ZUR PERSON
Im März noch unsicher ob seiner Zukunft im ÖFB-Fußballteam, bleibt Marko Arnautovi´c (33) auch unter dem neuen Teamchef, Ralf Rangnick, Österreichs Stürmer Nummer eins. Über die wundersame Wandlung eines Hochbegabten.
Wenn Marko Arnautovic´ über seine wahre Liebe zum Fußball spricht, landet er immer bei seinen Anfängen. Zuhause, dort, wo alles begann. In der Hopfengasse, im Park neben dem Gemeindebau – in seinem „Käfig“. Ein ungeheuer raues Pflaster, in dem er jedoch lernte, sich zu beweisen mit Tricks, Toren und Sprüchen. Ging es einmal zu weit oder flogen gar die Fäuste, übernahm sein älterer Bruder Danijel die Agenden. Suchen in der Gegenwart Fußballtalente zumeist wohlbehütet ihr Glück in auserwählten Akademien diverser Klubs, hatte der Wiener mit serbischen Wurzeln weder Alternativen noch die Lust auf räumliche Veränderung. Es gab für ihn nur eines: nach der Schule daheim umziehen, zum „Käfig“laufen und Fußball spielen. Jeden Tag, ausnahmslos, „bis das Licht weg war“.
Dribblings auf engem Raum, schnelle Antritte, Finten, Körpereinsatz: All das lernte er als fünf-, sechsjähriger Bub hier. Und diese Schule lebt er in gewisser Weise auch heute noch aus als 33-Jähriger, Familienvater, Profi und ÖFB-Veteran mit 101 Länderspielen. Galt er einst für viele Trainer als „vollkommen untrainierbar“, ist er in der Gegenwart ein respektierter Vollprofi. Für Außenstehende mag er immer noch als Exzentriker mit plumpen respektive kultigen Sprüchen gelten, doch der Spieler mit der Rückennummer 7 ist im Lauf der Jahre gereift.
Der Weg zu diesem Status, der ihm auch unter Neoteamchef Ralf Rangnick Vertrauen und sichere Einsätze garantiert, mag weit gewesen sein, mit mehr Umwegen und Hürden, als ihm selbst lieb gewesen sein dürfte. Doch Arnautovic´ hat es ohne Murren und Jammern bewältigt. Der Stürmer, 1,92 Meter groß, startete seine Klubkarriere – natürlich – daheim. 1995 ging es bei FAC los, 1998 begann eine sechs Jahre dauernde Odyssee: Austria, Vienna, Austria, Rapid und wieder FAC. Eigensinn, unbequeme Art, zu flotte Sprüche, durchaus verhaltensauffällig.
Erwachen in Enschede. Aber, in der Heimat zählen Propheten selten etwas, und als der Wechsel zu Twente Enschede gelang, staunten viele. Doch in den idyllischen Niederlanden, „ich lebte auf dem Land, bei Kühen und Pferden“, wandelte sich für den 17-Jährigen alles. 22 Tore in 24 Spielen für die U19 sicherten Titel und Ticket in die Eredivise, der Wiener galt ob seines Auftretens gar als „neuer Ibrahimovic´“. Der Engländer Steve McClaren „knackte“den pubertierenden Rebellen.
Marko Arnautovi´c
(* 19. April 1989 in Wien) ist Fußballer, spielt aktuell beim FC Bologna in der Serie und hat 101 Länderspiele und 430 Partien als Profi in den
Beinen.
Karrierestationen
Der einst „Untrainierbare“kickte für FAC, Austria, Vienna,
Rapid, Enschede, Inter Mailand, Werder Bremen, Stoke City, West Ham, Shanghai und ist seit 2022 in Italien zurück.
Privat
Disco und Party waren vorgestern, jetzt ist der Wiener Familienvater und Geschäftsmann.
Tore, Einsatz, Aufregung und sein unnachahmliches Geschick, sich wider Erwarten gegen alle Problemzonen durchzusetzen, öffneten die Tür ins Calcio-Paradies. Eine (von im Lauf der Jahre sehr vielen Verletzungen) hatte den Chelsea-Transfer torpediert, dafür griff Inter Mailand zu und holte ihn als „Leihspieler“. Begegnungen und Bilder mit Jose´ Mourinho sind Legende, ausbleibende Einsätze – wegen einer Verletzung – in der Champions League und nur sehr wenig Spielzeit in der Serie A führten trotz mit nach Italien gezogener Familie zu Ernüchterung. Ins Bild passte, dass es darob aus der Heimat Kritik hagelte und ehemalige Teamchefs wie Herbert Prohaska und Josef Hickersberger nicht mit harten Worten sparten. Wieder waren Benehmen und falsche Einstellung die Schlagworte für Marko Arnautovic´.
Mourinho sah bloß den „Charakter eines Kindes“. Insgesamt spielte der Wiener nur drei Mal in der Serie A, Inter gewann den Scudetto und die Königsklasse. „Arni“konnte nur zuschauen – und diese fehlende Spielminute wurmt ihn bis dato noch am meisten.
Disco, Party. Ob Werder Bremen, Stoke City, West Ham United oder Shanghai – Arnautovic´ hat ungeachtet eines von seinem Managerbruder Danijel mitgestalteten und offenbar unvermeidbaren Transfertheaters mit stets anwachsenden Ablösesummen – sie sind Güte für die Qualität eines Spielers, quasi sein Aktienkurs – immer einen Klub gefunden. Er spielte in Deutschlands, Englands und Chinas höchster Liga. Die Fans liebten ihn und seine Tattoos. Titel blieben zwar aus, pardon – er wurde Österreichs Fußballer des Jahres 2018, doch der Wiener gab nie auf.
Jos´e Mourinho sah 2009 den »Charakter eines Kindes«. Was würde er 2022 sagen?
Er rannte, schoss Tore, lieferte Assists und streute hin und wieder einen (unerlaubten) Discobesuch, Polizeieklat (Stichwort: „Ich kann dein Leben kaufen“) oder herzergreifende Auftritte als Vater ein, weil er sich stets fürsorglich um seine beiden Kinder kümmert und ein Familienmensch ist. Als Familie versteht er auch das ÖFB-Team. An seinem Mitwirken für Österreich ließ er nie Zweifel aufkommen. Er war immer dabei, egal, wer der Gegner war. Sogar, als die Anreise länger wurde, weil er aus
China einfliegen musste.