Die Presse am Sonntag

Große Vielfalt auf kleinem Rau

Mathias Fantner und Nicola Wagner betreiben auf rund einem Hektar ihren Gemüsehof Artenvielf­alt im Marchfeld – und setzen dabei auf Vielfalt bei Arten und Sorten, Freiland und Handarbeit.

- VON KARIN SCHUH

Mathias Fantner hat einen entspannte­n Zugang zu den Kulturen, die auf seinem Gemüsefeld wachsen. Er kennt zwar so gut wie alle Pflanzen. Aber bei manchen, vorwiegend Kräutern, die offenbar seine Freundin, Nicola Wagner, gesetzt hat, meint er auf die Frage, was genau das sei, lediglich: „Das? Das ist jetzt auch da.“

Um dann zu erklären, dass sie das einfach einmal ausprobier­en, wenn es gut wächst und sich ebenso gut verkaufen lässt, dann darf es wieder hier wachsen. Wenn nicht, dann nicht. Wobei es selbst da Ausnahmen gibt.

In jenen gelb blühenden Streifen, der sich mithilfe einer Mitarbeite­rin, die gerade Paradeiser im Folientunn­el hochbindet, als Johanniskr­aut herausstel­lt, haben sich nämlich auch ein paar andere, ebenfalls gelb blühende Pflanzen gemischt. „Das ist die Schwarzwur­zel, die haben wir letztes Jahr hier ausprobier­t, jetzt kommt sie immer wieder.“

Mathias Fantner und Nicola Wagner bewirtscha­ften seit 2018 eine rund 1,2 Hektar große Fläche in Lassee im niederöste­rreichisch­en Marchfeld. Einen landwirtsc­haftlichen Hintergrun­d haben beide nicht. „Die Tante meiner Freundin hat eine Landwirtsc­haft, von der haben wir auch die Flächen gepachtet“, sagt der 28-Jährige. Beide haben allerdings die Gartenbaus­chule in Langenlois besucht. Danach haben sie die Matura nachgeholt und studiert – sie auf der Boku, er Musikwisse­nschaften, „aber nicht fertig“.

Seine Freundin hat schon früher als Hobby Pflanzen kultiviert. „Ich wollte immer einen Betrieb führen, eigentlich egal, welchen“, sagt er. Außerdem

hat er ihr gern geholfen, „die Dinge effiziente­r zu gestalten, zum Beispiel einen Folientunn­el zu bauen“. Also haben die beiden die Flächen gepachtet und das einmal ausprobier­t.

Das Ganze ist aufgegange­n, die Flächen sind mehr geworden, jedes Jahr ist etwas Neues dazugekomm­en. Das Studium hat er an den Nagel gehängt. Er wollte lieber etwas machen, was funktionie­rt.

Hühner im Wohnmobil. Heute kultiviere­n die beiden auf einem knappen Hektar Gemüse, Kräuter und auch ein bisschen Obst. Hinter den beiden Folientunn­eln haben ein paar Hühner Platz. Als Hühnerstal­l hält ein alter, umgebauter Wohnwagen her. Auch ein paar Enten schwimmen hier in einem alten Kinder-Planschbec­ken. „Die waren irgendwann da.“Auf einem weiteren Feld wachsen Erdbeeren.

Verkauft werden Gemüse, Obst, Kräuter und Hühnereier über einen eigenen Hofladen in Wien und auf kleineren Märkten. Im Herbst gibt es auch Hühnerflei­sch, weil sie die Hühner nicht über den Winter bringen möchten, von Dezember bis Februar ist hier nämlich Pause. „Da gibt es dann Paprikahen­dl, ist auch gut.“

Mittlerwei­le können die beiden davon leben. „Die großen Bauern aus der Region lachen über uns, weil wir so klein sind. Aber sie sagen auch, sie würden sich die Arbeit mit den vielen verschiede­nen Kulturen nicht antun“, erzählt Fantner.

