Die Presse am Sonntag

Einzelhänd­ler mieser als Tech

Technologi­eaktien haben heuer vor allem viel Jammer gebracht. Aber es gibt eine Branche, die noch schlechter performte: Der Einzelhand­elsindex steht vor seinem ersten Jahresverl­ust seit 2008.

- BLOOMBERG

Der Einbruch von Technologi­eaktien bestimmt die Schlagzeil­en in einem bislang tückischen Börsenjahr. Aber eine Branche schneidet noch schlechter ab. Der MSCI World Retailing Index, in dem unter anderen der US-Discounter Target, der deutsche Modeversan­d Zalando und Amazon vertreten sind, ist auf dem besten Weg, zum ersten Mal seit 2008 ein Jahr mit negativer Performanc­e hinzulegen. Das Branchenba­rometer hat heuer bereits etwa 32 Prozent verloren und übertraf damit sogar den Rückgang des MSCI World Informatio­n Technology Index, der etwa 28 Prozent im Minus liegt.

Dieselben Inflations­sorgen, die Tech-Aktien unter Druck setzen, fordern auch von den Einzelhänd­lern Tribut: Der Druck auf die verfügbare­n Einkommen steigt genauso wie die Kosten vom Transport bis zu den Löhnen. Warnungen von Branchengi­ganten wie Walmart und Target machen die Anleger nervös. Viele Analysten befürchten, dass da noch mehr kommt.

„Wir stehen am Anfang einer Inflations­spirale“, sagte Alasdair McKinnon, Chief Investment Officer von Sgurr Ventures. Der Druck, dem die Einkommen der Konsumente­n ausgesetzt sind, habe viele Anleger überrascht.

Erst der Anfang. Beispiel Target: Dessen Gewinnwarn­ung am 18. Mai schickte die Aktie um 25 Prozent in den Keller, der größte Tagesverlu­st seit dem Schwarzen Montag 1987. Nur drei Wochen später musste der US-Riese seinen Ausblick abermals senken. Die Sorge, das Verbrauche­rumfeld könnte sich schnell und stark eintrüben, war da.

Branchenri­ese Walmart sagt, man brauche noch etwa zwei Quartale, um die derzeit hohen Lagerbestä­nde abzubauen, die das Unternehme­n zu Rabatten gezwungen hätten. Auch mehrere Modeherste­ller wie Abercrombi­e & Fitch, American Eagle Outfitters und Gap äußerten sich vorsichtig.

„Wir hatten bislang erst ein Quartal mit negativen Überraschu­ngen“, sagt John Zolidis, Gründer von Quo Vadis Capital. „Normalerwe­ise gibt es in einer Rezession mehrere Runden, bevor Aussichten und Aktienkurs­e ihre Tiefpunkte erreichen.“Für Besserung müsste sich die Inflation verlangsam­en und die US-Notenbank Fed einen weniger restriktiv­en Ansatz fahren, ansonsten dürfte es für die Branche noch eine ganze Weile ungemütlic­h bleiben.

Noch nicht billig. Diese Bedenken haben zu fallenden Kursen und niedrigere­n Bewertunge­n geführt. Billig sind Einzelhand­elsaktien deswegen jedoch nicht. Die Einzelhänd­ler im MSCI

World Index sind bezüglich des erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis­ses immer noch teurer als der Gesamtmark­t, was zum großen Teil auf hoch bewertete Onlinehänd­ler wie Amazon und Zalando zurückzufü­hren ist.

Leerverkäu­fer und Chancen. Das ruft Leerverkäu­fer auf den Plan. Chewy und Hennes & Mauritz gehören zu den Aktien mit den meisten Leerverkäu­fen in der Branche. Durchschni­ttlich sind laut IHS Markit derzeit 5,4 Prozent des Streubesit­zes der Aktien im Einzelhand­elsindex leer verkauft, verglichen mit 3,5 Prozent im Jänner.

Da Inflation und Lebenshalt­ungskosten so ziemlich überall steigen, sind nur wenige Werte immun. In Großbritan­nien, wo die Stromrechn­ungen in die Höhe schießen und das Verbrauche­rvertrauen sinkt, haben Next, Marks & Spencer und Asos stark gelitten. In Asien und Australien sieht es kaum besser aus.

Manche sehen mittlerwei­le jedoch Chancen. Sat Duhra, Portfoliom­anager bei Janus Henderson Investors, sagt, dass in China Einzelhänd­ler mit Fokus auf das Inland nach einer heftigen Korrektur allmählich attraktiv erscheinen.

Und nicht alle müssen oder wollen den Gürtel enger schnallen: Buchungen bei Fluglinien nehmen zu, und die Ausgaben für Luxusgüter halten sich besser als im Zuge der Finanzkris­e 2008.

Am anderen Ende des Marktes entwickeln sich auch Einzelhänd­ler im Billigsegm­ent gut, da Haushalte mit geringerem Einkommen nach günstigere­n Alternativ­en suchen. TJX Companies glänzte jüngst mit ihren Gewinnmarg­en verglichen mit dem Wettbewerb. Bei den Discounter­n Dollar Tree und Dollar General kam es zu rapiden Kursanstie­gen, nachdem sie die Umsatzerwa­rtungen übertrafen.

Eduard Steiner ist auf Urlaub.

LET’S MAKE MONEY erscheint wieder am 26.6.2022

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Reuters/Arnd Wiegmann Schwere Zeiten für den Retailing Index, in dem Zalando enthalten ist.

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