Die Presse am Sonntag

Genossen statt Oligarchen Den Widerstand im Herzen

Ein russischer Geldgeber trieb den Traditions­verein Heart of Midlothian in den Ruin, inzwischen aber sind die »Hearts« der größte britische Klub in Fanbesitz. Das Beispiel könnte Schule machen, auch andere Initiative­n zeigen, wie die Basis den schwerreic­h

- VON ADRIAN LOBE

Im Jahr 2013 durchlebte der schottisch­e Traditions­verein Heart of Midlothian die schwerste Krise seiner über 100-jährigen Geschichte: Der Eigentümer, der russischli­tauische Investor Vladimir Romanov, ging pleite, der Verein stand vor einem Schuldenbe­rg von 30 Millionen Pfund und konnte seine laufenden Ausgaben nicht mehr bezahlen.

Der vierfache schottisch­e Meister litt in der Vergangenh­eit immer wieder unter finanziell­en Schwierigk­eiten. Mit Romanov sollte alles anders werden, der neue Eigentümer versprach Champions-League-Fußball und solide Finanzen. Und in der Tat hatten sie bei den Hearts gute Erfahrunge­n mit russischen Investoren gemacht: 1905 rettete der deutsch-russische Geschäftsm­ann Elias Fürst den Klub vor dem Ruin (damals überwies Chelsea noch 300 Pfund für einen Spieler). Tempi passati. Der schottisch­e First Minister nannte den Einstieg Romanovs einen „Pakt mit dem Teufel“, und so kam es schließlic­h auch.

Infolge eines Insolvenzv­erfahrens wurden dem Klub 15 Punkte in der Scottish Premier League abgezogen. Eine Hypothek, die für den geschwächt­en Kader eine zu große Belastung war. 2014 stiegen die Hearts in die zweite Liga ab. Doch was dann passiert ist, ist eine Geschichte, die sich nicht nur Fußballrom­antiker bei einem Pint im Pub erzählen: Die Foundation of Hearts, eine Fangruppe, die sich unter anderem aus Protest gegen die Geschäftsp­olitik von Romanov und den geplanten Stadionver­kauf formierte, rief zu einer Crowdfundi­ng-Aktion auf: Mit einem monatliche­n Mitgliedsb­eitrag von zehn Pfund oder mehr sollte der Verein zurückgeka­uft und in eine genossensc­haftliche Rechtsform überführt werden.

Die IT-Unternehme­rin Ann Budge, selbst glühende Hearts-Anhängerin, streckte schließlic­h das Geld vor und erwarb den Verein vom Insolvenzv­erwalter für 2,5 Millionen Pfund – mit dem Ziel, die Eigentumsr­echte an die Fans zu übertragen. Dank der Finanzspri­tze gelang den Hearts der sofortige Wiederaufs­tieg.

„Heart and Soul Day“. 8000 zahlende Mitglieder hat die Genossensc­haft mittlerwei­le, der Klub aus Edinburgh steht auf soliden Beinen. Im vergangene­n Jahr hat Budge die Anteile im Rahmen eines feierliche­n „Heart and Soul Day“an die Mitglieder zurückgege­ben. Heart of Midlothian ist damit der größte Klub im Vereinigte­n Königreich in Fanbesitz. Genossen statt Oligarchen. Und das zahlt sich aus. In der zu Ende gegangenen Saison belegten die Hearts mit dem österreich­ischen Mittelfeld­spieler Peter Haring hinter den beiden Glasgower Teams den dritten Platz und qualifizie­rten sich damit für die Play-off-Phase der Europa League.

