Die Presse am Sonntag

Unwissen und Vorurteile: Ein Pflegevate­r erzählt

Der deutsche Autor Tobias Wilhelm schildert in dem Buch »So was wie dein Papa« seine Erfahrunge­n als Pflegevate­r – Aufklärung­sarbeit inklusive.

- VON KARIN SCHUH

„Warum hast du keine leiblichen Kinder?“, „Ist die Mutter drogenabhä­ngig?“, „Musst du das Kind wieder zurückgebe­n?“oder auch „Bekommt man viel Geld dafür, wenn man ein Pflegekind aufzieht?“Es sind Fragen wie diese – die nicht gerade viel Feingefühl, dafür sehr viel Neugierde beinhalten –, die Tobias Wilhelm dazu veranlasst haben, sein Buch „So was wie dein Papa“zu schreiben. Diese Fragen haben auch dazu beigetrage­n, dass sich das Buch wie ein Erfahrungs­bericht liest, das Erzählte aber nicht ganz der Realität entspricht – vor allem, um seine Privatsphä­re und jene der Beteiligte­n (allen voran seines Pflegesohn­s und seiner damaligen Lebensgefä­hrtin) zu schützen.

Tobias Wilhelm, 1988 im deutschen Wiesbaden geboren, hat schon immer gewusst, dass er Kinder haben und sich um sie auch kümmern möchte. Sein Vater, der als einer der ersten seiner Generation in Elternzeit war – und sich damals noch anhören musste, er verrichte „Weiberarbe­it“, oder ähnliche Sprüche –, hatte darauf wohl auch einen Einfluss. „Ja, er war schon ein Vorbild für mich. Ich wurde so erzogen, und im Nachhinein bin ich sehr stolz auf ihn“, sagt Wilhelm.

Starker Kinderwuns­ch. Er selbst war Mitte 20, als sein Kinderwuns­ch stärker wurde. Er habe mit seiner damaligen Freundin versucht, Kinder zu bekommen. Als das nicht klappte, stellte sich nach einer Untersuchu­ng heraus, dass die Ursache bei ihm lag. „Im Unterschie­d zum Buch haben wir damals gemeinsam verschiede­ne Möglichkei­ten in Betracht gezogen“, sagt Wilhelm. (Im Buch schildert er die Entscheidu­ng zum Pflegekind aus der Sicht eines Alleinerzi­ehers.) Dass es ein Pflegekind werden sollte und keine (wenig erfolgvers­prechende) künstliche Befruchtun­g in Betracht kam, war für beide bald klar. Heute ist sein Pflegesohn, den er im Buch Noah nennt, fünf Jahre alt, seit dreieinhal­b Jahren ist er bei ihm, seit ca. eineinhalb Jahren ist Wilhelm von seiner damaligen Partnerin getrennt.

Wilhelm war damals, als der Bub zu ihnen kam, acht Monate lang in Elternzeit, während seine Partnerin Vollzeit berufstäti­g war. Heute ist der Sohn je eine Woche bei ihr und eine bei ihm. Wilhelm ist also nicht Alleinerzi­eher,

sondern getrennt erziehend. Die Erfahrunge­n, die er als Pflegevate­r gemacht hat und noch nach wie vor macht, stimmen aber sehr wohl zwischen Buch und Realität überein. „Man ist mit viel Unwissen konfrontie­rt, weil die meisten Menschen wenig über dieses Modell wissen, aber sehr interessie­rt sind.“Er musste im Laufe der Jahre viel Aufklärung­sarbeit leisten, mit vielen Vorurteile­n und Falschinfo­rmationen kämpfen. Denn nein, viel Geld bekomme man nicht als Pflegefami­lie, im Gegenteil, einen Einkommens­ersatz, den man auch in Deutschlan­d während der Elternkare­nz für leibliche Kinder bekommt, gibt es für Pflegeelte­rn nicht. Und nein: Nicht jedes Kind stammt von einer drogenabhä­ngigen Mutter, es kann aber der Fall sein.

Zu intime Fragen. Diese Mischung aus Unwissen, Neugierde und fehlender Sensibilit­ät (etwa, was Fragen bezüglich seiner Fruchtbark­eit betrifft) war der Grund, warum er das Buch geschriebe­n hat. „Ich bin nicht in jeder Situation bei Laune, ausgiebig Auskunft zu geben. Jetzt kann ich sagen, ich hab ein Buch geschriebe­n, man kann also nachlesen.“Heute hat er einen souveränen Umgang mit der Thematik und sagt auch, wenn eine Frage zu intim ist und er sie nicht mit dieser Person besprechen will.

Was das Vatersein an sich betrifft, hat er das Gefühl, dass sich zwar einiges gewandelt hat, vor allem im Vergleich zur Generation seines Vaters. Immerhin ist es heute selbstvers­tändlicher, dass sich Väter um ihre Kinder kümmern, und sie sehen sich kaum noch mit dem Vorwurf konfrontie­rt, dass das „Mütterarbe­it“sei. Aber dennoch sei noch einiges zu tun. Er findet es schade, dass sich viele Väter erst aktiver einbringen, wenn das Kind schon größer ist und in die Schule geht. „Väter müssen verstehen, dass man viel gewinnt, wenn man das Kind wickelt oder sich um die Körperpfle­ge kümmert. Da baut man eine Bindung auf, das kann man nicht aufholen.“

Den Vatertag findet er insofern gut, dass er das Thema Vaterschaf­t in den Vordergrun­d rückt und zur Debatte anregt. „Zum Biertrinke­n brauch ich den nicht, aber es sei den Vätern vergönnt, die das möchten.“

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