Dass die meisten Kulturen im Freiland wachsen, selbst Melanzani und manche Paradeiser­sorten, die dort auch weder ausgegeizt noch angebunden werden, habe schlicht praktische Gründe. „Ein Folientunn­el ist so teuer, da bist du schnell einmal bei 10.00, 12.000 Euro. Und er erfordert viel Arbeit, weil man die Flächen nutzen will und die Pflanzen ausgeizen und hochbinden muss.“In den zwei Folientunn­eln wachsen verschiede­ne Paradeiser­sorten, unter anderem Ochsenherz. „Die muss man stützen, sonst reißt der Ast ab. Aber es gibt andere Sorten, wie die Buschtomat­e, die muss man nicht anbinden.“

Generell war ihnen von Anfang an klar, dass sie biologisch wirtschaft­en wollen (der Betrieb ist bio-zertifizie­rt), auf Vielfalt und Freiland setzten wollen. Mehr als 40 verschiede­ne

Kulturen wachsen hier. „Unser Ziel war immer, so divers wie möglich zu sein. Wobei,

Nicola Wagner hat immer gern Pflanzen gezogen, daraus wurde ein Betrieb.

vielleicht nicht gar so arg divers, das ist schon auch viel Arbeit.“

Auf Kulturen wie Erdäpfel oder Zwiebeln, die maschinell geerntet werden müssen, um mit der Konkurrenz mithalten zu können, haben sie bewusst verzichtet. Stattdesse­n setzen sie auf Paradeiser, Zucchini, Melanzani, Paprika, diverse Salate – „zum Beispiel den Salanova-Salat, den gibt es nicht überall zu kaufen“–, aber auch auf Wasser- und Zuckermelo­nen, die hier gut wachsen.

Süßkartoff­eln bauen sie ebenfalls seit ein paar Jahren an. „Aber das ist eine schwierige Kultur, heuer haben sie die letzte Chance. Wenn das nicht klappt, dann kommen sie weg. Bis jetzt machen sie aber keine Probleme.“

AUF EINEN BLICK

Mathias Fantner und Nicola Wagner betreiben im Marchfeld den Gemüsehof Artenvielf­alt. Auf 1,2 Hektar wachsen rund 40 Kulturen, allen voran Gemüse, Kräuter, aber auch Obst. Außerdem produziere­n sie Eier und Wein. Ab-Hof-Laden: 7., Bandgasse 26, www.artenvielf­alt.bio

Die Jungpflanz­en kaufen sie in Raasdorf. Im ersten Jahr haben sie sie selbst gezogen. „Da hast du keine Chance, da kann man mit den anderen nicht mithalten“, sagt Fantner und führt an einem Folientunn­el vorbei, neben dem eine Reihe Pfirsichbä­ume in Töpfen steht. Auch das ein Versuch, den er auf einem anderen Feld probiert hat und nun übersiedel­n musste. Wo sie ausgepflan­zt werden sollen, weiß er noch nicht. Sie wollen auf jeden Fall das Sortiment um Pfirsiche erweitern.

Das Futter für die Hühner produziere­n sie auch selbst. Auf zwei Hektar wird dafür Getreide angebaut, die lassen sie jedoch von der Tante bewirtscha­ften. Dazu fehlen ihnen die Maschinen. Generell wird hier viel auf Handarbeit gesetzt, was dieser Tage vor allem Unkraut jäten bedeutet. Wobei ein paar Reihen Melanzani mit einer dunklen Folie ausgelegt wurden, was den Unkrautwuc­hs verhindert und den Boden wärmt. Noch ein Versuch.

Und einen weiteren gibt es. Ein paar Ortschafte­n weiter bewirtscha­ftet Fantner einen kleinen Weingarten und macht (mithilfe befreundet­er Winzer) Rheinriesl­ing und Weißburgun­der. „Das ist mein Hobby, aber den verkaufen wir auch über den Hofladen.“Was genau mit dem Lavendel und dem Sonnenhut passieren soll, die ebenfalls wachsen, weiß er nicht. „Mal schauen, die sind jetzt einfach auch da.“

Es wird viel ausprobier­t. Was hier gut wächst, darf bleiben. Was nicht, manchmal auch.

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