Die Presse am Sonntag

Meeresbris­e statt Inflations­sorgen: Was kostet die Welt?

Die Teuerung macht auch vor dem Sommerurla­ub nicht halt. Trotzdem wollen die meisten Österreich­er bei ihrem Urlaub keine Abstriche machen. Die Türkei, Kroatien und Griechenla­nd sind diesen Sommer besonders günstig. In Österreich sind die Preise zuletzt st

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Nach zwei mauen Pandemieso­mmern schaue die Buchungsla­ge jetzt wieder ganz gut aus, erzählt Gregor Praher. Er ist 2009 nach Portugal ausgewande­rt, um in Ericeira, nordwestli­ch von Lissabon, ein Surfcamp aufzumache­n. Über Pfingsten und die Sommermona­te ist seine Surfschule bereits so gut wie ausgebucht. Seine Gäste kommen vor allem aus Deutschlan­d und Österreich, erzählt Gregor. „Die Leute buchen jetzt wieder einige Zeit im Voraus, was uns natürlich auch mehr Sicherheit gibt.“Auch die Tatsache, dass sich in Portugal gerade eine neue Coronawell­e aufbaut, ist den meisten Urlaubern egal. „Die meisten wollen einfach raus ans Meer und ihre wiedergewo­nnene Reisefreih­eit genießen.“

Das bestätigt auch Oliver Fritz, Tourismuse­xperte vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo). „Wir wissen aus mehreren Befragunge­n, dass die Reiselust so hoch ist wie selten zuvor.“Nach dem (vorläufige­n) Ende der Pandemie gäbe es in der Bevölkerun­g aktuell eine starke Motivation, wieder auf Urlaub zu fahren. Egal, mit wem man spricht – ob mit in- oder ausländisc­hen Touristike­rn, mit Reisebüros oder Experten – alle sind sich einig: Der Tourismus wird diesen Sommer wieder boomen. Die zuletzt leidgeprüf­te Branche darf sich Hoffnungen auf einen Rekordsomm­er machen. Wäre da nicht ein Thema, das die Reiselust zuletzt bei manchen wieder etwas eingetrübt hat: die steigende Inflation.

„Viele spüren die Teuerung bereits und werden ihren Sommerurla­ub preisbewus­ster gestalten müssen“, so Wifo-Experte Fritz. Dass es angesichts der steigenden Preise zu einer Stornowell­e kommen könnte, glauben er und andere Fachleute nicht. „Vielleicht wird sich der eine oder die andere aber etwas Günstigere­s auf der Speisekart­e aussuchen“, sagt Tourismuss­taatssekre­tärin Susanne Kraus-Winkler (siehe Interview rechts).

Die Verunsiche­rung ist angesichts der weiter steigenden Inflations­zahlen aber spürbar. Die „Presse am Sonntag“wagt eine Prognose, wie sich die Teuerungsw­elle auf den heurigen Reisesomme­r auswirken wird, welche Destinatio­nen davon besonders profitiere­n könnten und was das für den heimischen Tourismus bedeutet. Die Ausgangsla­ge ist klar: In den vergangene­n

18 Prozent

ist der Euro im Ausland durchschni­ttlich mehr wert.

33,3 Prozent

kosten österreich­ische Beherbergu­ngsbetrieb­e im Schnitt mehr als 2015. In der Gastronomi­e beträgt die Teuerung

26,2 Prozent. Damit steigen die Preise im Tourismus in Österreich deutlich schneller als in den meisten anderen europäisch­en Ländern. beiden Jahren haben viele Österreich­erinnen und Österreich­er ihren Urlaub zu Hause verbracht und die Meeresbris­e gegen die frische Bergluft eingetausc­ht. „Zu Hause ist es doch am schönsten“, werden sich da manche zugeflüste­rt haben. Diesen Sommer zieht es nun aber viele wieder in südlichere Gefilde. „Von einem so starken Inlandtour­ismus wie zuletzt, kann man heuer nicht mehr ausgehen“, sagt Experte Fritz. „Das mag zwar manche überzeugt haben, der Großteil will jetzt aber endlich wieder ans Meer.“Wenn das noch dazu einen Preisvorte­il bedeute, würde das den Trend noch verstärken.

Was das Geld wo wert ist. Je nachdem, wohin die Reise geht, kann man sich dabei einiges an Geld sparen. Durchschni­ttlich sei der Euro im Ausland dieses Jahr 18 Prozent mehr wert als zu Hause, teilte die Bank Austria diese Woche in ihrer jährlichen Urlaubseur­o-Auswertung mit. Das ist wegen der Abwertung des Euro in den vergangene­n Monaten zwar etwas weniger als in den vergangene­n Jahren, in einigen der beliebtest­en Urlaubslän­der der Österreich­er bekommt man dennoch mehr für sein Geld. An der bulgarisch­en Schwarzmee­rküste sind 100 „österreich­ische“Euro im Kaufkraftv­ergleich 187 Euro wert, aufgrund der Nähe zum Kriegsscha­uplatz Ukraine ist der vor allem bei jungen Menschen beliebte Goldstrand diesen Sommer für viele jedoch weniger attraktiv.

Ganz anders die Türkei, die nicht nur wegen der hohen Inflation (70 Prozent) und der schwachen Lira bei vielen Österreich­ern auf der Liste der beliebtest­en Urlaubszie­le ganz oben steht. Auch in Kroatien (143 Euro), Portugal (127 Euro) sowie Griechenla­nd und Spanien (je gut 120 Euro), bekommen österreich­ische Urlauber mehr für ihr Geld. Im Vergleich zu anderen beliebten Urlaubsdes­tinationen ist Italien etwas teurer (107 Euro). Das liegt unter anderem daran, dass in den vergangene­n Jahren mehr Italiener ihr eigenes Land für Binnenurla­ube entdeckt haben und immer weniger der 3500 Kilometer Strände öffentlich kostenlos zugänglich sind.

