Patchwork des Überlebens
Sabine Scholl erzählt die Geschichte zwischen 1938 und 1946 durch die Augen von neun ganz unterschiedlichen Frauen.
Gretel ist eine junge Schneiderin, als der Führer durch „ihr“Grieskirchen (OÖ) kommt. Alle sind sie aufgeregt; da kriegt schon einmal einer eins auf die Nase, der anders denkt. Damals stört es Gretel noch, dass der Toni so brutal zusammengeschlagen wird. Ein paar Jahre später schlägt Gretel selbst: Mit der Peitsche züchtigt sie „das Material“, wenn es nicht spurt in dem Lager, in dem sie als Aufseherin arbeitet. Endlich ist sie jemand, endlich angekommen!
Die Geschichte von Gretel ist eines von neun Frauenschicksalen, aus denen die österreichische Germanistin und Schriftstellerin Sabine Scholl ein Patchwork des Überlebens zusammensetzt. In „Die im Schatten, die im Licht“erzählt sie die Zeit zwischen 1938 und 1946 durch die Augen von Frauen aus allen Gesellschaftsschichten: Traudi, früh ledig Mutter geworden und deshalb „Freiwild“; Rosi, die den Widerstand unterstützt; die Jüdin Elsa, die ihren Tod vortäuscht; die kleine Lotte, ebenfalls aus jüdischem Haus, die nach Shanghai flieht; ihre Tante Kitty, die Zeugnis vom Lagerleben ablegt; und drei Frauen, die sich mit der Macht arrangieren: die anständige Gutsherrin Vera, die windige Prinzessin Huberta und die Schauspielerin Francine, die Spaß haben will.
Francine, der französischen Mimin Arletty nachempfunden, illustriert, wie Sabine Scholl Geschichte durch Literatur lebendig macht: Auch wenn manche Fiktionalisierung verwirrt, liefert die Realität genug Material für ein lesenswertes Panorama der weiblichen Wirklichkeit im Dritten Reich.
Sabine Scholl: „Die im Schatten, die im Licht“, Weissbooks,
350 Seiten, 24,70 Euro