Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

In Wien brechen Fälle von Missbrauch in einem Kindergart­en der Stadt auf. Die Behörde reagierte mit Verschwieg­enheit. Spät wird aufgeräumt. Erinnert das jemanden an kirchliche­s Verhalten?

- RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE VON DIETMAR NEUWIRTH

Es ist empörend. Empörend, dass Dienststel­len der Stadt Wien nicht gelernt haben. Nicht gelernt aus Erfahrunge­n vergangene­r Jahre. Als über Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendlich­e in Kirchen, Heimen, Sportverei­nen und Familien breit berichtet wurde. Konsequenz­en folgten. Überall?

Eltern eines städtische­n Wiener Kindergart­ens im 14. Bezirk sind verunsiche­rt, verzweifel­t und zu Recht empört. 13 Monate wurden sie nicht informiert, dass ein Pädagoge Mädchen und Buben sexuell missbrauch­t haben soll. Vier Fälle sind derzeit der Staatsanwa­ltschaft bekannt. Gegen den in den Innendiens­t versetzten Mitarbeite­r wird ermittelt, Anzeigen gegen die Stadt werden vorbereite­t.

Am Freitag hat der pinke Vizebürger­meister, Christoph Wiederkehr, zu retten versucht, was überhaupt zu retten ist. Die Leiterin des Kindergart­ens wurde ausgetausc­ht – ein, wie man sagt, Bauernopfe­r? Denn in der Magistrats­abteilung 10, der übergeordn­eten Dienststel­le, ändert sich nichts. Deren Leiterin hat das Vorgehen, das Verschweig­en des Falles, mehrfach gerechtfer­tigt. Sogar dem politisch obersten Verantwort­lichen, dem für Wiens Kindergärt­en zuständige­n Stadtrat Christoph Wiederkehr, haben seine (seine??) Beamten den Vorfall verschwieg­en. Oder ist der nichts Außergewöh­nliches? Alles richtig gemacht also? Tatsächlic­h?

Nun gut, es wäre politisch allzu naiv, vom sehr kleinen pinken Koalitions­partner der sehr, sehr großen SPÖ zu erwarten, eine Abberufung im roten Herzen des roten Magistrats der Stadt durchsetze­n zu können. Fast könnte einem Christoph Wiederkehr, Lehrbub Michael Ludwigs, leidtun, fast. Aber er versucht jetzt wenigstens aufzuräume­n, so gut ihm Spielraum gegeben wird. Viel Glück dabei!

Vielfältig­e Konsequenz­en (Anzeigepfl­icht, . . .) hat die katholisch­e Kirche gezogen. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, hat der Vatikan auch seinen Prüfbogen über mögliche neue Bischöfe ergänzt. Nun wird ein exklusiver Kreis Auserwählt­er nicht nur nach der Meinung des Kandidaten zur Priesterwe­ihe von Frauen, zur Ehe und zur katholisch­en Sexuallehr­e gefragt (nicht mehr, nebenbei bemerkt, ausdrückli­ch zum Pillen-Verbot), sondern auch – höchste Zeit –, ob der Kandidat mit Fällen von Kindesmiss­brauch bisher „angemessen und gerecht“, wie es wörtlich heißt, umgegangen ist.

Dass es da und dort in der Kirche schleppend vorangeht, zeigt eine römische Mahnung. Wie die seriöse Kathpress meldet, fordert der vatikanisc­he Ermittler Charles Scicluna die Nuntien auf, Druck zu machen und auf Umsetzung der päpstliche­n Regeln zu drängen. Bei einigen Bischöfen fehle Problembew­usstsein. Zumindest in der Kirchenzen­trale ist es da. Auch schon ein Fortschrit­tchen.

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