WELTHANDEL
Lieferketten keine Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden entstehen. Die größten Profiteure solcher Gesetze wären Beratungskonzerne, mutmaßt Oberhofer mit Blick auf die weit verzweigten und unübersichtlichen Lieferketten in der globalisierten Weltwirtschaft.
Und außerdem: „Rohstoffe sind so auf der Welt verteilt, dass viele in Ländern konzentriert sind, die sehr weit weg von demokratischen Zuständen sind“, erklärt Oberhofer und merkt an: „Die USA unter Donald Trump waren für Europa ein unverlässlicher Partner, obwohl Demokratie.“Wiewohl auch viele Stimmen, die sich vom russischen Überfall höchst überrascht gaben, nachträglich zugestehen, dass man schon nach der Annexion der Krim durch Russland reagieren und zumindest einseitige Abhängigkeiten abbauen hätte sollen. „Aber wenn der Handel ununterbrochen funktioniert, das politische System stabil scheint, die Preise günstig sind, dann ist auch nachvollziehbar, dass das viele nicht hinterfragen“, sagt Oberhofer: „Sogar im Kalten
Krieg haben wir stabil und billig Energie aus der Sowjetunion bekommen.“
Wie es weitergeht. Vieles deutet darauf hin, dass die Pandemie und Russlands Krieg den Welthandel nachhaltig verändert haben – aber nicht, indem das Ende der Globalisierung eingeläutet wurde. Lieferketten werden überdacht, wer etwa den großen chinesischen Markt bedienen will, macht das vielleicht öfter nicht aus dem Reich der Mitte heraus, sondern über einen Standort in Vietnam. Just-in-time-Produktion wird nur möglich sein, wenn die Lieferketten hinreichend diversifiziert sind, und Lagerstände werden steigen. Ob und wie Russland in den kommenden Jahren in die Weltwirtschaft integriert sein wird, wird unter anderem vom weiteren Kriegsverlauf abhängen, aber auch
2020.
Im ersten Coronajahr rechnete man bei der Welthandelsorganisation mit einem Rückgang des Welthandels um 16 Prozent, geworden ist es letztlich ein Minus von fünf Prozent. 2021 hat sich der Welthandel deutlich erholt.
Medizingüter.
Der Handel mit medizinischen Gütern legte während Corona um 16 Prozent zu. vom Erfolg der EU, von russischen Rohstoffen unabhängig zu werden.
Der EU würde mehr Freihandel auch mit den USA oder Lateinamerika helfen, die wirtschaftlichen Kosten durch Pandemie und Krieg zumindest ein Stück weit abzufedern, sagt Ökonomin Flach. Es sei für Europa ebenso ratsam, stärker nach Afrika zu schauen. Der Kontinent ist reich an Rohstoffen und könnte Importe aus Russland oder China teilweise ersetzen – wobei sowohl Russland als auch China mit der EU um Einfluss auf dem Kontinent ringen.
Besonders salonfähig sind Freihandelsabkommen jedoch nicht, wie die jüngere Vergangenheit gezeigt hat. Das transatlantische Abkommen TTIP und manch anderer Deal scheiterten schon vor Corona und Krieg wiederholt am Druck der öffentlichen Meinung. Ärmeren Ländern fehlen oft die Ressourcen, Abkommen umzusetzen, und sie haben Angst, dass Brüssel dann Scharen von Anwälten schicken könnte. Aber auch Handelsbarrieren sind – wie politische Risken – Kosten, die Unternehmen weiterhin optimieren werden.
Lieferketten werden diversifiziert und Lager werden voller.