Die Presse am Sonntag

ZUR PERSON

Im März noch unsicher ob seiner Zukunft im ÖFB-Fußballtea­m, bleibt Marko Arnautovi´c (33) auch unter dem neuen Teamchef, Ralf Rangnick, Österreich­s Stürmer Nummer eins. Über die wundersame Wandlung eines Hochbegabt­en.

- VON MARKKU DATLER UND CHRISTOPH GASTINGER

Wenn Marko Arnautovic´ über seine wahre Liebe zum Fußball spricht, landet er immer bei seinen Anfängen. Zuhause, dort, wo alles begann. In der Hopfengass­e, im Park neben dem Gemeindeba­u – in seinem „Käfig“. Ein ungeheuer raues Pflaster, in dem er jedoch lernte, sich zu beweisen mit Tricks, Toren und Sprüchen. Ging es einmal zu weit oder flogen gar die Fäuste, übernahm sein älterer Bruder Danijel die Agenden. Suchen in der Gegenwart Fußballtal­ente zumeist wohlbehüte­t ihr Glück in auserwählt­en Akademien diverser Klubs, hatte der Wiener mit serbischen Wurzeln weder Alternativ­en noch die Lust auf räumliche Veränderun­g. Es gab für ihn nur eines: nach der Schule daheim umziehen, zum „Käfig“laufen und Fußball spielen. Jeden Tag, ausnahmslo­s, „bis das Licht weg war“.

Dribblings auf engem Raum, schnelle Antritte, Finten, Körpereins­atz: All das lernte er als fünf-, sechsjähri­ger Bub hier. Und diese Schule lebt er in gewisser Weise auch heute noch aus als 33-Jähriger, Familienva­ter, Profi und ÖFB-Veteran mit 101 Länderspie­len. Galt er einst für viele Trainer als „vollkommen untrainier­bar“, ist er in der Gegenwart ein respektier­ter Vollprofi. Für Außenstehe­nde mag er immer noch als Exzentrike­r mit plumpen respektive kultigen Sprüchen gelten, doch der Spieler mit der Rückennumm­er 7 ist im Lauf der Jahre gereift.

Der Weg zu diesem Status, der ihm auch unter Neoteamche­f Ralf Rangnick Vertrauen und sichere Einsätze garantiert, mag weit gewesen sein, mit mehr Umwegen und Hürden, als ihm selbst lieb gewesen sein dürfte. Doch Arnautovic´ hat es ohne Murren und Jammern bewältigt. Der Stürmer, 1,92 Meter groß, startete seine Klubkarrie­re – natürlich – daheim. 1995 ging es bei FAC los, 1998 begann eine sechs Jahre dauernde Odyssee: Austria, Vienna, Austria, Rapid und wieder FAC. Eigensinn, unbequeme Art, zu flotte Sprüche, durchaus verhaltens­auffällig.

Erwachen in Enschede. Aber, in der Heimat zählen Propheten selten etwas, und als der Wechsel zu Twente Enschede gelang, staunten viele. Doch in den idyllische­n Niederland­en, „ich lebte auf dem Land, bei Kühen und Pferden“, wandelte sich für den 17-Jährigen alles. 22 Tore in 24 Spielen für die U19 sicherten Titel und Ticket in die Eredivise, der Wiener galt ob seines Auftretens gar als „neuer Ibrahimovi­c´“. Der Engländer Steve McClaren „knackte“den pubertiere­nden Rebellen.

Marko Arnautovi´c

(* 19. April 1989 in Wien) ist Fußballer, spielt aktuell beim FC Bologna in der Serie und hat 101 Länderspie­le und 430 Partien als Profi in den

Beinen.

Karrierest­ationen

Der einst „Untrainier­bare“kickte für FAC, Austria, Vienna,

Rapid, Enschede, Inter Mailand, Werder Bremen, Stoke City, West Ham, Shanghai und ist seit 2022 in Italien zurück.

Privat

Disco und Party waren vorgestern, jetzt ist der Wiener Familienva­ter und Geschäftsm­ann.

Tore, Einsatz, Aufregung und sein unnachahml­iches Geschick, sich wider Erwarten gegen alle Problemzon­en durchzuset­zen, öffneten die Tür ins Calcio-Paradies. Eine (von im Lauf der Jahre sehr vielen Verletzung­en) hatte den Chelsea-Transfer torpediert, dafür griff Inter Mailand zu und holte ihn als „Leihspiele­r“. Begegnunge­n und Bilder mit Jose´ Mourinho sind Legende, ausbleiben­de Einsätze – wegen einer Verletzung – in der Champions League und nur sehr wenig Spielzeit in der Serie A führten trotz mit nach Italien gezogener Familie zu Ernüchteru­ng. Ins Bild passte, dass es darob aus der Heimat Kritik hagelte und ehemalige Teamchefs wie Herbert Prohaska und Josef Hickersber­ger nicht mit harten Worten sparten. Wieder waren Benehmen und falsche Einstellun­g die Schlagwort­e für Marko Arnautovic´.

Mourinho sah bloß den „Charakter eines Kindes“. Insgesamt spielte der Wiener nur drei Mal in der Serie A, Inter gewann den Scudetto und die Königsklas­se. „Arni“konnte nur zuschauen – und diese fehlende Spielminut­e wurmt ihn bis dato noch am meisten.

Disco, Party. Ob Werder Bremen, Stoke City, West Ham United oder Shanghai – Arnautovic´ hat ungeachtet eines von seinem Managerbru­der Danijel mitgestalt­eten und offenbar unvermeidb­aren Transferth­eaters mit stets anwachsend­en Ablösesumm­en – sie sind Güte für die Qualität eines Spielers, quasi sein Aktienkurs – immer einen Klub gefunden. Er spielte in Deutschlan­ds, Englands und Chinas höchster Liga. Die Fans liebten ihn und seine Tattoos. Titel blieben zwar aus, pardon – er wurde Österreich­s Fußballer des Jahres 2018, doch der Wiener gab nie auf.

Jos´e Mourinho sah 2009 den »Charakter eines Kindes«. Was würde er 2022 sagen?

Er rannte, schoss Tore, lieferte Assists und streute hin und wieder einen (unerlaubte­n) Discobesuc­h, Polizeiekl­at (Stichwort: „Ich kann dein Leben kaufen“) oder herzergrei­fende Auftritte als Vater ein, weil er sich stets fürsorglic­h um seine beiden Kinder kümmert und ein Familienme­nsch ist. Als Familie versteht er auch das ÖFB-Team. An seinem Mitwirken für Österreich ließ er nie Zweifel aufkommen. Er war immer dabei, egal, wer der Gegner war. Sogar, als die Anreise länger wurde, weil er aus

China einfliegen musste.

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