Die Weltelite, zu Gast bei Olaf Scholz
Vor dem Nato- und nach dem EU-Gipfel treffen sich die G7-Staaten. In Bayern wird es viel um Russland gehen – doch nicht alle Gäste sind sich einig.
Wenn die Weltspitze nach Bayern kommt, herrscht Ausnahmezustand. Noch bevor ein ausländisches Staatsoberhaupt den Boden betreten konnte, brannten bereits die ersten Polizeiautos. Acht Mannschaftswagen loderten in der Nacht auf Mittwoch, sie waren vor einem Hotel geparkt, in dem Einsatzkräfte untergebracht waren.
Am Sonntag beginnt das Gipfeltreffen der Gruppe der sieben, die unter dem Kürzel G7 bekannt ist. Bereits am Tag zuvor landete die Air Force One des US-Präsidenten auf dem Münchner Flughafen. Neben Joe Biden reisen Boris Johnson, Emmanuel Macron, Mario Draghi, Justin Trudeau und der japanische Premier, Fumio Kishida, an. Getagt wird dann im etwas entlegenen Luxushotel Schloss Elmau. Wie vor sieben Jahren, als Deutschland zum letzten Mal die G7-Präsidentschaft innehatte. Damals regierte noch Angela Merkel (CDU). Die Bilder, wie sie mit dem damaligen US-Präsidenten, Barack Obama, auf einer Holzbank vor wolkenverhangener Bergkulisse nicht näher Bekanntes besprach, gingen um die Welt.
Das Gruppenfoto. Bilder werden auch eines der für alle sichtbaren Ergebnisse dieses G7-Gipfels sein: Der neue und schwer in der Kritik stehende Bundeskanzler, Olaf Scholz (SPD), kann sich umringt von der Weltspitze inszenieren. Das wäre für ihn der Glücksfall.
Es kann aber auch vieles schiefgehen: Das letzte Mal, als Scholz die internationale Elite in Deutschland bewirtete, hätte es ihn fast die politische Karriere gekostet. Beim G20-Gipfel in Hamburg zündete ein Mob parkende Autos an. Der 64-Jährige war damals Bürgermeister der Stadt und hatte den Gipfel mit seinen zu erwartenden Protesten zuvor als „Hafengeburtstag“verniedlicht. Hätte es einen Toten gegeben, Scholz hätte die Politik bleiben lassen, hieß es nach den Ausschreitungen in Hamburg aus seinem Umfeld.
Zwar ist Bayern im Gegensatz zu Hamburg nicht für seine linksautonome Szene bekannt – die Polizeikolonnen rollten aber trotzdem die ganze Woche in den deutschen Süden.
Der wichtigste Punkt auf der Agenda der G7 könnte unübersehbarer nicht sein: Russland. Am Freitag kündigte Scholz an, die Anführer der Industrienationen wollen sich gegen den „Korn-Krieg“des Kreml stellen. Mit ukrainischem Getreide beladene Schiffe
können noch immer nicht das Schwarze Meer passieren. Für Montag wird ein Auftritt des ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskij, angesagt. Läuft alles wie erwartet, sollte er mit kräftigen Solidaritätsbekundungen der Chefs der G7 rechnen können.
Diese von allen Gästen zu bekommen dürfte aber schwierig werden: Wie bereits Merkel lud auch Scholz Nichtmitglieder nach Elmau, dieses Jahr sind es fünf: Indien, Indonesien, Senegal, Südafrika und Argentinien. In diesen Ländern lebt fast ein Viertel der Weltbevölkerung.
Druck auf Modi. Aber nicht alle – zum Beispiel der indische Premier, Narendra Modi – wollten sich bisher im Krieg Russlands gegen die Ukraine so deutlich auf die Seite der Angegriffenen stellen, wie das der Westen macht. Indonesien wiederum führt die G20-Präsidentschaft: eine Gruppe, die Moskau noch nicht verbannt hat. „Ein besonderer Erfolg wäre es, wenn der Gipfel der Ausgangspunkt für einen neuen Blick auf die Welt der Demokratie sein könnte“, sagte Scholz. In Indien spekulieren Zeitungen, der Deutsche wolle wohl den Druck auf Modi erhöhen.
Aber auch unter den G7 gibt es Gesprächsbedarf, so einig wie in der Russland-Frage sind die Industrienationen nicht bei allen Problemen. Eine Hauptrolle wird wohl ein Abwesender spielen: Xi Jinping, der Chef des zweitmächtigsten Landes der Welt. Die USRegierung sieht in China einen Gegner, das nahe Japan hätte wohl auch nichts gegen harte Worte. Deutschland gab sich in der Vergangenheit eher zögerlich und wollte Peking nicht verärgern. An der Wortwahl für die Abschlusserklärung am Dienstag werde noch gearbeitet, sagten Diplomaten in Berlin.
G7 als »Ausgangspunkt für einen neuen Blick auf die Welt der Demokratie«.