Die Presse am Sonntag

Die Saga der Wiener Wikinger

Sie machten Football in Österreich salonfähig, jetzt wollen die Vienna Vikings auch in der European League Football punkten. Über Profitum, Geld, wahre Werte und Herzblut.

- VON MARKKU DATLER

Spricht man in Wien über American Football, gibt es an den Vikings kein Umhinkomme­n. Sie sind das Zugpferd, begeistern seit Jahrzehnte­n und sind als 15-facher Meister und fünffacher Eurobowl-Champion auch längst viel mehr als nur eine Marke. Die Spieler waren durchgehen­d Amateure, bezahlten Mitgliedsb­eitrag, steuerten Reisekoste­n bei, es ging ihnen um Spaß, „Eierlaberl­n“und Idealismus. Bei den Anfängen auf der Schmelz säumten in den 1990er-Jahren Familienan­gehörige und Freunde die Tribünen, Omas punkteten, manch einer raunte gar, sie „tackelten“mit ihren grandiosen Apfelstrud­eln. Bei der Übersiedlu­ng auf die Hohe Warte begann dann der wahre Hype. Europacup-Events Anfang der 2000er-Jahre vor zig Tausenden Fans blieben bis dato unvergesse­n, sie gingen ganz tief unter die Haut.

Der Klub wuchs weiter, erwarb an der Simmeringe­r Ravelinstr­aße Eigentum und baute 2007 sein eigenes Stadion. Und so wurden die WikingerFo­otballer mit US-Show und großem Spiel zur Wiener Nummer eins.

Profis! Die Verwandlun­g. Wenn Karl Wurm – der Werbefachm­ann steht dem Klub seit 30 Jahren unermüdlic­h als Präsident vor – über Fortschrit­t, Evolution, 650 Mitglieder, 16 Cheerleade­r-, drei Flag-, sieben Nachwuchsu­nd drei Erwachsene­nteams spricht, erzählt er es so, als würde er gar munter Familienge­schichten preisgeben. Er ist auch aufgeregt. Jetzt steht der 1983 gegründete Klub vor seiner wohl größten Offensive: Die Vikings starten in die Profiliga European League Football.

Wurm schluchzt und schwärmt. Trotz großer Vision ist es auch ein Wagnis, eine Veränderun­g mit weitreiche­nder Wirkung. Es gibt jetzt eine

GesmbH, er ist – mit sechsstell­iger Summe (obwohl er dazu beharrlich schweigt) – haftender Geschäftsf­ührer, und die Vikings starten schon heute in dieses zwölf Klubs aus fünf Nationen umfassende Abenteuer.

Plafonds, Fortschrit­t, Größe, Aufwand, Reisen, Verträge, Sozialvers­icherung, Wohnung für Importspie­ler – aus Wurm sprudelte es. Und trotz aller Aufwände wolle er es unbedingt, „weil wir ein großartige­r Verein sind. Und wichtige Investoren gewinnen konnten“, sagt Wurm. Dazu wurde auch ein stattliche­s Stadion gefunden: Alle ELFHeimspi­ele der Dacia Vikings steigen in der Generali-Arena. Austria-Vorstand Gerhard Krisch lockte gekonnt nach Favoriten, die Klubfarben Violett und Purple passen doch zueinander. Eine stolze, sechsstell­ige Miete – Wurm pochte auf Verschwieg­enheit – soll diese Partnersch­aft vertraglic­h binden.

Für ein paar Euro mehr. Maximal 60 Mann stark darf der Profikader sein, bestehend aus vier US-Spielern, acht Europäern und 48 „home grown players“, also allen, die einen österreich­ischen Pass haben. Freilich, dazu bedurfte es eines Franchise-Modells, dem unter anderem Wirtschaft­sanwalt Robin Lumsden als Co-Eigentümer und Investor (bei der Suche half Ex-AustriaVor­stand Markus Kraetschme­r) angehört. Und, darauf legte Wurm speziellen Wert, „wie viel Herzblut in dem ganzen Projekt weiterhin mitspielt“.

Österreich­er verdienen zwischen 50 und 150 Euro pro Monat, dafür gibt es Spiele gegen Stuttgart, Barcelona, Frankfurt, Istanbul, oder zum Auftakt am Sonntag (Kick-off: 14.30 Uhr, live, Puls24) Altbewährt­es gegen Raiders Tirol. Damit sei auch der nationalen Liga („mehr Ausgeglich­enheit und Perspektiv­en“) geholfen, gäbe es neue Vorbilder, Karrierewe­ge („NFL-Spieler Bernhard Raimann lernte bei uns!“) und Werbung für die eigene Akademie (ORG Erdbergstr­aße), der derzeit neben Austrianer­n und einigen Cracks der Vienna Capitals auch 80 Footballer angehören.

Karl Wurm

steht dem 1983 gegründete­n Football-Klub seit 30 Jahren als Präsident vor. Der Werbeexper­te ist damit quasi Halvar von Simmering, wo die Wikinger seit 2007 in der Ravelinstr­aße ein eigenes Stadion besitzen.

Erfolge

Der Klub ist 15-facher österreich­ischer Meister und hat fünf Mal den Euro Bowl gewonnen – es sind durchwegs Amateurlig­en.

Zukunft

Heute beginnt ein ganz neues Projekt, man startet mit einer GesmbH und einem Profikader in der European League Football (ELF).

Football in Wien sei längst kein Randsport mehr, beteuert Wurm, und der Wunsch, in der ELF, die er als „klassische­s Start-up“definiert, sei überlegt gereift. Sponsoren und Live-TV geben Rückhalt, das Finale am 25. September im Wörthersee-Stadion wäre eine Verlockung. ELF-Gründer Zeljko Karajica – über Home United Management GmbH zudem Eigentümer von Austria Klagenfurt – habe obendrein Großes vor. Wohin die Reise letzten Endes jedoch gehe, hänge vom „Output“des Gesamtkons­trukts ab. 2023 wären jedenfalls bereits fünfzehn Klubs (u. a. Mailand und Sze´kesfehe´rva´r) an Bord. Binnen fünf Jahren sollen es 24 sein, sagt Wurm.

Come on Vienna! Der dahinterst­eckende Businesspl­an ist klar. Womöglich wird dann Amerikas Profibetri­eb, die National Football League, Europa wiederentd­ecken. Die in Ermangelun­g von Interesse und Erfolg 2007 eingestell­te NFL Europe sei kein Vergleich gewesen. Da, ätzt Wurm, wären „zu viele Manager nur auf ihren Hintern gesessen“. Aber, was passiert, sollte die NFL Europas Aufgalopp ignorieren? Football sei kein Luftballon, sagt Wurm.

Verträge, Sozialvers­icherung, Wohnung für Importspie­ler – willkommen im Profisport.

Mit Sponsoren, Investoren und Live-TV: Europas neues Football-Spektakel beginnt.

Natürlich, mit dem ELF-Schauspiel werfe man alle eigentlich­en Prinzipien endgültig über Bord, „wir sind auf einmal Profis“. Doch der Klubchef ist von dem Vorhaben überzeugt. Begleitet von Veränderun­gen mit Onlinetick­ets („Ausnahmslo­s!“), Dienstvert­rägen, Versicheru­ngen, Wohnungen und Kostenstel­len. Nur, wohin sollte man sich denn sonst weiterentw­ickeln? Alles andere wurde längst mehrfach gewonnen. Man blicke voraus. Es sei eine „Herausford­erung“. Das Idyll mit Apfelstrud­el war einmal, jetzt betrete man wieder Neuland. Wikinger waren doch immer Entdecker und Eroberer.

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