Die Masken fallen (vorläufig) – und nun?
Mitte der Woche endete vielerorts die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Während diese Coronamaßnahme, wohl bis Herbst, pausiert, fällt die (Nach-)Betrachtung differenziert aus.
Die Maske an sich – sie könne eigentlich gar nichts dafür. Sie sei nur ein Ding. Eine von mehreren Möglichkeiten, sich und andere vor dem Virus zu schützen. „Objektiv betrachtet“, fügt die Psychologin und Psychotherapeutin Evelyn Summhammer an.
Nur: Rein objektive Betrachtungen findet man im echten Leben selten. Gerade die Maskenpflicht wurde und wird gern (auch) subjektiv betrachtet. Manche sehen in ihr eine Form der Einschränkung, ein soziales Hindernis, andere wiederum verdammen die politische Entscheidung, den Leuten eine Masken-Pause zu gönnen.
„Die Maske per se hat keine emotionale Ladung – wir sind es, die etwas aus der Situation machen“, erklärt Summhammer. Nun, da es – an fast allen Orten – „den gesellschaftlichen Status der Freiwilligkeit“gebe, nun, da man sagen könne: „Ich suche meinen eigenen Weg“, werde retrospektiv sichtbar: „Da war viel emotionale Ladung drinnen.“
Viele würden Corona als Ventil für ihre Unzufriedenheit verwenden, die aber gar nicht von Corona komme. Allerdings: „Wie es mich berührt, sagt mehr über mich aus als über die Sache.“
Aber ja, die Maske sei auch „ein Symbol, das sagt: Wir bewegen uns in unsicheren Zeiten.“Viele Menschen seien durch die Coronamaßnahmen in depressive Verstimmungen verfallen.
„Weil die Leichtigkeit in den sozialen Kontakten eingeschränkt war. Es war komplizierter – mit der Maske.“Doch hat das verpflichtende Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch einen erzieherischen Effekt gehabt? Ist es überhaupt angebracht, Menschen dahingehend zu erziehen (Stichwort: persönliche Freiheit)? Die Rede von der freien Gesellschaft sei zu relativieren. „Wir sind eine bedingt freie Gesellschaft. Solang wir in einer Gemeinschaft leben, habe wir Verantwortung für das Miteinander. Freiheit ist durch gesellschaftliche Regeln eingeschränkt. Und wir brauchen diese Regeln.“
Gewohnheitstiere. Also sollen sich die Leute nun erziehen lassen? „Psychologisch hat es seine Richtigkeit, zu sagen: Wir bleiben in der Gewohnheit drinnen.“Freilich müsse man den Leuten die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen klar machen. Dies sei zu kurz gekommen. „Ich glaube, dass man die Pandemie zu wenig psychologisch begleitet hat.“Und: „Man kann die Psychologie auch alltagstauglich machen und die Leute mitnehmen. Vielleicht hätte es dann weniger Widerstände gegeben.“
Aber wo bleibt die Individualität, wenn alle „in der Gewohnheit drinnen bleiben“? Summhammer: „Man kann Systeme infrage stellen. Aber Widerstand kann auch eine destruktive Haltung sein. Dann geht es dem Widerständler nicht um die Sache, sondern um den Widerstand an sich.“
Bewohnern, „die sich sehr bewusst sind, dass sie zur Risikogruppe gehören. Sie halten maskenmüde BewohnerInnen auf und weisen sie auf die Maskenpflicht hin“, sagt die Leiterin des Pensionistenwohnhauses. Das sind vor allem auch diejenigen, die sich seit Anbeginn der Pandemie vor einer Infektion fürchten und sehr konsequent die Maske tragen. Diese bitten auch die Mitarbeiter darum, alles dafür zu tun, dass sie nicht infiziert werden. Demenzerkrankte Bewohner verstehen die Maskenpflicht nicht und sind daher auch von der Verordnung ausgenommen.
Aber nicht nur auf die Maskenpflicht wird hier geschworen. „Vor einem schweren Verlauf schützt natürlich nur die Impfung“, sagt Heissenberger. Von den insgesamt 256 Bewohnern sind bereits knapp 20 Prozent vier Mal geimpft – 90 Prozent drei Mal. Anfang Mai hat das Impfen gestartet.
Was schützt? Das Pensionistenwohnhaus Margarethen ist eines von 30 „Häusern zum Leben“: einem eigenen Fonds, der zur Stadt Wien gehört. Die 256 Bewohner leben hier in rund 32 Quadratmeter großen Einzelwohnungen und 49 Quadratmeter großen Doppelwohnungen. „Wir sagen Pensionistenwohnhaus, um das Wohnen in den Vordergrund zu stellen. Dass man hier wie zuhause wohnt, nur besser, und versorgt wird“, erklärt Heissenberger, weshalb es nicht Altersheim heißt. Für sie hat das Wort Heim eine negative Konnotation.
Die Bewohner sind nämlich zum Großteil mobil, gehen spazieren oder in Kaffeehäuser. Dass fast überall jetzt die Maskenpflicht gefallen ist, aber im Pensionistenwohnhaus nicht, stößt bei manchen auf Unverständnis. „Ich kann zwar nicht beeinflussen, was draußen ist, aber was drinnen ist, schon“, so die Leiterin. Außerdem: „Ich konnte sehen, wer sich infiziert hat. Das waren diejenigen, die sich ohne Maske unterhalten haben. Unser Erfahrungswert hier ist: Das Einzige, was wirklich effektiv schützt, ist die Maske.“