ob Fiaker noch zeitgemäß, ob Pferden Stress und Hitze der Stadt zumutbar sind, diesmal ausgelöst durch den grünen Gesundheitsminister.
Sind sie denn aus der Zeit gefallen, die Fiaker? Aber natürlich. Genau deswegen gehören sie wohl für viele Touristen, die ein Stück imperialen Kitsch einfangen wollen, genauso zu Wien wie der Besuch in Schönbrunn oder der Hofburg. Apropos: An der Hofburg vorbei geht es über den Heldenplatz, wo der Fiaker gleich das Geschichtswissen abprüft. „Wissen wir, warum sich Erzherzog Karl eine Statue verdient hat?“, fragt er und deutet auf die mächtige Statue. Während man überlegt, holt er schon zur Antwort aus. „Er hat als Erster Napoleon besiegt“, sagt er. „In Aspern gibt es dazu auch ein Museum, ist aber sein Geld nicht wert, das ist kleiner als mein Wohnzimmer“, ruft er nach hinten. Ein bisserl Wiener Schmäh ist also im recht stolzen Preis (55 Euro für die 20-Minuten-Rundfahrt) inklusive. Dann geht es weiter auf den Ring, wo der Fiaker sich zwischen Autos und Straßenbahn einreiht. Spätestens hier im Großstadtverkehr fühlt man sich in einer Kutsche sitzend doch irgendwie als Fremdkörper. Auch die Pferde sind hier etwas unruhiger, „ganz ruhig, alles gut“, beruhigt sie der Fiaker.
Best of Wien. Den Ring entlang geht es vorbei an Parlament, Rathaus, Volksgarten (mit „360 Rosenarten und 1200 Rosenstöcken“), Burgtheater. Eine Art Best of Wien im 20-Minuten-Schnelldurchlauf. Und das in sehr gemächlichem Tempo an diesem milden Frühsommertag. Wie geht es den Pferden bei Hitze? Sie würden, sagt der Fiaker (und hier würden Tierschützer wohl Einspruch erheben), auch bei 50 Grad gehen, „solang sie genug Wasser bekommen“. An der frischen Luft sei für sie die Hitze erträglicher als in der stickigen
Box, denn „kein Fiaker kann alle Pferde gleichzeitig auf die Koppel lassen“.
Dass die Pferde ab 35 Grad nicht unterwegs sein dürfen, findet er in Ordnung. „Die Fiaker funktionieren in Wien deshalb so gut, weil die Tierschutzgesetze so streng sind.“Sollten die Tiere – was sich abzuzeichnen scheint – künftig schon ab 30 Grad hitzefrei bekommen, wäre das finanziell fatal, sagt er, während sich die Kutsche wieder Richtung Michaelerplatz bewegt. Soll ich, fragt er und zeigt auf das Smartphone, „noch ein Foto von dir machen?“(Nach einer Fiakerfahrt ist man offenbar automatisch per Du). „Ist im Preis inbegriffen.“Na dann.