Schwarzer Kater, rote Hoffnung
Korruptionskrise und Landesfürstendämmerung: Die ÖVP schwächelt – aber die Macht geht weiter von den Landesparteien aus.
Markus Wallner hat sich also als Landeshauptmann zurückgezogen. Die Betonung liegt auf Rückzug – von einem Rücktritt, hieß es in Vorarlberg, könne keine Rede sein. Nach einem mehrwöchigen Krankenstand, zu dem ihm die Ärzte geraten haben, will Wallner nämlich ins Amt zurückkehren (das interimistisch seine Stellvertreterin Barbara Schöbi-Fink führt). Die Wirtschaftsbund-Affäre, in die er immer tiefer verstrickt wurde, hat dem 54-Jährigen offenbar stark zugesetzt.
Wallner reiht sich damit ein in eine Rückzugsserie schwarzer Landeshauptleute. Wobei der Steirer Hermann Schützenhöfer und der Tiroler Günther Platter tatsächlich – im Juli bzw. im September – zurücktreten werden. Der eine ist 70 Jahre alt, der andere 68. Und in Platters Fall geht es auch um ein Vermächtnis: Bei der anstehenden Landtagswahl in Tirol, die eigentlich im Frühjahr 2023 hätte stattfinden sollen, aus taktischen Gründen aber auf September vorgezogen wird, gibt es für die ÖVP eher nichts zu gewinnen. Im Gegenteil: Diverse Korruptionsvorwürfe, die gerade juristisch und parlamentarisch (U-Ausschuss) aufgearbeitet werden, haben die gesamte Volkspartei in eine tiefe Krise gestürzt.
Nach dem türkisen Erfolgsrausch der Kurz-Jahre ist die ÖVP mit einem schwarzen Kater aufgewacht. Die SPÖ zieht, ohne viel beitragen zu müssen, in den Umfragen davon. Machttektonische Verschiebungen zugunsten des noch recht neuen Parteiobmanns sind in der ÖVP aber nicht zu erwarten. Karl Nehammer war von Anfang an ein Kanzler von Landesgnaden. Und es ist auch nicht davon auszugehen, dass Christopher Drexler und Anton Mattle, der steirische und der Tiroler Landeshauptmann in spe, einen neuen Stil der Amtsführung prägen werden. Auch sie werden wohl früher oder später einen Landeshauptmanntypus verkörpern, den im jeweiligen Land eine Aura der Allmacht umgibt – die dann zur bundespolitischen Einflussnahme verführt oder, aus Ländersicht, berechtigt.
Im Falle des 51-jährigen Christopher Drexler könnte man wenigstens noch von einem Generationswechsel sprechen. Beim 59-jährigen Anton Mattle tut man sich da schon schwerer.
Das eigentliche Machtzentrum der Volkspartei bleibt die niederösterreichische ÖVP, wobei Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ihren Einfluss nicht so polternd geltend macht wie ihr Vorgänger Erwin Pröll. Karl Nehammer, in St. Pölten einst politisch sozialisiert, war dennoch ihre Erfindung an der ÖVP-Spitze. Umso stärker kommen beide nun unter Druck: Bei der niederösterreichischen Landtagswahl im Jänner steht nichts weniger auf dem Spiel als die absolute Mehrheit der ÖVP.
Gewählt wird nächstes Jahr auch in Salzburg, wo sich der schwarze Grandseigneur Wilfried Haslauer nach einigen Patzern in der Pandemie samt despektierlichen Aussagen über Wissenschaftler („Wollen alle daheim einsperren“) wieder stabilisiert haben dürfte. Von einem Wahlerfolg wagt man aber auch in Salzburg nicht zu träumen.
Drei rote Bastionen. Immerhin stellt die ÖVP nach wie vor in sechs Bundesländern den Landeshauptmann, während sich die SPÖ mit drei begnügen muss. Allerdings scheinen die Sozialdemokraten in Wien, Kärnten und dem Burgenland
so fest im Sattel zu sitzen wie schon lange nicht. Peter Kaiser, beim Landesparteitag vergangenes Wochenende mit 99 Prozent als Kärntner SPÖChef wiedergewählt, darf sich bei der Landtagswahl im Frühjahr Hoffnungen auf die absolute Mehrheit machen. Mit einer solchen ist Hans Peter Doskozil im Burgenland schon seit zweieinhalb Jahren ausgestattet. Und die Wiener SPÖ bestimmt auch unter Michael Ludwig, wer Parteivorsitzender wird oder Parteivorsitzende bleibt.
Die Krise der ÖVP hat die Dynamik in der SPÖ verändert. Zuletzt strahlten die Sozialdemokraten beinahe so etwas wie Geschlossenheit aus, auch wenn die burgenländische SPÖ inhaltlich und machtpolitisch weiter ihr eigenes Süppchen kocht. Aber wie es scheint, haben sich Parteichefin Pamela RendiWagner und Hans Peter Doskozil zusammengerauft. Man wittert die – gemeinsame – Chance auf eine Rückkehr ins Kanzleramt. Und Rendi-Wagner als Regierungschefin wäre den Burgenländern allemal lieber als ein ÖVP-Politiker, wenn auch – aus pannonischer Sicht – nur die zweitbeste Lösung.