Die giftige Himmelsschlange
Von wegen lieber Regenbogen: Kulturen wie die Inkas sahen Schreckliches darin.
Manche werden hier an einen Tiefkühlkostlieferanten denken, aber nein, Byfrost war in nordischen Mythen die Regenbogenbrücke zwischen Himmel und Erde. Und an eine solche glaubte man nicht nur dort: Über diese Brücke brachte bei den alten Griechen Iris die göttlichen Anordnungen vom Olymp auf die Erde. Auch Buddha nutzte den Regenbogen, um nach seinem Himmelsausflug auf die Erde zurückzukehren. Bei ihm war der Regenbogen allerdings keine Brücke, sondern eine siebenstufige Stiege.
Der Regenbogen als Verbindung zwischen Himmel und Erde – seit Jahrtausenden hatten Menschen in unterschiedlichsten Zeiten und Weltteilen diesen Eindruck, kein Wunder. Erstens drängt sich die Vorstellung optisch auf, und zweitens: Wer wollte sich die Verbindung zwischen Himmel und Erde nicht so einladend und freundlich vorstellen? Bei den Kelten wartete sogar ein Goldtopf am Ende des Bogens.
Allerdings zog sich auch die genau gegenteilige, ausgesprochen negative Wahrnehmung dieses Naturphänomens durch die Zeiten. Im Vietnam etwa oder bei den Inkas galt der Regenbogen
als gefährliche Schlange und unheilvolles Omen. Vielleicht hat es ja damit zu tun, dass starke Farben in der Natur oft Zeichen für Gefährlichkeit (Giftigkeit) sind.
In Europa jedenfalls stand der Regenbogen für das Gute und Schöne – so sehr, dass der englische Dichter John Keats 1920 in seinem Gedicht „Lamia“Isaac Newtons Licht- und Farbexperimente als Sakrileg darstellte: Er würde damit den Regenbogen entzaubern! So wie die Naturwissenschaft überhaupt das Wunderbare aus der Welt entferne . . . Keats Sorge war aber unbegründet; der Regenbogen bescherte den Menschen im aufgeklärten Westen weiter Glücksmomente und eine Ahnung vom Wunder Welt. Nur die Künstler interessierten sich immer weniger dafür. Goethe (angeregt durch seine Farbforschungen), Wilhelm Raabe und auch noch Thomas Mann hatten keine Scheu, ihn auch metaphorisch in den Himmel zu heben, in den letzten Jahrzehnten aber kam der Regenbogen doch in Kitschverruf. Spätestens seine Karriere als gesellschaftliches Symbol hat ihn bei den Künstlern rehabilitiert.