Krieg und Corona: Das Ende der Globalisierung?
»Wandel durch Handel« war lang das Credo der Europäer im Umgang mit Autokraten. Aber weder in Russland noch in China keimt Demokratie. Krieg und Corona haben große politische Risken im Welthandel aufgezeigt. Welche Veränderungen bevorstehen.
Kostenoptimierung ist ein Wort, das den Welthandel bis zu Corona ganz gut beschreibt. Die Wertschöpfungsketten von europäischen Unternehmen wuchsen tief hinein in alle Welt, Lieferanten sollten möglichst gute Produkte möglichst günstig herstellen. Wenn die Transportkosten passten, saß der beste Lieferant nicht nebenan oder im Nachbarland, sondern Tausende Kilometer entfernt in Ostasien, Afrika oder Südamerika. Es sei gar nicht möglich, Lieferketten bis ins allerletzte Detail zu kennen, sagt Dieter Siegel, Chef des österreichischen Feuerwehrgeräte-Herstellers Rosenbauer. Aber schwache Glieder in den Lieferketten machen sich irgendwann bemerkbar.
Zum Beispiel dann, wenn Russland die Ukraine brutal überfällt und dafür mit harten westlichen Sanktionen belegt wird. „Ich war überrascht, welche
Rolle Russland und die Ukraine in unseren Lieferketten spielen“, sagt Siegel zur „Presse am Sonntag“: „Wir lassen etwa Schutzausrüstung in der Slowakei schneidern. Unsere Partner haben ein Subunternehmen in der Ukraine, und dieses bestimmt die ganze Lieferkette. Damit hatten wir nicht gerechnet.“Die Liste lässt sich fortführen. Autoreifen etwa sind um 70 Prozent teurer geworden, weil Ruß darin steckt, der aus Russland kommt. Den Herstellern von Lkw fehlen derzeit Kabel, weil die bisher zu großen Teilen aus der Ukraine kamen.
Welche politischen Risken in den weltweiten Lieferketten schlummern, wurde auch vor dem russischen Einmarsch deutlich, die Pandemie hat sie offenbart. Zu Lieferengpässen kam es auch deshalb, weil die Nachfrage sehr schnell wieder auf Vorkrisenniveau geschnellt ist, sich aufgrund von Beschränkungen etwa im Tourismus aber
Vorteil, die Lieferanten in Ostasien oder anderswo kompensieren können, wenn eine Region aus politischen oder etwa auch ökologischen Gründen einmal ausfällt.
Blockbildung droht. Das derzeit größte Risiko für den Welthandel ist, dass es zu einer Blockbildung kommt. „Wenn vor allem China sich vom Westen stärker abkoppelt, wäre das für Länder wie Deutschland und Österreich schmerzhaft, sie hätten da viel zu verlieren“, warnt Flach. Wirtschaftlich gesehen sei ein Konflikt mit China, etwa um Taiwan, vermutlich noch einmal deutlich schmerzhafter als der Krieg in der Ukraine. Überhaupt passiert rund ein Drittel des Welthandels mit dem Südchinesischen Meer eine Region, in der territoriale Ansprüche der Anrainerstaaten – vor allem Chinas – für ein sehr hohes Konfliktpotenzial sorgen.
Die Hoffnung vieler Europäer – und besonders Deutschlands –, dass der Handel mit Autokratien wie Russland und China dort zu mehr Demokratie und Freiheit führen wird, hat sich als haltlos herausgestellt. Aber es wäre auch falsch zu behaupten, dass diese Hoffnung bisher der Hauptgrund für den Handel mit Autokratien war. Die globalisierungskritische Organisation Attac etwa vermisst einen kritischer Diskurs darüber, warum der Import von Flüssiggas aus den Vereinigten Arabischen Emiraten trotz großer menschenrechtlicher Bedenken hinnehmbar sein soll.
»Von Lieferkettengesetzen profitieren vor allem große Beratungsgesellschaften.«
Wobei Attac nicht nur fordert, Handelsbeziehungen mit Autokratien zu überdenken. Es brauche eine Neuordnung der Handelspolitik. In der Öffentlichkeit werde fälschlich der Eindruck erweckt, mit Handelspolitik würden europäische Werte in die Welt getragen, heißt es gegenüber der „Presse am Sonntag“. Besonders im globalen Süden habe der Welthandel die soziale Ungleichheit vergrößert, Lebensgrundlagen unterminiert und somit auch autoritäre Regimes begünstigt. Es brauche Handelsbeziehungen, aber solche, die nicht auf Konkurrenz basieren, sondern auf Kooperation und Solidarität.
Helfen da Lieferkettengesetze, wie es sie teilweise schon gibt? Betriebe müssen dann sicherstellen, dass in ihren