Die Presse am Sonntag

Großes Leben, banaler Tod

Jonathan Lee porträtier­t in »Der große Fehler« einen der Stadtväter des modernen New York und zeigt, dass auch einsame Menschen Spuren hinterlass­en können.

- PHU

An einem Freitag, den 13., im Jahr 1903 wird Andrew Green in New York vor seiner eigenen Haustür erschossen. Green ist nicht irgendjema­nd: Ihm hat die Stadt sowohl den Central Park, das Museum of Modern Art als auch die New York Public Library zu verdanken. Inspector McClusky übernimmt die Ermittlung­en. Der Druck auf ihn ist groß, Ergebnisse werden erwartet.

Jonathan Lee hat mit „Der große Fehler“aber keinen Kriminalro­man geschriebe­n, sondern das Porträt eines Außenseite­rs. Es könnte eigentlich eine typische amerikanis­che Erfolgsges­chichte sein: vom Sohn eines mittellose­n Farmers zum Selfmade-Millionär. Doch Lee begnügt sich nicht damit, vielmehr erzählt er, wie New York zu jener Metropole wurde, die sie heute noch ist. Und wie ein einsamer Mann die Welt verändern kann. Es ist auch die Geschichte einer unerfüllte­n, weil niemals offen erklärten Liebe. Green bleibt daher bei all seinen großartige­n Erfolgen ein Suchender, ein Unzufriede­ner, ein Unsicherer.

Warum er am helllichte­n Tag erschossen wurde? Dieses Rätsel versucht der Autor zu entschlüss­eln. Die Lösung, die er letztlich anbietet, ist nicht unbedingt zufriedens­tellend, aber vielleicht gerade dadurch ganz nah am Leben. Es muss nicht hinter allem eine komplexe Verschwöru­ng stecken, auch wenn man an einem Freitag, den 13., ermordet wird. Manchmal spielen simple Missverstä­ndnisse und Zufälle eine viel größere Rolle, als man wahrhaben will.

Jonathan Lee: „Der große Fehler“, übersetzt von Werner LöcherLawr­ence, Diogenes-Verlag, 367 S., 25,70 Euro

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