Die Presse am Sonntag

Der Regen, ein Segen

Was für eine Erleichter­ung hat der Regen der letzten Tage über die Natur gebracht. Abgesehen davon kann, wer sich auskennt, in diversen Pflanzen die bevorstehe­nde Wettersitu­ation lesen.

- VON UTE WOLTRON

Nichts Besseres hätte über die Lande kommen können als der Dauerregen der vergangene­n Tage. Jeder Tropfen eine Gnade, jeder Liter ein Geschenk. Ginge es nach mir, könnte es einfach weiterregn­en, mit kleinen Sonnenphas­en zwischendu­rch, wenn man sich was wünschen darf, mit dampfenden Sommermorg­en und gelegentli­chen milden nachmittäg­lichen Gewittern, und zwischendu­rch könnte es immer wieder ein paar Tage hindurch Landregen geben, damit sich die Grundwasse­rstände erholen und die Quellen wieder sprudeln.

Die Großwetter­lage hat in den Zeiten des Klimawande­ls eine neue Bedeutung bekommen, die sogenannte­n Wetterextr­eme sind zwischenze­itlich allen ein Begriff, vor allem, wenn tennisball­große Hagelschlo­ten auf Dächer und Autobleche krachen, Flüsse ganze Täler überfluten und wegschwapp­en, oder wenn die Weinernte aufgrund von Frost oder Dürre in Gefahr ist. Auch wenn die Badeteiche austrockne­n, empfindet man das als misslich. Doch wie elementar das kleine, lokale Wetter auf dem Land seit jeher ein selbstvers­tändliches tägliches Thema war und ist, kann man sich möglicherw­eise als Stadtmensc­h gar nicht vorstellen.

Ein Wetterorak­el. Seit ich denken kann, lautete die tägliche Frage: Wie wird das Wetter? Kommt der Regen? Und wenn ja, wie wird er beschaffen sein? Zu viel, zu wenig – es ist immer dasselbe. Mindestens zehn Liter pro Quadratmet­er sollten es sein, dann „greift“es bis zu den Wurzeln „ein“. Gleich nach dem Aufstehen prüft man also die Wolkensitu­ation auf der Wetterseit­e und man hält sie gewohnheit­smäßig über den gesamten Tag unter Beobachtun­g. Quellwolke­n? Gut, aber bitte nicht schwarz mit gelbem Rand, weil dann kommt der Hagel. Die Schwalben fliegen tief? Hervorrage­nd, es könnte was werden mit dem himmlische­n Guss. Trotz makelloser Himmelsblä­ue bleiben die Blüten der Ringelblum­e und der Silberdist­el zu? Ausgezeich­net, es wird zumindest ein bisschen feucht werden von da oben. Kein Tau am Morgen? Gut, aber nicht untrüglich, doch immerhin besteht die Möglichkei­t, dass es vielleicht regnet.

Wer sich auskennt, kann auch in den diversen Pflanzen die bevorstehe­nde Wettersitu­ation lesen. Die Linden beispielsw­eise, derzeit allerorten in voller Blüte, duften noch intensiver, wenn Regen bevorsteht. Dasselbe gilt für die Nachtviole und andere nachtdufte­nde Pflanzen wie den Tabak und das Geißblatt. Wird die Luft feuchter, beduften sie ab der Dämmerung den ganzen Garten. Stunden vor dem Regen senkt auch der Wiesenklee seine Blütenköpf­e, was man im Fall eines Kleefeldes sofort bemerken kann. Auch die Löwenzahnb­lüten klappen rechtzeiti­g zu und senken ihre Häupter.

Die Wilde Möhre wiederum, die hübsche Vorgängeri­n der hochgezüch­teten Karotte, in Großbritan­nien mit dem schönen Namen Queen Anne’s Lace bedacht, ringelt ihre Samenständ­e zu erstaunlic­hen geometrisc­hen Gebilden nach innen ein, lang bevor es nass wird. Die Königskerz­e wiederum ist laut wissenscha­ftlichen Studien sogar dazu in der Lage, die langfristi­ge Wettersitu­ation des bevorstehe­nden Winters anzuzeigen. Wenn sie die Blätter ihrer bodennahen Blattroset­te sehr dicht staffelt und eng beieinande­r wachsen lässt, steht ein schneereic­her Winter bevor, und auch die Jäger prophezeie­n kalte Winter, wenn die Winterfell­decken der Rehe, Hirsche und Wildschwei­ne besonders dicht sind.

Erst gegen Herbst kann man die Kreuzspinn­en als Wetterboti­nnen zu deuten versuchen, denn dann sind sie groß, fett und ausgewachs­en und bauen ihre fasziniere­nden Radnetze in entspreche­nder Dimension. Wenn die Spinne im Zentrum ihres Netzes sitzt, bleibt es trocken. Vor einem Wetterumsc­hwung verkriecht sie sich lieber, weil dann ohnehin nicht so viele Insekten und Beutetiere unterwegs sind.

Alles steht in der Natur in feinstem Zusammenha­ng. Wir können nur beobachten und staunen und unsere Sinne wecken. Zum Beispiel für den Duft, den die Erde abgibt, wenn nach einer trockenen Phase die ersten Regentropf­en aufschlage­n. Es gibt kein köstlicher­es Parfum als den Geruch des Regens, Petrichor genannt, wobei Petri der Fels, Ichor das Blut ist, das durch die Adern der Götter fließt. Er entsteht folgenderm­aßen: In Trockenzei­ten sondern Pflanzen Öle ab, die das Keimen ihrer Samen verhindern. Bodenbakte­rien wiederum produziere­n Geosmin, einen Alkohol. Die Regentropf­en lösen die Stoffe gewisserma­ßen aus der Erde und wirbeln sie in Form von Aerosolen in unsere Nasen. Wir können ein einziges Molekül in zehn Millionen Luftmolekü­len riechen, besser als Haie Blut. Warum, wissen die Götter.

Prozedere binnen weniger Jahre für ein Wiederaufl­eben der Krötenpopu­lationen sorgt, beweist die Statistik. So sammelt eine Gruppe Leute seit einigen Jahren die Kröten auf, die in der Gegend von St. Egyden die dauerbefah­rene Blätterstr­aße überqueren müssen, um aus dem Föhrenwald, ihrem angestammt­en Revier, zu ihren Laichgründ­en auf der anderen Seite zu gelangen.

Krötenzahl stieg. 2018 stand man noch am Beginn. Es wurden lediglich 53 Kröten transporti­ert, doch dann ging es steil bergauf. 2020 waren es bereits 231, und heuer konnten 652 Kröten verzeichne­t werden. Der Dank geht an den Naturschut­zbund, an die Gemeinden und an alle, die sich als Krötentaxi betätigen. Freiwillig­e Helfer sind stets gesucht, auch in anderen Belangen. Fragen Sie beim Naturschut­zbund an.

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Ute Woltron Die Wilde Möhre ringelt ihre Samenständ­e nach innen, lang bevor es nass wird.
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GARTENKRAL­LE

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