Flucht ist auch keine Option
In »Was man sieht,wenn man über das Meer blickt« schickt der italienische Autor Fabio Geda seinen Protagonisten auf einen wilden Ritt von Italien bis Mexiko.
Es beginnt wie die – nachvollziehbare – Geschichte einer Ehekrise: Antonios Ehefrau, Agnese, verliert in der achten Woche ihr Kind, ihr Schmerz dominiert alles. Beide Partner realisieren nicht, wie sehr auch Antonio unter dem Verlust leidet, bis dieser einem Impuls folgt und nach New York reist – seiner Traumstadt, seit er dort als junger Mann als Kellner gejobbt hat.
Von diesem Punkt hetzt der italienische Erfolgsautor Fabio Geda („Im Meer schwimmen Krokodile“) seinen Protagonisten auf einen immer wilderen Ritt. Der lebensuntüchtige Architekt und Aushilfslehrer Antonio verfällt im Metropolitan Museum of Art dem Rembrandt-Gemälde „Die Rückkehr des verlorenen Sohns“. In der obsessiven Betrachtung des Bildes kommt er sich selbst abhanden. Woche um Woche verschiebt er den Rückflug, seine Frau sperrt die gemeinsame Kreditkarte, er gleitet in die Obdachlosigkeit und die Illegalität ab, findet eine neue Familie, nur um auch diese wieder zu verlassen.
Fabio Geda lässt Antonio durch viele Höllentäler wandern, ehe dieser erkennt, dass die Zukunft nicht in der Flucht liegt. Zieht das Buch den Leser anfangs ins Geschehen, irritieren bald die Handlungskapriolen des von einer fatalen Entscheidung zur nächsten taumelnden Antihelden. Es ist eine Lektion, wie auch die Mittelklasse in die Illegalität rutschen kann. Allerdings geschieht das hier ohne Not.
Und was man sieht, wenn man über das Meer blickt, bleibt am Schluss auch unklar.
Fabio Geda: „Was man sieht, wenn man über das Meer blickt“, übersetzt von V. von Koskull, Verlag Hanserblau, 314 Seiten, 20,60 Euro