Museum bis Party: Wo Wien Vielfalt feiert
Die LGBTIQ-Szene hat sich in Kunst und Kultur etabliert – heuer eröffnete das erste queere Museum.
Seit den 1980ern gibt es das Schwule Museum in Berlin, in New York hat sich das Leslie-Lohman-Museum auf Kunst aus der LGBTIQ-Szene spezialisiert. „Beim Blick ins Ausland haben wir uns gedacht: Es ist doch ewig schad’, dass Wien so etwas nicht hat“, sagt Florian Aschka.
Aschka ist Teil jenes Kollektivs, das Anfang des Jahres das Queer Museum Vienna gegründet hat. „Das Museum ist aus dem Wunsch heraus entstanden, das ganze Jahr über Angebot für queere Kultur, Kunst und Kulturgeschichte zu haben.“Noch bis August hat es seinen Standort im Volkskundemuseum in der Laudongasse, dann muss das Kollektiv Queer Museum Vienna neue Räumlichkeiten finden. „Die Zukunft ist also noch ungewiss.“
Das Programm umfasst Ausstellungen, Vorträge, Filmscreenings, Lesungen und Performances. Noch bis Mittwoch läuft die aktuelle Ausstellung „How does the body take shape under pressure?“, die vor allem Arbeiten von queeren türkischen Künstlern zeigt.
Razzia im Buchladen. Schon lang in der Community etabliert ist hingegen die
Kollektiv Queer Museum Vienna charmante Buchhandlung Löwenherz in der Berggasse, die sich mit ihrem Sortiment auf homosexuelle Menschen spezialisiert hat. Jürgen Ostler und Veit Georg Schmidt gründeten diese im Jahr 1993. Gleich im ersten Jahr folgten eine Polizeirazzia und ein Strafverfahren – denn damals war „Werbung für Homosexualität“verboten.
Mittlerweile sei man „im Mainstream angekommen“, erzählt man der „Presse am Sonntag“am Telefon. 2020 wurde Löwenherz mit dem Österreichischen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Neben Büchern, die die homosexuelle Lebensrealität gelungen darstellen, gibt es auch österreichische Literatur und Bücher zum Thema Psychoanalyse – schließlich liegt die Buchhandlung nur wenige Schritte vom Freud-Museum entfernt.
Ebenso im neunten Bezirk, im Kulturzentrum WUK, steht viermal pro Saison queeres Kabarett am Programm. Wer den Politically Correct Comedy Club (PCCC*) auf der Bühne sehen will, muss aber schnell sein – innerhalb von ein paar Stunden sind die Tickets meist ausverkauft. Die Performerin Denice Bourbon gründete den queeren und feministischen Comedy Club, in dem die Witze nicht auf Kosten von Minderheiten gehen sollen. Die nächsten Termine sind am 3. Oktober und 12. Dezember geplant, der Vorverkauf über das WUK startet voraussichtlich Ende September.
Queer feiern. Auch im Nachtleben haben sich Partys, die von der queeren Community veranstaltet werden, längst einen Namen gemacht. Dazu zählt etwa die LGBTIQ-freundliche
» In der Wiener Museumslandschaft fehlte einfach ein queeres Museum. « FLORIAN ASCHKA
Man sei nun »im Mainstream angekommen«, erzählt man im Buchladen Löwenherz.
Partyreihe Malefiz, die im Fluc stattfindet (nächste Party: 18. Juni). Das Event The Circus ist wohl eine der größten Gay-Partys in Wien und findet (nachdem natürlich am Pride-Wochenende ausgiebig gefeiert geworden ist) wieder am 1. Oktober in der Arena Wien statt. Klassisches Discoprogramm gibt es an den Wochenenden im Why Not, der ältesten Schwulendisco der Stadt.
Crimes“im Detail fest. Im Zeitraum zwischen November 2020 und April 2021 wurden demnach 55 Gewaltdelikte gezählt, bei denen das Motiv die sexuelle Orientierung war. Am häufigsten waren mit 42 Fällen homosexuelle Menschen betroffen.
Das tatsächliche Ausmaß von Anfeindungen gegen queere Personen sei jedoch schwierig zu dokumentieren, sagt Ann-Sophie Otte, Obfrau der Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien, die von einer hohen Dunkelziffer ausgeht. „Vorfälle werden oft nicht gemeldet. Bei vielen ist das Vertrauen in die Polizei nicht da, andere schämen sich, wenn sie beleidigt werden.“
Dass in den letzten Jahren die Anfeindungen zugenommen haben, könne Otte aber auch daran festmachen, dass sich die Vorfälle vor dem Cafe´ und HOSI-Vereinslokal Gugg gehäuft haben. „Es ist mit Regenbogenfarben bemalt ein offensichtlich queeres Lokal. Früher gab es einmal im Monat oder seltener einen Vorfall, mittlerweile treten sie wöchentlich auf.“Sie erzählt von Beleidigungen von Vorbeifahrenden, Menschen, die aus den Autos spucken, Drohungen bis hin zu tätlichen Übergriffsversuchen. „Ich kann es nicht wissenschaftlich erklären, aber ich denke schon, dass es mit dem Coronathema korreliert. In Krisenzeiten ist es ja oft so, dass sich der Hass auf Minderheiten konzentriert“, sagt Otte.
Nicht immer sind es offensichtliche Angriffe oder Beleidigungen, mit denen LGBTIQ-Personen zu kämpfen haben. „Viel häufiger sind Alltagsdiskrimierungen, die man über sich ergehen lassen muss“, sagt Otte. Die extra Nachfrage an der Kassa, ob man tatsächlich eine Frau sei, die Blicke, wenn man die Partnerin auf der Straße küsst. Der Alltag einer queeren Person sei mit einem permanenten Outing verbunden, sagt Otte, „wobei man nie sicher sein kann, wie das Gegenüber reagiert.“
Eine Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte von 2020 fand heraus, dass sechs von zehn queeren Personen in Europa es eher vermeiden, die Hand ihres Partners in der Öffentlichkeit zu halten – aus Angst, belästigt oder angegriffen zu werden. Umso wichtiger seien geschützte Räume für queere Menschen, sagt Otte.
Die Szene in Wien sei klein.