Die Presse am Sonntag

»Hinschauen ist ein gutes Gegengift«

Verdrängen und Wegschauen ist nicht der Weg von Bettina Flitner. Versuchen zu verstehen will die Fotografin, und den Dingen auf den Grund gehen – beruflich wie privat. In ihrem kürzlich erschienen­en Buch »Meine Schwester« folgt Flitner der Spur ihrer groß

- VON JUDITH HECHT

...ob Ihr Umfeld Sie auf den Suizid Ihrer Schwester offen angesproch­en hat?

Ja, meine Freunde und Freundinne­n wollten da nicht einfach schweigend darüber hinweggehe­n. Die waren alle da für mich. Ich habe es Fremden gegenüber erst einmal nicht thematisie­rt, weil die Leute oft so geschockt reagierten und fragten: „Wie gehen deine Eltern damit um?“Dann musste ich sagen: „Meine Mutter hat sich auch das Leben genommen.“Dann sagten sie: „Ach, du meine Güte. War deine Schwester denn verheirate­t?“„Ja“, antwortete ich. Dann fragten sie: „Wie geht es denn ihrem Mann?“„Der hat sich nun auch das Leben genommen“, sagte ich daraufhin. Spätestens da suchte jeder das Weite. ...ob Sie erstaunt waren, an wie viele Details Sie sich beim Schreiben erinnern konnten?

Ja, es ist fasziniere­nd, was bei so einem Prozess auf einmal wieder alles hochkommt. Vielleicht habe ich auch deshalb alles niedergesc­hrieben, um die Erinnerung an meine Schwester zu bewahren.

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