Armutsgefährdete Menschen stärker psychisch belastet
In einer Studie gaben mehr als die Hälfte der Befragten unter 25 Jahren an, ihr mentaler Zustand habe sich zuletzt verschlechtert.
Körperliche und psychische Gesundheit ist auch eine Frage des Geldes – insbesondere bei jüngeren Menschen. Das ist die zentrale Aussage einer aktuellen Studie des Forschungsinstituts Sora, die von der Arbeiterkammer Oberösterreich in Auftrag gegeben wurde. Sie belegt, dass armutsgefährdete Personen in vielerlei Hinsicht stärkeren Belastungen ausgesetzt sind.
So geben mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten unter 25 Jahren aus dem untersten Einkommensdrittel an, dass sich ihre psychische Gesundheit während der Pandemie verschlechtert hat. Im Vergleich zu den Aussagen der Befragten aus dem obersten Einkommensdrittel sind armutsgefährdete junge Menschen zweieinhalbmal so häufig von psychischen Belastungen betroffen.
Forderung nach Therapieplätzen. Auch bei der Verschlechterung der körperlichen Gesundheit liegen Personen mit niedrigem Einkommen mit 45 Prozent deutlich über jenen aus der höchsten Einkommensgruppe, in der nur 18 Prozent eine Verschlechterung ihrer physischen Gesundheit sehen. Angesichts dieser Zahlen fordert die Volkshilfe Österreich einmal mehr den raschen Ausbau kostenfreier Therapieplätzen ohne Wartezeiten.
„Die schon lang bekannten Probleme und Engpässe in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wirken sich durch die Folgen der Pandemie noch fataler aus“, sagt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich. „Jeder Tag, an dem ein Jugendlicher mit starken psychischen Belastungen keine professionelle Unterstützung bekommt, ist einer zu viel. Die Realität sieht in Österreich leider viel schlimmer aus. Oft müssen Kinder monatelang auf ihre Behandlung warten. Der Ausbau an kostenfreien Therapieplätzen ohne Wartezeiten muss daher schneller vorangehen als bisher.“
Aus der Studie geht auch hervor, dass Jugendliche massive Zukunftssorgen haben und sich von der Politik nicht ausreichend ernst genommen fühlen. Eine weitere Forderung der
Zwölf Prozent
rechnen damit, die Wohnkosten demnächst nicht bezahlen zu können. Bei sieben Prozent kam es schon zu Zahlungsrückständen.
Volkshilfe lautet daher die Einführung einer Kindergrundsicherung, „die auch Kindern aus Familien mit niedrigem Einkommen die Sicherheit gibt, dass Wohnen, Essen, Kleidung, Bildung und Gesundheit garantiert sind“.
Wohnkosten zunehmendes Problem. Eine stärkere Entlastung der Kosten für das Wohnen – zum Beispiel durch eine verbesserte Wohnbeihilfe – fordert unterdessen die Armutskonferenz, ein Netzwerk sozialer Hilfsorganisationen wie etwa Caritas, Diakonie und Lebenshilfe. Auf dieses massive Problem werde in der Debatte um die Teuerung bisher zu wenig Augenmerk gelegt, sagt Martin Schenk von der Diakonie Österreich. Die Länder müssten die Wohnbeihilfe erhöhen. Vor allem Familien mit Kindern hätten „zu wenig zum Wohnen und zu wenig zum Leben“.
Um ihre Miete zu zahlen, müssten viele das aufbrauchen, was eigentlich für den notwendigsten Lebensunterhalt vorgesehen wäre. „Sie hungern für die Miete“, sagt Schenk. Investitionen in den sozialen Wohnbau wären seiner Meinung nach ebenfalls dringend angebracht, in dieser Hinsicht gebe es in vielen Teilen Österreichs „noch großen
Aufholbedarf“. Dabei müsse auch die Flächenwidmung mithelfen, günstigen Boden für sozialen und gemeinnützigen Wohnbau zur Verfügung zu stellen. Maßnahmen, die allerdings erst mittelfristig wirken würden. Beim aufgestockten „Wohnschirm“des Sozialministeriums, der Mietrückstände übernimmt, müssten die Energiekosten mit abgedeckt werden.
„Wir sitzen alle im selben Sturm. Aber wenn er kommt, gehen jenen als Erstes die Kräfte aus, die schon bisher wenig Halt hatten“, so Schenk. „Besonders armutsgefährdet sind Kinder, Alleinerzieherinnen und Arbeitslose. Mit großen Problemen sind auch Menschen mit chronischen Erkrankungen konfrontiert. Und die hohen Wohnkosten bringen viele an den Rand.“
Der Statistik Austria zufolge stellten für 825.000 Menschen (13 Prozent) in Österreich die Wohnkosten bereits Ende 2021 eine schwere finanzielle Belastung dar. Insgesamt etwa zwölf Prozent rechneten sogar damit, in den folgenden drei Monaten ihre Wohnkosten nicht mehr bezahlen zu können. Bei sieben Prozent kam es bereits zu Zahlungsrückständen, am stärksten betroffen davon sind Arbeitslose.
»Wir sitzen alle im selben Sturm, manchen gehen aber die Kräfte früher aus.«