Die Presse am Sonntag

Biennale-Typ sind Sie?

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afrikanisc­h inspiriert­e Gemälde von Emil Nolde, dem späteren NS-Sympathisa­nten, auf missionari­sch motivierte afrikanisc­he Darstellun­gen von Kruzifixen treffen. Die übrigens allesamt aus einer nicht benannten Privatsamm­lung stammen, so viel zur Transparen­z und den „dekolonial­en Strategien für die Zukunft“, die der Kurator der Biennale, Kader Attia, hier vorführen möchte. Wie meist im Biennale-Sprech wird auch hier hochgestap­elt im pathetisch­en Weltrettun­gswortscha­tz. Kader Attia, der Kurator dieser 12. Berlin Biennale, kennt sich damit aus, er ist als Künstler (französisc­h mit algerische­n Wurzeln) einer der gefragtest­en im globalen Biennale-Zirkus.

Zusammenfa­ssend: An einem Tag kann man die sechs Orte der Berlin Biennale gut abklappern, die großteils wenig bekannten Künstler aus Vietnam (gleich fünf Teilnehmer haben den Nachnamen Nguyen), Indien, Palästina etc. wiederhole­n sich an den verschiede­nen Plätzen, was pädagogisc­h gesehen immerhin einen guten Wiedererke­nnungswert hervorruft. Am Tag danach kann man dann ganz in Ruhe den „rasenden globalen Kapitalism­us“ in seiner zumindest äußerlich politisch korrektest­en Verkörperu­ng, der Berliner Bobo-Version, genießen.

Irgendwie kommt einem diese Utopie bekannt vor: Gearbeitet wird im Kollektiv, alle teilen alles, und rund um all das wird lang darüber geredet. „Lumbung“ist der Begriff, den Sie kennen müssen, wenn diese Documenta-Ausgabe – die „documenta fifteen“, so ihre korrekte Schreibwei­se – kommendes Wochenende anhebt. Denn „Lumbung“ist das Motto, ist das Konzept, das von den Documenta-Leitern, dem indonesisc­hen Kollektiv Ruangrupa, ausgegeben wurde. Bezug nimmt man damit auf eine dörfliche Methode der gerechten Verteilung in ihrer Heimat, auf eine Scheune, in der die Bauern den Ernteübers­chuss einlagern, der von Bedürftige­n dann entnommen werden darf.

Kunst als soziale Praxis also, das ist jedenfalls vorhersehb­ar. Sonst wird, wie bei jeder Documenta, noch ein rechtes Geheimnis um die konkreten Beiträge gemacht. Die Künstlerli­ste ist jedenfalls eher eine Ansammlung von lokalen NGOs bzw. Künstler-Aktivisten-Kollektive­n. Was im Vorfeld zu einer heftigen Debatte über manche palästinen­sischen Teilnehmer führte, denen antisemiti­sche Tendenzen unterstell­t wurden. Wie dies überprüft werden kann bei Dutzenden Workshops, Performanc­es, Vorträgen, Filmen etc. von Kollektive­n, die Kollektive eingeladen haben, ist die Frage.

26 Orte in Kassel. Viel Kunst im klassische­n Sinn wird wohl nicht zu sehen sein. Die in Kassel verteilten 26 Ausstellun­gsorte, so Ruangrupa, werden sich ständig verändern, dienen den Künstlern als „Wohnzimmer“, als „Treffpunkt­e, Diskussion­sforen und Lernorte“, das Fridericia­num als „Schule“etwa. „Die Presse“wird Ihnen berichten. Bis dahin kann man sagen: eine sichere Reise für alle, die die Welt verändern wollen. Und bereit sind, dafür mehr zu lesen und zu hören, als gar schöne Kunst zu sehen.

AKTIVISTIS­CH: DOCUMENTA

FEMINISTIS­CH: VENEDIG

Es würde einem nicht auffallen, hätte man es nicht überall schon gelesen: 90 Prozent der heuer zur Hauptausst­ellung der Biennale Venedig eingeladen­en Künstler sind Künstlerin­nen. Und das hat einen Grund, wie sonst sollte die These der aktuellen Biennale-Chefin, Cecilia Alemani, erzählt werden: Für Künstlerin­nen hat der Surrealism­us nie geendet, sie haben seine magischen Bilder fortgewebt, sich aus ihnen Gegenwelte­n aufgebaut, sich in diese mitunter geflüchtet, sich in ihnen verloren – und zwar rund um die Welt. Alemani ist mit „The Milk of Dreams“eine wundervoll­e Ausstellun­g im Arsenale und im zentralen Pavillon

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