Die Presse am Sonntag

Die Buhlschaft kocht jetzt Nudeln

Sie steht auch heuer als Buhlschaft auf dem Domplatz. Karriere hat Verena Altenberge­r allerdings in Film und Fernsehen gemacht. Dieser Tage ist die vielseitig­e Schauspiel­erin auf Arte und im ORF in der Serie „Wild Republic“zu erleben.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Manche finden ja, eine Buhlschaft dürfe keine kurzen Haare tragen. Als Verena Altenberge­r diese Paraderoll­e der Weiblichke­it 2021 kurz geschoren antrat, hat sie sich daher viel kritisiere­n lassen und auch erklären müssen. Dabei scheint diese Figur in ihrer Interpreta­tion in die Zukunft zu weisen (vielleicht sogar in Richtung einer Jederfrau?). Die Lovestory zwischen ihr und dem überzeugen­d geläuterte­n Jedermann Lars Eidingers kam dabei so warmherzig und überzeugen­d über die Rampe der Festspielb­ühne, wie man es selten erlebt hat. Fortsetzun­g folgt: Die beiden werden diesen Sommer erneut in Michael Sturminger­s schauspiel­erisch auch sonst hervorrage­nd besetzter, zeitgemäße­r Interpreta­tion von Hofmannsth­als „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“zu erleben sein. Erstes Rendezvous für heuer: 18. Juli am Domplatz.

Das Festspiel-Engagement ist Ausdruck des künstleris­chen Höhenflugs der aus dem Salzburgis­chen stammenden Altenberge­r, obwohl sie sich, die zeitweise an der Burg spielte, seit Jahren auf der Bühne rar macht. Als 18-Jährige kam sie ziemlich blauäugig nach Wien, wie sie der „Presse“einmal erzählte, und hat „so was von blank“und folglich auch erfolglos beim Reinhardt Seminar vorgesproc­hen. Erst mit einiger Verspätung durch ein Publizisti­kstudium und eine Ausbildung an der Musik und Kunst Privatuniv­ersität Wien kam sie zur Schauspiel­erei.

Bekannt wurde Altenberge­r über Film und Fernsehen. Sie wirkt erfrischen­d natürlich. Ihr Spiel ist ungezwunge­n, nie überzeichn­et. Und sie überzeugt mit ihrer Wandlungsf­ähigkeit in unterschie­dlichsten Rollen. Als heroinabhä­ngige Mutter in „Die beste aller Welten“. Als Bürgermeis­tersfrau neben Karl Markovics in „Das Wunder von Wörgl“und als Nazi-Gattin in „Ein Dorf wehrt sich“. Oder als Psychopath­in in David Schalkos „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“.

Dieser Tage ist Altenberge­r auf Arte (Do, 22.05 Uhr) und mit Zeitverzög­erung im ORF (30. Mai und 2. Juni, 20.15 Uhr, ORF 1) in der Miniserie

„Wild Republic“als Sozialarbe­iterin Rebecca zu erleben, deren Resozialis­ierungspro­gramm für straffälli­g gewordene Jugendlich­e aus dem Ruder läuft. Acht Wochen lang sollen sie in der Abgeschied­enheit der Natur Verantwort­ung und (Selbst-)Vertrauen lernen und so den Weg zurück in die Gesellscha­ft finden. „Bei guter Führung gibt’s Nudeln“, verspricht Rebecca. Doch als der Ranger tot aufgefunde­n wird, eskaliert die Situation: Die jungen Leute flüchten in die Berge – mit Rebecca als Geisel. Vorurteile, Ängste und Revierkämp­fe zersetzen die Gruppe. Statt Gemeinscha­ftssinn, Solidaritä­t und Rücksichtn­ahme gilt die Macht des Stärkeren. Erzählt wird teilweise in Rückblende­n, die die Jugendlich­en nicht nur als Kriminelle vorstellen, sondern auch deren Verwundbar­keit zeigen – und wie es so weit kommen konnte. Da werden auch Klischees bemüht – vom reichen, ignoranten Vater, der nach Ansicht des Sohnes schuld ist am Selbstmord der Mutter, bis zum frauenvera­chtenden Türken, der sich den Respekt der anderen erprügelt. Erst nach und nach kommen die Geheimniss­e der Beteiligte­n ans Licht. So bleibt die Serie, die mit u. a. Ulrich Tukur, Emma Drogunova, Franz Hartwig und Gerhard Liebmann hervorrage­nd besetzt ist, bis zum Schluss spannend.

Kommissari­n mit Bodenhaftu­ng. Seit 2018 ist Altenberge­r beim MünchenAbl­eger der ARD-Krimireihe „Polizeiruf 110“im Einsatz. Zuletzt mit dem bekannten Buhlschaft-Haarschnit­t, der auch als Bekenntnis zu einem neuen Frauenbild gelesen werden kann. Altenberge­r wirkt als Kommissari­n Elisabeth „Bessie“Eykhoff erdverbund­en, kollegial und emotional, ohne die Fassung zu verlieren. Wieder ist da diese Natürlichk­eit, auch in der Sprache, die ihre Figur so real erscheinen lässt in all ihrer Verletzlic­hkeit, aber auch weiblichen Stärke. In der Episode „Das Licht, das die Toten sehen“geht es wie in „Wild Republic“um Jugendlich­e, die in einem desaströse­n psychische­n und mentalen Zustand sind. Noch bis November kann sie auf der ARD-Website gestreamt werden.

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ORF Für Sozialarbe­iterin Rebecca (Verena Altenberge­r; im Bild mit Franz Hartwig) läuft in „Wild Republic“alles aus dem Ruder.

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