STECKBRIEF
1961
geboren in Frankfurt am Main. Studium der Literatur-, Theaterund Filmwissenschaft, Dissertation über B´ela Bal´azs. Ausstellungstätigkeiten in den Jüdischen Museen Frankfurt und Berlin. Gründungsmitglied des Fritz Bauer Instituts ebenfalls in Frankfurt. Lehrauftrag an der Universität Konstanz.
2004
Seit ist Loewy als Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems in Vorarlberg tätig. Dort ist ab Ende Juni die Ausstellung „,Ausgestopfte Juden?‘ – Geschichte, Gegenwart und Zukunft Jüdischer Museen“zu sehen. heute auf Besucherforschung setzen, um herauszufinden, was das Publikum sehen will, um ihnen dann genau das zu zeigen. Doch das langweilt die Besucher. Und ein zweites Mal werden sie auch nicht kommen.
Gilt das auch für junge Menschen? Im Gegensatz zu den 1990er-Jahren ist das junge Publikum viel diverser, globalisierter, vernetzter.
Meine Erfahrung ist: Eine Ausstellung, die ältere Menschen nicht anspricht, spricht auch junge nicht an – und umgekehrt. Es gibt immer wieder Ideen, das junge Publikum mit digitalen Vergnügungen zu locken. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein gutes Rezept ist, denn die digitalen Vergnügungen haben sie eh. Ich gehe nicht in eine Spielhölle, um mir Rembrandt anzuschauen, und ich gehe nicht in ein Museum, um in einer Spielhölle zu landen.
Ist das nicht ein Verschließen vor der Entwicklung da draußen?
Wir bewegen uns zwischen verschiedenen Medien, und die Medien verändern sich. Aber es gibt Dinge, die verändern sich weniger. Die Musik hat sich verändert, aber das Vergnügen des Musikhörens nicht. Die entscheidende Frage ist doch, ob das Museum es schafft, Menschen dazu zu bringen, sich selbstbewusst – und sich selbst in Frage stellend – es mit der Herausforderung und der Vielfalt unserer Welt aufzunehmen und sich mit anderen darüber zu streiten. Um also auf die vorherige Frage zurück zu kommen: Es gibt den über das Feuilleton ausgetragenen Streit über Jüdische Museen und nicht zuletzt über das Museum in Berlin: Das Judentum ist nicht nur eine Kultur für sich, oder eine Gemeinschaft für sich, nein, das Judentum ist immer symbolisch – symbolisch für alle anderen. Dafür kann das Judentum verhältnismäßig wenig, aber das Christentum, das ja behauptet, die Erfüllung des Judentums zu sein, sehr viel. Na ja, und das gilt ein wenig auch für den Islam.
Das Dilemma des Monotheismus?
Das Judentum hatte zwar diese radikale monotheistische Idee, aber davon wollte es nicht die Welt überzeugen, es sollte schon jeder selbst daraufkommen, dass es nur einen Gott gibt. Das Christentum hat den Universalismus, der im Judentum angelegt war, auf der ganzen Welt vertreiben wollen, und hat damit, also mit der Bibel, die tatsächlichen Juden zu symbolischen Existenzen auf der ganzen Welt gemacht. Wir erzählen am Beispiel des jüdischen Volkes die Geschichte der Menschheit! Doch die Juden gab und gibt es noch immer, als literarische Figur einer christlichen Erzählung – und als leibhaftige Menschen. Das war ein Problem.
Und warum?
Weil die Juden nicht das taten, was die literarischen Figuren vorgaben. Sie hielten sich nicht an das Skript! Das war ein Ärgernis, denn der Drehbuchautor hielt sich für mächtiger als die Figuren. Und dann kam der Islam ins Spiel und wurde auch zu einer Massenbewegung – zu einer Konkurrenz.
Die großen religiösen und philosophischen Fragen also – wie spiegeln sie sich im Kleinen, in diesem Jüdischen Museum?
Hohenems ist eine Gemeinde, die ihre Bedeutsamkeit nicht zuletzt dieser kleinen jüdischen Gemeinde verdankt. Wenn dieser Ort sich selbst erklären will, dann kann er das nicht machen, ohne an die jüdische Geschichte zu erinnern. Die Juden sind nicht da, na ja, nur wenige jedenfalls, und durch das Museum holt man sie ein bisschen zurück. Jüdische Geschichte ist immer etwas, das gleichzeitig innen und außen ist. Es gab sie überall in Europa, und anders als die Europäer, die häufig mit Waffengewalt miteinander kommunizierten, haben sich jüdische Familien quer durch alle Nationen und Völkerschaften bewegt und Verbindungen aufrechterhalten.
Es sind die Lehren, die wir durch sie lernen und auf die Gegenwart beziehen können?
Gleich nach der Eröffnung hat das Museum in der Vermittlungsarbeit damit begonnen, sich auf die Gegenwart einzulassen. Wer wohnt denn jetzt in den alten jüdischen Häusern? Im Gemeindeblatt wurde ein Jahr lang eine Beilage über das Leben der Zuwanderer produziert. Alle Hohenemser Haushalte erhielten Informationen über die Lebensumstände der Einwanderer. Und das Museum hat schon bald das erste Nachkommentreffen organisiert. 160 Menschen aus aller Welt waren gleichzeitig in der Stadt. Gegenwart! Nicht Holocaust. Nicht Tod. Gegenwart!
Das Museum bleibt trotzdem ein Ort der Geschichte, insbesondere der Erinnerung an den Holocaust.
Zum Jüdischsein gehört auch, die Vielfalt unterschiedlicher Migrationen und ihrer Wechselwirkung zu thematisieren. Wir stellen einfache Bilder von Identität infrage. Israel ist der Lackmustest für all diese Streitereien: Obwohl man dort nicht lebt, meint man, es sei der sichere Hafen, an dem sich nach der größten Katastrophe unsere Identität kristallisieren soll. Aber in Israel sind wir eben nicht die einzigen Menschen. Die arabische Bevölkerung wächst und wird selbstbewusster. Solang man diesen Staat gegen sie, gegen die Palästinenser definiert, wird es nicht funktionieren. Und wie ein gemeinsamer Staat aussehen kann, das wissen wir noch nicht. Dieser Konflikt wird auch innerhalb der jüdischen Gemeinden immer größer.