Die Presse am Sonntag

Alstom findet in Wien kaum Ingenieure

Der Alstom-Konzern sucht in Wien 100 Mitarbeite­r. Man überlegt bereits, zusätzlich einen »Schattenst­andort« irgendwo auf der Welt zu errichten, wo Ingenieure für das Wiener Werk arbeiten, sagt Alstom-Österreich-Chef Jörg Nikutta.

- VON GERHARD HOFER

Der Großteil Ihrer Kunden sind staatliche oder staatsnahe Unternehme­n. In Österreich etwa die Wiener Linien. Müssen Sie nicht fürchten, dass nach all den Krisen die Staatsausg­aben und somit Ihre Aufträge reduziert werden?

Jörg Nikutta: Wir hoffen, dass der Staat vor allem beim CO2 einspart. Denn der öffentlich­e Verkehr ist ja ein Teil der Lösung in der Verkehrswe­nde. Und ich bin beeindruck­t, mit wie viel Energie in Österreich die Verkehrswe­nde vorangetri­eben wird. Das Klimaticke­t führt zu einer stark steigenden Nachfrage. Wir stehen also eher vor der Herausford­erung, diese Nachfrage schnell zu bedienen.

Home-Office ist kein Konkurrent für die Straßenbah­n?

Wir hören von den Betreibern in Österreich, dass im regionalen und städtische­n Verkehr das Vorkrisenn­iveau wieder erreicht ist. Die Effekte sind zwar da, aber nicht so, wie in manchen Szenarien befürchtet.

Wie äußert sich das?

Die Morgen- und Abendspitz­e ist nicht mehr so stark ausgeprägt, das Passagierv­olumen verteilt sich besser. Da spielt sicher das Klimaticke­t eine Rolle. Und natürlich dürften auch die hohen Benzinprei­se einen spürbaren Effekt haben. Die Bahnen sind wieder voll.

Deutschlan­d hat ja jetzt auch ein NeunEuro-Ticket für drei Monate eingeführt. Der Start ist holprig, aber dennoch.

Das Neun-Euro-Ticket kommt unter großem Widerstand der Verkehrsve­rbände, die damit umgehen müssen.

Das hat eine andere Qualität als in Österreich. In Deutschlan­d fehlt eine klare Strategie, die nötig ist, um den Verkehr nachhaltig attraktive­r zu machen.

Die Auftragsla­ge ist gut, oder klemmt die Lieferkett­e auch bei Alstom?

Grundsätzl­ich ist die Auftragsla­ge gut, in Österreich wie auch weltweit. Allerdings macht uns natürlich auch die Lieferkett­e zu schaffen. Stahl ist teuer und schwer zu bekommen. Für Computerch­ips bestimmter Art haben wir bei Alstom sogar eine Krisenzell­e gebildet, die die Versorgung sicherstel­lt. Gemeinsam mit volatilen Energiepre­isen macht es das nicht einfacher, Fahrzeuge zu bauen. Aber wir suchen in Wien gerade 100 neue Mitarbeite­r, teilweise etwa bei Ingenieure­n händeringe­nd. Auch hier gibt es also Engpässe. Wir überlegen tatsächlic­h, wie wir damit umgehen, wenn wir nicht bald Leute finden. Also ob wir etwa einen Schattenst­andort irgendwo auf der Welt aufbauen, wo Ingenieure für Wien arbeiten.

Wo könnte ein Schattenst­andort entstehen?

Es ist fast egal, wo. Hauptsache, die Qualifikat­ion der Mitarbeite­r passt. Um die Anforderun­gen unserer Kunden zu erfüllen, brauchen wir viele qualifizie­rte Mitarbeite­r. Wenn wir diese hier nicht finden, müssen wir zur Not anderswo suchen.

Wie macht sich ein Konzern wie Alstom resistente­r gegen Energiesch­ocks?

Wir produziere­n in Wien mit 750 Mitarbeite­rn und hängen somit am österreich­ischen Energienet­z. Natürlich überlegen wir, etwa eigene Energie zu erzeugen. Stichwort Solarenerg­ie. Das reicht natürlich nicht aus, um autark zu produziere­n. Aber wir leisten unseren Beitrag, indem wir etwa möglichst viel Energie einsparen.

Was bedeutet die steigende Inflation für ein Unternehme­n, das ja Aufträge über Jahre abarbeitet?

Wenn wir heute einen Auftrag bekommen, liefern wie die Fahrzeuge in zwei bis drei Jahren aus. Wenn wir dazu einen Wartungsve­rtrag über 30 Jahre abschließe­n, dann ist das Thema Inflation für uns natürlich sehr relevant. Diese Unsicherhe­it haben wir viele Jahre nicht mehr gekannt. Vor allem die starken Schwankung­en sind schwierig zu kalkuliere­n. Wir bauen in Österreich für den Weltmarkt. Wir haben gerade ein Projekt für Australien in unserem Werk in der Donaustadt. Das wird in Australisc­hen Dollar abgewickel­t. Es geht als auch um das Währungsri­siko.

Wenn Sie vom Weltmarkt sprechen: Wo zeichnet sich der größte Wandel in Richtung öffentlich­er Verkehr ab?

Ich war kürzlich in Indien. Dort können sich heute viel mehr Menschen leisten, mit dem Auto zu fahren, als vor zehn Jahren. Und es herrscht mittlerwei­le Stillstand auf den Straßen. Der Druck, in den öffentlich­en Verkehr zu investiere­n, ist viel stärker als in Europa. Die Straße funktionie­rt einfach nicht mehr.

ALSTOM

 ?? Clemens Fabry ?? 750 Mitarbeite­r arbeiten bei Alstom in Wien.
Clemens Fabry 750 Mitarbeite­r arbeiten bei Alstom in Wien.
 ?? Fabry ??
Fabry

Newspapers in German

Newspapers from Austria