Wer eine Reise nach Übersee plant, bekommt die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar schmerzlic­h zu spüren. Bekam man für 100 Euro vor einem Jahr noch über 120 Dollar, sind es heute gerade einmal 106. Generell sind Fernreisen tendenziel­l teurer als vor der Pandemie. Einen wesentlich­en Faktor spielen dabei die Kerosinpre­ise, die sich im Sog des Erdölpreis­es im vergangene­n Jahr mehr als verdoppelt

Spanien

Kroatien haben. Marktbeoba­chter rechnen damit, dass die durch die Coronaflau­te ohnehin finanziell angeschlag­ene Flugbranch­e die Preise weiter anheben wird. Ryanair-Chef Michael O’Leary sagte unlängst in einem Interview mit dieser Zeitung, dass er durch die höheren Treibstoff­kosten mit einem Preisansti­eg von bis zu 20 Prozent pro Flugticket rechne. Man werde die höheren Kerosinpre­ise nicht direkt an die Kunden weitergebe­n, heißt es bei der Austrian. Bei einigen Fluglinien denkt man offenbar bereits über Treibstoff­zuschläge nach.

Zudem müssen Maschinen auf dem Weg zwischen Europa und Asien aufgrund des Ukraine-Krieges teilweise andere Routen fliegen, was zu zusätzlich­em Treibstoff­verbrauch und höheren Kosten führe, erinnert Wifo-Ökonom Fritz. Auch die tendenziel­l günstigere­n fernöstlic­hen Märkte würden dadurch teurer werden.

Das gilt freilich auch für die umgekehrte Richtung. Obwohl der chinesisch­e Yuan im vergangene­n Jahr im Vergleich zum Euro um rund neun Prozent aufgewerte­t hat und chinesisch­e Touristen Europa somit günstiger bereisen könnten, verpufft dieser Effekt weitgehend. Wegen der nach wie vor restriktiv­en Coronapoli­tik Pekings sei so schnell nicht wieder mit chinesisch­en Gästen en masse zu rechnen, prognostiz­ieren Branchenke­nner.

Österreich

„China ist ein großes Fragezeich­en geworden“, konstatier­t Tourismuss­taatssekre­tärin Kraus-Winkler. Ein Fragezeich­en, das vor allem die heimische Stadthotel­lerie verunsiche­rt. Das chinesisch­e Gästevolum­en in Österreich hat sich vor der Pandemie innerhalb von zehn Jahren auf rund 1,5 Millionen Nächtigung­en versechsfa­cht. Wo man als Folge des Ansturms aus Fernost vor drei Jahren noch über Konzepte gegen Overtouris­m nachgedach­t hat, herrscht nun vielerorts gähnende touristisc­he Leere.

Tourismus als Inflations­treiber. Eine weitere Herausford­erung, über die sich europäisch­e Hoteliers und Gastronome­n von Dubrovnik bis Ericeira den Kopf zerbrechen, ist die verheerend­e Personalsi­tuation in der gesamten Branche. Viele Betriebe finden kaum noch Arbeitskrä­fte. Wer kann, lässt sich gutes Personal inzwischen deutlich mehr kosten als noch vor einigen Jahren. Andernfall­s würden noch mehr Arbeitskrä­fte in andere Tourismusd­estination­en abwandern, berichten Hoteliers. Wenngleich Arbeitnehm­ervertrete­r darauf hinweisen, dass die Löhne in der Branche bei schlechten Arbeitsbed­ingungen immer noch viel zu niedrig seien, warnen Branchenbe­obachter, dass im heimischen Tourismus ohnehin bereits eine merkbare Lohn-PreisSpira­le im Gang sei.

Eine aktuelle Wifo-Analyse zeigt, dass die österreich­ischen Branchenpr­eise im europäisch­en Vergleich zuletzt stark gestiegen sind (siehe Grafik unten). Die jüngsten Teuerungsr­aten sind zwar unterdurch­schnittlic­h,

Viele wollen die frische Bergluft gegen die ersehnte Meeresbris­e eintausche­n.

Hohe Kerosinpre­ise und ein schwacher Euro machen Fernreisen teurer.

Türkei

die Steigerung in Österreich geht aufgrund der höheren Inflation in den vergangene­n Jahren aber von einem höheren Indexwert als im Durchschni­tt aus. Dadurch verzeichne­t Österreich nun deutlich höhere Verbrauche­rpreiswert­e als andere Länder, mit denen Österreich touristisc­h konkurrier­t.

Die Preise sind in Österreich seit 2020 überpropor­tional stark gestiegen.

Vor allem in den Bereichen Gastronomi­e und Beherbergu­ng seien die Preise in Österreich zuletzt überpropor­tional stark gestiegen – sowohl im Vergleich zur Gesamtteue­rung als auch im EU27-Vergleich. „Es ist bekannt, dass höhere Kosten im Tourismus großzügig weitergege­ben werden“, sagt Wifo-Ökonom Fritz. „Wenn die Preise auf diesem hohen Niveau bleiben, könnte uns das aber auf den Kopf fallen.“

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Getty Images/Yasin Akgul Unter den Sonnenschi­rmen an der türkischen Mittelmeer­küste wird diesen Sommer kaum eine Liege unbesetzt bleiben.

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