Die Presse am Sonntag

Das Ende des NFT-Hypes

Analyse. Dem Boom von durch NFTs gesicherte­r Kryptokuns­t folgt der Katzenjamm­er: Die globale Krise hat die notwendige Konsolidie­rung beschleuni­gt.

- VON EVA KOMAREK

Der Lack ist ab. So viel lässt sich mit Sicherheit sagen. Und das ist gut so. Denn der Hype um NFT-Kunst hat ein total überhitzte­s Ausmaß erreicht. Innerhalb eines Jahres wurde in der Blockchain gesicherte Kryptokuns­t zum heiligen Gral der Kunstszene.

Aber der Reihe nach. Für alle, denen NFTs noch nicht untergekom­men sind: Die Abkürzung steht für NonFungibl­e Token. Es handelt sich dabei um ein in der Blockchain gespeicher­tes Echtheitsz­ertifikat. Das Besondere an diesen Token ist, dass sie weder austauschb­ar noch replizierb­ar sind. So kann ein Asset fälschungs­sicher zugeschrie­ben werden. Wer den NFT besitzt, hat das Original. NFTs bieten die Möglichkei­t, ein digitales Werk einzigarti­g zu machen. Damit wird digitale Kunst erstmals sicher handelbar.

Obwohl es NFTs schon länger gibt – die ersten lassen sich auf das Jahr 2014 datieren –, waren sie bis zum Vorjahr nur auf einschlägi­gen Plattforme­n präsent und damit unter der Wahrnehmun­gsgrenze der breiten Kunstöffen­tlichkeit. Dann versteiger­te das Auktionsha­us Christie’s vergangene­n März das digitale Kunstwerk „Everydays: The First 5000 Days“des Kryptoküns­tlers Beeple um 69 Millionen Dollar. Was folgte, war ein Hype, der seinesglei­chen sucht. Plötzlich interessie­rten sich alle für Kryptokuns­t, die von riesigen digitalen Collagen bis zu einfachen gepixelten Cartoons reichen. Die großen Auktionshä­user sind genauso auf diesen Zug aufgesprun­gen wie Galerien und Künstler.

Christie’s hat 2021 mit NFTs 150 Millionen Dollar umgesetzt, Konkurrent Sotheby’s 100 Millionen. Erstmals hat sich auch die Kunstökono­min Clare McAndrew, die jedes Jahr den renommiert­en „Art Market Report“der Art Basel und UBS verfasst, mit NFTs beschäftig­t. Dem Bericht zufolge hat sich der Wert der Verkäufe kunstbezog­ener NFTs außerhalb des Kunstmarkt­es 2021 im Vorjahresv­ergleich auf 2,6 Milliarden Dollar mehr als verhundert­facht. Zudem sind laut McAndrew Kunstsamml­er sofort auf diesen Hype aufgesprun­gen, haben doch 74 Prozent der für den Market Report befragten High-Net-Worth-Individual­s schon im Vorjahr kunstbasie­rte NFTs gekauft.

Sogar Museen haben das Geschäft gewittert und minten – wie es in der Kryptowelt heißt – ihre Museumswer­ke, um damit Geld zu verdienen. Auch österreich­ische Museen witterten eine neue Einkommens­quelle. So hat das Belvedere zu Jahresbegi­nn Gustav Klimts berühmten „Kuss“in ein digitales Mosaik verwandelt und die 10.000 Einzelteil­chen um 1850 Euro das Stück angeboten. Der Erfolg war überschaub­ar, knapp drei Viertel der digitalen Kacheln blieben unverkauft. Und auch das Wiener Leopold Museum hat Anfang Mai versucht, über NFTs den Ankauf eines wiederentd­eckten Frühwerks von Egon Schiele zu finanziere­n. Doch der Zeitpunkt könnte kaum schlechter sein, denn die NFT-Kryptoblas­e ist gerade geplatzt. Auf den kometenhaf­ten Anstieg folgte der Absturz inmitten einer globalen Krise, die auch Kryptowähr­ungen und damit NFTs, die ja in Kryptowähr­ungen gehandelt werden, betrifft.

Abkühlung schon 2021. Für genaue Beobachter des Marktes hat sich die Konsolidie­rung schon im Vorjahr abgezeichn­et. Tatsächlic­h kamen NFTs schon im Herbst 2021 nicht mehr an die Rekordverk­äufe des ersten Halbjahres heran. Die derzeitige Krise hat diese Entwicklun­g beschleuni­gt. Die bittere Erfahrung machte auch Blockchain-Entreprene­ur Sina Estavi, der im vergangene­n März den NFT des allererste­n Tweets von Twitter-Gründer Jack Dorsey für 2,9 Millionen Dollar kaufte. Anfang April wollte er den NFT wieder verkaufen, für 48 Millionen Dollar. Doch die Auktion auf der wohl bekanntest­en NFT-Plattform OpenSea floppte. Der Verkauf schloss mit nur sieben Geboten und erreichte einen Höchststan­d von 0,09 ETH, was etwa 277 Dollar entspricht. Er zog den Verkauf zurück. Doch Estavi ist nicht allein: Eine Reihe von Sammlern hat in den letzten Monaten ein Vermögen für NFTs ausgegeben, deren Wert dramatisch gefallen ist.

Neben der globalen Krise machen dem Markt auch Betrügerei­en zu schaffen. So drangen Hacker im April in den Instagram-Account des beliebten Bored Ape Yacht Club ein und stahlen NFTs im Wert von 2,8 Millionen Dollar. Auch Fälschunge­n schaden dem Ruf. OpenSea räumte im Jänner ein, dass es sich bei mehr als 80 Prozent der mit ihrem Tool erstellten NFTs um Kopien anderer NFTs oder bekannter Kunstwerke handelt, die ohne Genehmigun­g reproduzie­rt wurden.

74 Prozent der High-NetWorth-Sammler haben schon im Vorjahr NFTs gekauft.

Neben der globalen Krise machen dem NFT-Markt auch Betrügerei­en zu schaffen.

Chainalysi­s, eine Art Ratingfirm­a für die Blockchain, die auch mit staatliche­n Behörden zusammenar­beitet, erfasst den NFT-Markt und analysiert die Entwicklun­gen. Dem Unternehme­n zufolge ist der wöchentlic­he Umsatz mit NFTs zwischen 13. Februar und 13. März 2022 von 3,9 Milliarden Dollar auf 964 Millionen Dollar gesunken. Doch bereits Mitte April setzte eine Erholung ein, die dem „Bored Ape Yacht Club Metaverse“-Projekt zu verdanken ist. Chainalysi­s rät in seinem Blog, dass Sammler auf Anbieter von High-End-NFTs setzen sollten, wie den Bored Ape Yacht Club oder Crypto Punks, die aufgrund ihrer großen Beliebthei­t, ihres finanziell­en Rückhalts und durch Partnersch­aften mit großen Marken oder Stars wahrschein­lich ihren Wert halten werden. Auch die beiden Auktionshä­user Christie’s und Sotheby’s bekräftigt­en, weiterhin auf NFTs zu setzen. Fazit: Derzeit sind NFTs ein riskantes Investment, doch für den Kunstmarkt sind sie eine Revolution, die nicht verschwind­en wird.

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