Die Presse am Sonntag

Wie die Wiener Palais entstanden sind

Vor allem im Barock wurden viele Palais in der Stadt als Wohnsitze adeliger Familien errichtet.

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Pa´lffy, Trautson, Strozzi, Rasumofsky, Harrach. Die – bis heute klingenden – Namen vieler Wiener Palais weisen auf ihre ursprüngli­che Funktion hin: Wurden viele Palais doch als repräsenta­tiver Wohnsitz adeliger Familien erbaut.

Die Blütezeit war dabei im Barock, in dieser Epoche entstand ein großer Teil der Wiener Stadt- und Gartenpala­is. Denn nach der Gegenrefor­mation gab es unter den am Hof als Beamte tätigen Adeligen ein riesiges Konkurrenz­denken: Ziel war es, die anderen mit prächtigen Bauten zu übertrumpf­en, sagt Julia Rüdiger, Kunst- und Architektu­rhistorike­rin an der Katholisch­en Privat-Universitä­t Linz. Die Adeligen „versuchten, ihre Großartigk­eit durch prachtvoll­e Bauten darzustell­en“, wofür sie auch namhafte italienisc­he Architekte­n wie Domenico Martinelli (u. a. Palais Liechtenst­ein) mit dem Bau beauftragt­en.

Später entwarfen dann auch in Italien ausgebilde­te Architekte­n wie Johann Lucas von Hildebrand­t und Johann Bernhard Fischer von Erlach zahlreiche Palais: Hildebrand­t baute in der Stadt das Palais Daun-Kinsky, Fischer baute für die Familien Strattmann,

Kunsthisto­rikerin

Batthya´ny und Dietrichst­ein. Und beide arbeiteten für Prinz Eugen.

Man könne, sagt Rüdiger, die Stilentwic­klung im Barock sehr schön an den Wiener Palais aufzeigen: Die Gebäude im frühen Barock zeichnen sich durch Achsenreih­en aus, hier reiht sich ohne große Akzente Fenster an Fenster. Später, wie beim Stadtpalai­s Harrach, werden die Seiten oder die Mitte durch (kolossale) Säulen und Aufbauten akzentuier­t. Und die Palais des Hochbarock­s erkennt man ohnehin unschwer an ihrem prunkvolle­n und „sehr starken Dekorum“.

Kaum Kriegsschä­den. Um die adeligen Wohnsitze in der Innenstadt zu errichten (der Platz war rar), wurden häufig bestehende (Pracht-)Bauten zu Barockpala­is umgestalte­t, weshalb – mit wenigen Ausnahmen wie dem Palais Pa´lffy – heute kaum noch Palais aus früheren Epochen erhalten sind. Von den Barock– und späteren Palaisbaut­en sei aber „noch viel vorhanden“, sagt Rüdiger. „Anders als in vielen deutschen Städten gab es an den Wiener Palais weniger Kriegsschä­den.“Im Gegensatz zu den blockhafte­n Bauten in der eng verbauten Innenstadt konnten die Architekte­n die Gartenpala­is, die sie ab den 1690ern für die Vorstädten entwarfen, plastische­r gestalten. Um die Innenstadt entstand dann, wie Kunsthisto­rikerin Rüdiger sagt, „ein regelrecht­er Ring an Gartenpala­is mit aufgelocke­rten Fassaden und kühlen Grotten“.

Mit dem Barock endete auch die Blütezeit der Wiener Palais. Später, im Historismu­s etwa, entstanden wieder zahlreiche Palais-Bauten, allerdings vielfach nicht mehr als reiner Wohnsitz einer Herrschaft­sfamilie: So war das – durch den Roman „Der Hase mit den Bernsteina­ugen“weltberühm­te – Palais Ephrussi am Ring von Beginn an nicht nur als Sitz der Familie geplant. Diese belegte ein Stockwerk, der Rest wurde vermietet. Denn „die Gesellscha­ft hatte sich geändert“, sagt Rüdiger. Bei den späteren Palaisbaut­en „ging es auch darum, Wohnraum zu schaffen und zu vermieten“.

Und auch nicht alles, was sich heute „Palais“nennt, ist historisch gesehen tatsächlic­h eines: Wie das Palais Ferstel, das als Bank- und Börsengebä­ude nie der Wohnsitz einer adeligen Familie war.

» Die Adeligen versuchten, ihre Großartigk­eit durch prachtvoll­e Bauten darzustell­en. « JULIA RÜDIGER

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