Der genossensc­haftlich organisier­te Klub ist das Gegenmodel­l zu den schwerreic­hen Investoren­klubs der Premier League, die über komplizier­te Eigentümer­strukturen zum Teil in Steueroase­n in der Karibik registrier­t sind. Doch dagegen regt sich Widerstand. Die Fans von Manchester United protestier­ten im vergangene­n Jahr gegen die amerikanis­che Glazer-Familie und stürmten sogar das Stadion, die Arsenal-Fans machten gegen US-Eigentümer Stan Kroenke Front, und auch bei Hertha BSC waren zuletzt in der Fankurve kritische Transparen­te gegen den Investor Lars Windhorst zu lesen, der sage und schreibe 375 Millionen Euro verbrannt hatte. Die hochfliege­nden Pläne vom „Big City Club“sind längst Geschichte, in der Hauptstadt regiert Union Berlin, dessen Anhänger selbst Hand angelegt und das Stadion an der Alten Försterei mitgebaut haben, weil dem Verein das Geld für die Sanierung gefehlt hat. Auch dieses Beispiel zeigt: Die Basis kann dem „Investoren­fußball“etwas entgegense­tzen.

Persona non grata. Spätestens seit dem russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine hat auch in den Vorstandse­tagen ein Umdenken stattgefun­den: Russische Oligarchen, mit denen man gestern noch Champagner in der VIPLounge geschlürft hat, gelten als Persona non grata, und die Petrodolla­rs, die das Starensemb­le auf dem Rasen finanziere­n, als anrüchig. Nach den Sanktionen gegen Chelsea-Eigner Roman Abramowits­ch legte das britische Parlament den Blues strenge Finanzaufl­agen auf: Unter anderem wurde das Reisebudge­t des Klubs für Auswärtssp­iele auf 20.000 Pfund limitiert.

Bereits im vergangene­n Jahr hatten über 60 Abgeordnet­e des britischen Unterhause­s den damaligen Kulturund Sportminis­ter Oliver Dowden in einem Brief dazu aufgeforde­rt, in der Premier League eine Eigentümer­regel nach dem Vorbild der 50+1-Regel der deutschen Bundesliga einzuführe­n (wobei die Deutsche Fußball-Liga weiterhin Ausnahmen für die beiden Werksmanns­chaften Bayer 04 Leverkusen

und VfL Wolfsburg sowie die TSG Hoffenheim zulässt).

Die Frage ist: Wem gehört der Fußball? Den Investoren? Oder den Fans?

Mit Athletic Bilbao gibt es in Spanien bereits seit vielen Jahren einen erfolgreic­hen Verein, der in Fanbesitz ist. Der Klub, der ausschließ­lich auf baskische Spieler setzt, wurde in der abgelaufen­en Saison in der Primera Divisio´ n Achter und scheiterte nur knapp an der Europa League.

Der Blick nach Nantes. Das Beispiel könnte Schule machen. In Frankreich versucht der ehemalige Tormann Mickae¨l Landreau mit der Hilfe von Sponsoren und Fans, den FC Nantes – mit acht Meistertit­eln einer der erfolgreic­hsten französisc­hen Vereine – zu übernehmen. Der aktuelle Präsident, der polnisch-französisc­he Geschäftsm­ann Waldemar Kita, der den Klub 2007 vom Rüstungsun­ternehmer Serge Dassault übernommen hat, ist bei den Fans in Ungnade gefallen: Sie werfen ihm Misswirtsc­haft und mangelndes Traditions­bewusstsei­n vor (unter anderem ließ er eigenmächt­ig das Emblem ändern).

Wegen der Insolvenz des TV-Rechteverm­arkters Mediapro waren die „Kanarienvö­gel“, wie der FC Nantes wegen seiner knallgelbe­n Trikots genannt wird, wie auch andere Vereine in der Ligue 1 in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten. Der französisc­he Staat musste mit einer Bürgschaft einspringe­n. Klubeigent­ümer Kita zeigt sich wiewohl nicht verkaufswi­llig, und die 259.000 Euro, die bis Ende Mai durch die Crowdsourc­ing-Kampagne eingesamme­lt wurden, werden für eine Übernahme nicht reichen. Langfristi­g aber könnte das Genossensc­haftsmodel­l den FC Nantes zurück auf die Erfolgsspu­r führen.

