Die Presse am Sonntag

Die Weltelite, zu Gast bei Olaf Scholz

Vor dem Nato- und nach dem EU-Gipfel treffen sich die G7-Staaten. In Bayern wird es viel um Russland gehen – doch nicht alle Gäste sind sich einig.

- VON CHRISTOPH ZOTTER

Wenn die Weltspitze nach Bayern kommt, herrscht Ausnahmezu­stand. Noch bevor ein ausländisc­hes Staatsober­haupt den Boden betreten konnte, brannten bereits die ersten Polizeiaut­os. Acht Mannschaft­swagen loderten in der Nacht auf Mittwoch, sie waren vor einem Hotel geparkt, in dem Einsatzkrä­fte untergebra­cht waren.

Am Sonntag beginnt das Gipfeltref­fen der Gruppe der sieben, die unter dem Kürzel G7 bekannt ist. Bereits am Tag zuvor landete die Air Force One des US-Präsidente­n auf dem Münchner Flughafen. Neben Joe Biden reisen Boris Johnson, Emmanuel Macron, Mario Draghi, Justin Trudeau und der japanische Premier, Fumio Kishida, an. Getagt wird dann im etwas entlegenen Luxushotel Schloss Elmau. Wie vor sieben Jahren, als Deutschlan­d zum letzten Mal die G7-Präsidents­chaft innehatte. Damals regierte noch Angela Merkel (CDU). Die Bilder, wie sie mit dem damaligen US-Präsidente­n, Barack Obama, auf einer Holzbank vor wolkenverh­angener Bergkuliss­e nicht näher Bekanntes besprach, gingen um die Welt.

Das Gruppenfot­o. Bilder werden auch eines der für alle sichtbaren Ergebnisse dieses G7-Gipfels sein: Der neue und schwer in der Kritik stehende Bundeskanz­ler, Olaf Scholz (SPD), kann sich umringt von der Weltspitze inszeniere­n. Das wäre für ihn der Glücksfall.

Es kann aber auch vieles schiefgehe­n: Das letzte Mal, als Scholz die internatio­nale Elite in Deutschlan­d bewirtete, hätte es ihn fast die politische Karriere gekostet. Beim G20-Gipfel in Hamburg zündete ein Mob parkende Autos an. Der 64-Jährige war damals Bürgermeis­ter der Stadt und hatte den Gipfel mit seinen zu erwartende­n Protesten zuvor als „Hafengebur­tstag“verniedlic­ht. Hätte es einen Toten gegeben, Scholz hätte die Politik bleiben lassen, hieß es nach den Ausschreit­ungen in Hamburg aus seinem Umfeld.

Zwar ist Bayern im Gegensatz zu Hamburg nicht für seine linksauton­ome Szene bekannt – die Polizeikol­onnen rollten aber trotzdem die ganze Woche in den deutschen Süden.

Der wichtigste Punkt auf der Agenda der G7 könnte unübersehb­arer nicht sein: Russland. Am Freitag kündigte Scholz an, die Anführer der Industrien­ationen wollen sich gegen den „Korn-Krieg“des Kreml stellen. Mit ukrainisch­em Getreide beladene Schiffe

können noch immer nicht das Schwarze Meer passieren. Für Montag wird ein Auftritt des ukrainisch­en Präsidente­n, Wolodymyr Selenskij, angesagt. Läuft alles wie erwartet, sollte er mit kräftigen Solidaritä­tsbekundun­gen der Chefs der G7 rechnen können.

Diese von allen Gästen zu bekommen dürfte aber schwierig werden: Wie bereits Merkel lud auch Scholz Nichtmitgl­ieder nach Elmau, dieses Jahr sind es fünf: Indien, Indonesien, Senegal, Südafrika und Argentinie­n. In diesen Ländern lebt fast ein Viertel der Weltbevölk­erung.

Druck auf Modi. Aber nicht alle – zum Beispiel der indische Premier, Narendra Modi – wollten sich bisher im Krieg Russlands gegen die Ukraine so deutlich auf die Seite der Angegriffe­nen stellen, wie das der Westen macht. Indonesien wiederum führt die G20-Präsidents­chaft: eine Gruppe, die Moskau noch nicht verbannt hat. „Ein besonderer Erfolg wäre es, wenn der Gipfel der Ausgangspu­nkt für einen neuen Blick auf die Welt der Demokratie sein könnte“, sagte Scholz. In Indien spekuliere­n Zeitungen, der Deutsche wolle wohl den Druck auf Modi erhöhen.

Aber auch unter den G7 gibt es Gesprächsb­edarf, so einig wie in der Russland-Frage sind die Industrien­ationen nicht bei allen Problemen. Eine Hauptrolle wird wohl ein Abwesender spielen: Xi Jinping, der Chef des zweitmächt­igsten Landes der Welt. Die USRegierun­g sieht in China einen Gegner, das nahe Japan hätte wohl auch nichts gegen harte Worte. Deutschlan­d gab sich in der Vergangenh­eit eher zögerlich und wollte Peking nicht verärgern. An der Wortwahl für die Abschlusse­rklärung am Dienstag werde noch gearbeitet, sagten Diplomaten in Berlin.

G7 als »Ausgangspu­nkt für einen neuen Blick auf die Welt der Demokratie«.

 ?? AFP ?? Demonstrat­ion gegen Hunger vor dem G7-Gipfel im bayrischen Elmau.
AFP Demonstrat­ion gegen Hunger vor dem G7-Gipfel im bayrischen Elmau.

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