Pandemie und Teuerung: Der plötzliche
Strom, Gas, Lebensmittel – alles wird teurer. Was für manche einfach nur unangenehm ist, stellt für andere eine existenzielle Bedrohung dar. Wie für Familie B. aus Wien, die einen solchen Absturz nie für möglich gehalten hätte.
Auswärts essen? Das war einmal. Mit den Kindern ins Kino gehen? Nur, wenn ihnen ihre Großeltern eine Freude machen wollen und die Tickets bezahlen. Urlaub im Hotel? Allenfalls eine Hoffnung für die Zukunft.
„Ich hätte nie gedacht, dass wir einmal so leben würden“, sagt Benny B., während sie ungläubig den Kopf schüttelt. „Noch dazu in einem Land wie Österreich“, fügt ihr Mann, Tali, hinzu. Und dreht sich zu seiner Frau. Sie erwidert den Blick. Eine Sekunde lang sehen die beiden einander an, als wollten sie sich beim jeweils anderen entschuldigen. Dafür, arm zu sein. Nicht mehr der Mittelschicht anzugehören. Beim Einkaufen von Lebensmitteln und Bekleidung sparen zu müssen. Sich keinerlei „Luxus“– wie etwa einen Wellness-Tag – mehr gönnen zu können. Ein Stück weit ihre Leichtigkeit verloren zu haben.
„Wir sind immer arbeiten gegangen. Beide. Warum finden wir uns in so einer Situation wieder?“, fragt Tali. „Eben. Was haben wir falsch gemacht?“, legt Benny nach. Die Antwort gibt sie sich gleich selbst: „Nichts.“
Eine gewöhnliche Familie. Benny (31) und Tali (35), wie sie von Freunden genannt werden, ihr Nachname soll nicht in der Zeitung stehen, sind zwei von Millionen Gesichtern der Krise. Eine ganz gewöhnliche österreichische Familie mit drei Kindern im Alter von zwei, sechs und zwölf Jahren, die mit ihrem Einkommen jahrelang problemlos auskam. Sich sogar Monat für Monat ein bisschen was auf die Seite legen konnte. Um ihren Lebensstandard aufrechterhalten zu können für den Fall, dass einer von beiden vorübergehend arbeitslos wird oder eine größere Beschaffung ansteht – ein neues Auto etwa oder eine Eigentumswohnung.
Arbeitslos wurde keiner von beiden. Bis heute nicht. Er ist Vollzeit als Hausbetreuer in einem großen Unternehmen beschäftigt, sie arbeitet 25 Stunden pro Woche als Friseurin. Das Nettoeinkommen der Familie beträgt rund 2200 Euro. Mit Trinkgeld und Familienbeihilfe sind es etwas mehr als 3000 Euro. Eine Summe, mit der eine fünfköpfige Familie in Wien nicht als arm oder armutsgefährdet gilt. „Natürlich nicht“, sagt Tali. „Wir haben zwei geregelte Einkommen und hatten nie unnötige Ausgaben. Ob Wohnung, Auto
oder Freizeitgestaltung mit den Kindern, nichts war übertrieben kostspielig. Es ging sich immer alles aus.“
Dann kam die Pandemie, und das Unglück nahm seinen Lauf. Zunächst Kurzarbeit – nicht so schlimm, das etwas reduzierte Gehalt ist verkraftbar. Neuer Laptop für die ältere Tochter, weil sie von zu Hause aus unterrichtet werden muss – geht sich aus. Die erste größere Belastung entsteht, als nach der Geburt des dritten Kindes ein Umzug in eine größere Wohnung notwendig wird. Die Miete der neuen, geförderten Wohnung im 14. Bezirk ist zwar vergleichsweise niedrig, ihre Übernahme erfordert aber eine beträchtliche Summe an Ablöse. Zudem muss die
Wohnung größtenteils neu eingerichtet werden. Viele Ausgaben auf einmal, die „ohne den ersten Kredit unseres Lebens“nicht zu stemmen sind. Aber auch das sollte kein größeres Problem sein, die Raten sind zu bewältigen.
Einige Monate später fangen die Kinder an, seltsam zu husten. Es stellt sich heraus, dass weite Teile der Wohnung von Schimmel befallen sind. Die Gesundheitsgefahr ist zu groß, die Familie muss rasch ausziehen. Auf eine andere geförderte Wohnung zu warten ist unter diesen Umständen ausgeschlossen. Benny und Tali ziehen mit ihren Kindern in ihre jetzige Dreizimmerwohnung im elften Bezirk. Die