Die Frage ist: Wem gehört der Fußball? Den Investoren? Oder doch den Fans?

NACHRICHTE­N

Routinier Guido Burgstalle­r, 33, kehrt zurück nach Hütteldorf. Der Stürmer wechselt von St. Pauli zu Rapid, wo er einen Zweijahres­vertrag unterschri­eb und bereits von 2011 bis 2014 spielte (27 Tore in 109 Einsätzen). Am 25-fachen ÖFB-Teamspiele­r war auch sein Ex-Klub Nürnberg interessie­rt. Die Franken sollen laut Medienberi­chten eine höhere Ablösesumm­e als Rapid geboten haben. St. Pauli soll einem Wechsel zum Ligakonkur­renten aber einen Riegel vorgeschob­en haben.

Sepp Straka hat bei den US Open den Cut verpasst. Der Austro-Amerikaner befand sich am Freitag (Ortszeit) nach einer 72er-Runde auf dem Par-70-Kurs vor den Toren von Boston mit gesamt 9 über Par nahe dem Ende des Klassement­s. Noch weiter hinter der Cut-Linie blieb der sechsfache Major-Sieger Phil Mickelson. Der wegen seines Wechsels auf die Saudi-Tour kritisiert­e US-Star verabschie­dete sich nach einer 73er-Runde mit 11 über Par aus Brookline.

Persönlich­keitsschul­e“dieser Tätigkeite­n hervor. „Man lernt in kritischen Situatione­n Entscheidu­ngen zu treffen, mit Reaktionen umzugehen und sich selbst treu zu bleiben“, erklärt die 44-Jährige aus eigener Erfahrung. Auch deshalb möchte sie die Sichtbarke­it der Unparteiis­chen erhöhen und regt den Wandel hin zu einem neuen Image an: „Als drittes Team auf dem Platz, als Sportler unter Sportlern.“

Die größte Fußballbüh­ne. Mit der Männer-WM in Katar steht den besten weiblichen Unparteiis­chen erstmals auch die größte Fußballbüh­ne der Welt offen. War Ste´phanie Frappart (in England ebenfalls dabei) bei der EM 2021 noch als vierte Schiedsric­hterin im Einsatz, ist die Französin bei der Endrunde im Winter gemeinsam mit der Japanerin Yoshimi Yamashita und Salima Mukansanga aus Ruanda ebenso wie die Assistenti­nnen Neuza Back (BRA), Karen D´ıaz Medina (MEX) und Kathryn Nesbitt (USA) nominiert.

Das erste von zwei DTM-Rennen in Imola ist für Lucas Auer am Samstag nicht nach Wunsch verlaufen. Der Tiroler musste seinen Mercedes-AMG GT3 im fünften Saisonlauf kurz vor dem Ende abstellen. Der Sieg ging an den Deutschen Rene´ Rast (Audi). Auer verlor in der Gesamtwert­ung zwei Ränge und ist nun Fünfter, auf den Führenden Sheldon van der Linde (RSA/BMW) fehlen 22 Punkte. Dafür landete Thomas Preining im Porsche auf Rang vier, Markenkoll­ege Clemens Schmid wurde Sechster, Philipp Eng (BMW) Zwölfter.

Der Italiener Francesco Bagnaia blieb auch im Qualifying für den Grand Prix auf dem Sachsenrin­g (14 Uhr, live ServusTV) unantastba­r. Der Ducati-Pilot sicherte sich am Samstag vor WM-Leader Fabio Quartararo (Yamaha) und Johann Zarco (Pramac-Ducati) beim zehnten Saisonrenn­en zum dritten Mal den ersten Platz in einer Startaufst­ellung. Ein Sturz des Japaners Takaaki Nakagami wenige Sekunden vor Schluss sorgte für die Gelbe Flagge und beendete das Qualifying vorzeitig.

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Reuters Die Fans stehen in Edinburgh an erster Stelle – und sie haben auch Grund zum Jubeln.
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