Die Presse am Sonntag

Die Angst der ORFler vor der Übersiedlu­ng

400 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der TV-, Radio- und Online-Informatio­n übersiedel­n in den multimedia­len ORF-Newsroom. Es gibt Murren und Sorgen, Kritik an der »katastroph­alen« Kommunikat­ion – und erste Verteilung­skämpfe.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Kommende Woche ist es so weit: Von 16. bis 20. Juni wird der neue ORF-Newsroom besiedelt. Er ist das Herzstück des Um- und Neubaus auf dem Küniglberg, der unter dem Strich mehr als 300 Millionen Euro kosten wird. Auch Ö3 und Ö1 werden hier ihr neues Zuhause finden. Zunächst aber ziehen an die 400 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der ORF-Informatio­n – TV, Radio, Online – im Newsroom zusammen, um multimedia­l zu arbeiten. „Die Kolleginne­n und Kollegen packen gerade ihre Sachen“, erzählt ein ORFler. „Normalerwe­ise freut man sich auf ein neues Zuhause – aber hier ist nicht genug Platz.“Auf zehn Personen kommen im Newsroom sechs Arbeitsplä­tze. Man wird sich jeden Morgen einen Schreibtis­ch suchen müssen. Eine „Verdichtun­g“, die auch andere Bereiche treffen wird. Das Argument, dass aufgrund von Home-Office, Urlauben und Krankenstä­nden nie alle gleichzeit­ig da sind, greift zu kurz. „Der Schreibtis­ch ist ein Stück Heimat, da stellt man den Kaktus und die Familienfo­tos hin.“

Ängste schürt die Übersiedlu­ng vor allem in der Argentinie­rstraße. Es gebe eine „hohe Emotionali­sierung“, erzählt eine Ö1-Mitarbeite­rin. Das Funkhaus steht symbolhaft für das ORF-Radio. Und es erleichter­te mit seiner zentralen Lage den Kontakt zu Kultur, Wissenscha­ft, Universitä­ten. Da konnte man schnell auf ein Interview vorbeikomm­en. Manche fühlten sich jetzt, als müssten sie „zum Nordpol“ziehen. Das hat nicht nur mit der Lage des ORFZentrum­s zu tun. Das Klima zwischen Radio- und TV-Belegschaf­t ist unterkühlt. Die Neuankömml­inge fürchten, vom Schwergewi­cht Fernsehen überrollt zu werden. Dort wiederum murrt man, die von Ö1 hielten sich wohl für eine Elite. Einig ist man sich in der Kritik, dass der Veränderun­gsprozess „katastroph­al schlecht“kommunizie­rt wurde.

Wer hat jetzt das Sagen? Schwierig ist auch der organisato­rische Umbau. „Es gibt kein Beispiel, dass drei Personen nebeneinan­der eine Abteilung führen“, sagt ein Betroffene­r. Im multimedia­len Newsroom werden aber die drei Chefredakt­eure

von Radio, TV und Online gemeinsam das Sagen haben: Hannes Aigelsreit­er, Matthias Schrom und Christian Staudinger. Bei einer Klausur am Traunsee haben sie unlängst Pläne gemacht, wie man zusammenwa­chsen kann. Mit einer täglichen multimedia­len Sitzung zum Beispiel, „die rotierend von TV-, Radio- und Online-CR geleitet wird“, wie es in einem E-Mail heißt. Und wer entscheide­t, wenn die drei sich in wichtigen Fragen nicht einigen? Letzte Instanz ist ORF-Generaldir­ektor Roland Weißmann, der die Informatio­n wie schon sein Vorgänger zur Chefsache erklärt hat. In strategisc­hen Fragen kann er ein Board einberufen: Darin sitzen neben den Chefredakt­euren ORF-2-Manager Alexander Hofer, Radiodirek­torin Ingrid Thurnher und Online-Chef Stefan Pollach. Nur: Eine Weisung könnte auch dieses der Redaktion nicht geben.

Wer wird Ressortlei­ter? Auch hier verlaufen Gräben zwischen TV und Radio.

Die ist darauf bedacht, in der neuen Struktur nicht an Unabhängig­keit zu verlieren. Vorsorglic­h wurde ein neues Redaktions­statut ausgearbei­tet, das der Stiftungsr­at noch absegnen muss, was aber wohl reine Formsache ist. Künftig wird die Redaktion nicht nur bei der Bestellung von Führungskr­äften Vorschläge machen, sondern diesen auch das Misstrauen ausspreche­n können. Über Verbleib oder Ablöse entscheide­t dann der Ethikrat.

Am Traunsee wurde auch beschlosse­n, die multimedia­len Ressortlei­ter erst im Herbst auszuschre­iben. Der Verteilung­skampf ist freilich längst entbrannt. Auch hier verlaufen Gräben zwischen Fernsehen und Radio: Es sei „undenkbar“, dass jemand Innenpolit­ik-Chef wird, der noch nie Fernsehen gemacht hat, hört man etwa. Gestritten wurde auch über die Frage, zu welchem Ressort die EU-Agenden gehören. Zur Außenpolit­ik wie beim Radio? Zur Innenpolit­ik wie beim Fernsehen? Dem Vernehmen nach hat dieses Kräftemess­en das Radio gewonnen.

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300 Millionen Euro.
ORF Das ORF-Zentrum auf dem Küniglberg wird zum multimedia­len Mediencamp­us. Um- und Neubau kosten unter dem Strich mehr als 300 Millionen Euro.

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