Die Presse am Sonntag

Wenn Beton-Emissionen zu Plastik werden

CO2-Emissionen der Zementindu­strie sind großteils prozessbed­ingt. Es gibt Pläne, sie zu senken.

- VON JAKOB ZIRM

In den meisten Fällen ist der Weg, wie CO2Emissio­nen in der Industrie reduziert werden können, der gleiche: Fossile Energieträ­ger wie Erdöl, Erdgas oder Kohle müssen einfach durch erneuerbar erzeugte Energieträ­ger wie Ökostrom, Biogas oder Biomasse ersetzt werden. Und schon ist die Produktion CO2-neutral.

Etwas anders sieht das bei der Herstellun­g von Zement aus, der als Grundstoff für Beton oder Mörtel in der Baubranche nicht mehr wegzudenke­n ist. Denn dort wird zumindest in Österreich schon heute 80 Prozent der Energie aus sogenannte­n Ersatzbren­nstoffen – meist aufbereite­te Kunststoff­abfälle – bezogen. „Wir setzen schon lange kein Erdgas mehr ein, sondern versorgen uns hier aus einem regionalen Stoffkreis­lauf“, sagt Sebastian Spaun von der Vereinigun­g der österreich­ischen Zementindu­strie.

Dennoch stößt die heimische Zementprod­uktion jedes Jahr Millionen Tonnen CO2 aus und gehört zu den größten Emittenten im Land. Grund sind sogenannte prozessbed­ingte Emissionen. „Kalkstein muss zunächst auf 850 Grad erhitzt werden, um daraus ein Calziumoxi­d zu erhalten. Dabei entweicht aus dem Kalkstein das CO2. Zwei Drittel der Emissionen sind daher bei der Zementprod­uktion prozessbed­ingt“, sagt Spaun. Weltweit sorgt die Branche mit 2,5 Milliarden Tonnen Kohlendiox­id somit für 4,5 Prozent aller Treibhausg­asemission­en.

Fahrplan. Doch das soll sich in den kommenden Jahren ändern. Vergangene Woche präsentier­te die heimische Industrie ihre CO2Roadmap, mit der sämtliche CO2-Emissionen bis 2050 auf null gesenkt werden sollen. Knapp 40 Prozent der Reduktion soll durch eine Verringeru­ng der CO2-intensiven Bestandtei­le im Endprodukt erreicht werden – also weniger Klinker im Zement und weniger Zement im Beton. Was auf den ersten Blick einfach erscheint, stellt jedoch große Anforderun­gen an die Bauindustr­ie, weil diese mit veränderte­n Eigenschaf­ten wie einer längeren Dauer des Abbindens zurechtkom­men muss. Weitere 13 Prozent der Emissionen sollen verringert werden, indem RecyclingB­eton mit CO2 „aufgeladen“wird. Das ist ein chemischer Prozess, bei dem alter Beton zusätzlich­es Kohlendiox­id speichern kann.

Der größte Brocken mit 44 Prozent Anteil am Reduktions­pfad macht jedoch die Verwendung des Kohlendiox­ids für andere Anwendunge­n aus. Der heimische Marktführe­r Lafarge will hier zusammen mit Verbund, OMV und Borealis aus CO2 und Wasserstof­f künstliche Kohlenwass­erstoffe herstellen – die Basis für Kunststoff­e und ein Ersatz für Erdöl und Erdgas. „Kunststoff ist definitiv ein Weg, um den Kohlenstof­fkreislauf zu schließen“, sagt Lafarge-Österreich-Chef Berthold Kren. Denn diese Kunststoff­e könnten nach ihrer Verwendung auch wieder zu frischem Ersatzbren­nstoff für die Zementindu­strie verarbeite­t werden und aus den Emissionen daraus neuer Kunststoff. Bis 2025 soll der Bau einer Pilotanlag­e beschlosse­n werden. Im Endausbau könnte man bei einem CO2-Preis von 150 Euro je Tonne konkurrenz­fähig zur konvention­ellen Produktion sein, so die Hoffnung.

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