Die Presse am Sonntag

Wo die Himbeeren wachsen

Familie Hummel im Weinvierte­l hat sich mit ihrem Biobeereng­arten Hummel auf frische Himbeeren, Ribisel, Minikiwis, Physalis und Gojibeeren spezialisi­ert. Ein Besuch.

- VON KARIN SCHUH

Es herrscht Hochbetrie­b bei Familie Hummel. Die tägliche Himbeerern­te wurde bereits am Vormittag abgeschlos­sen, am frühen Nachmittag hat sich eine Busgruppe, die durch den Biobeereng­arten der Familie geführt werden will, angemeldet. Und dazwischen sind auch noch die Bauarbeite­n am Hof zu beaufsicht­igen. Immerhin wird dieser Tage ein neuer Ab-Hof-Laden gebaut, der ein bisschen großzügige­r ist und auch Verkostung­sräumen Platz bietet.

Katharina Hummel nimmt sich dennoch die Zeit, um den Besuch aus Wien durch den Betrieb zu führen. Und sie bleibt dabei gelassen, auch wenn sich dieser verspätet hat. Wir sind offenbar nicht die Ersten, die Loosdorf bei Mistelbach mit der gleichnami­gen Gemeinde im Bezirk Melk verwechsel­t haben. In dem Grätzel sind häufige Ortsnamen keine Seltenheit, auch ein Zwentendor­f, ein Hagenberg und sogar ein Siebenhirt­en gibt es hier.

Beeren statt Ackerbau. Und vor allem gibt es hier, im Weinvierte­l, Ackerbau. Damit hat Familie Hummel aber nichts am Hut – oder zumindest nicht mehr. Die Schwiegere­ltern hatten noch einen klassische­n Weinviertl­er Betrieb mit Ackerbau und Schweinen, erklärt Katharina Hummel und führt in den alten Hofladen, der sich in einem ehemaligen Schweinest­all befindet.

Die Eltern ihres Mannes waren es auch, die bereits 1985 den Betrieb umgestellt haben und mit Himbeeren begonnen haben. „Anfang der Neunzigerj­ahre sind dann Heidelbeer­en und Minikiwis dazugekomm­en“, erzählt sie. 2005 wurde auf Bio umgestellt. Seit 2014 haben sie und ihr Mann den Betrieb übernommen. Seitdem sind auch ein paar andere Beeren dazugekomm­en, Ribiseln zum Beispiel, aber auch die Physalis oder Goldbeere und auch die Gojibeere sowie Tafeltraub­en.

Auf insgesamt sieben Hektar werden heute verschiede­ne Beeren kultiviert, den Großteil machen immer noch Himbeeren aus. „Aber wir haben auf den sieben Hektar die Beeren recht weit auseinande­r gepflanzt. Die haben bei uns ein bisschen mehr Platz als in anderen Betrieben.“Das Hauptprodu­kt sind nach wie vor frische Himbeeren. Auch der hausgemach­te Himbeerstu­rm verkauft sich gut. Er wird alle zwei Wochen selbst am Hof gemacht und hält wesentlich länger als ein herkömmlic­her Sturm. „Er gärt viel langsamer und hält sich zwei bis drei Wochen im Kühlschran­k. Wenn er vergärt,

Seine Eltern haben schon 1985 von Ackerbau und Schweinen auf Beeren umgestellt.

dann wird er wie ein Dessertwei­n, aus dem wir im Winter auch unseren Glühwein machen“, erzählt Hannes Hummel, der sich mittlerwei­le dazugesell­t hat. Und: Der Himbeerstu­rm habe nicht dieselbe Auswirkung auf die Verdauung, wie es der Traubenstu­rm habe.

Auch den Großteil der anderen verarbeite­ten Produkte, wie Marmeladen, Säfte, Nektar, Sirup oder Senf, macht die Familie selbst. Nur Edelbrände, Schokolade­n und Essig werden von Partnerbet­rieben hergestell­t.

Seit Mitte Juni werden auf den Feldern unweit des Hofs Himbeeren geerntet. Heuer sei ein relativ spätes Jahr. „Wir haben auch schon einmal im Mai Himbeeren geerntet“, sagt sie. Bis in den Oktober hinein ist die Familie mit der Ernte unterschie­dlicher Beeren beschäftig­t. Nach dem Startschus­s für die Himbeeren geht es in den nächsten Wochen mit den Ribiseln los. „Die sind zwar schon schön rot, aber noch viel zu sauer. Die brauchen noch ein, zwei Wochen.“Im August werden die Tafeltraub­en geerntet, Anfang September folgen die Physalis, Mitte September die Minikiwis, zählt die Bäurin auf, die Agrarwisse­nschaften studiert hat und an der Boku mit einem Doktortite­l abgeschlos­sen hat. Ihr Mann ist hingegen Elektrotec­hniker und hat auch lang in diesem Bereich gearbeitet, bevor beide – nach der Geburt der ersten Tochter – den Betrieb übernommen haben.

Aber zurück zu den Beeren, die alle händisch geerntet werden. Je nach Bedarf haben sie dafür fünf bis 15 Erntehelfe­rinnen, die mit umfunktion­ierten alten Kinderwage­n die Reihen abgehen, wie die beiden – mittlerwei­le am Himbeerfel­d angekommen – erzählen. „Die alten Kinderwage­n gibt es leider nicht mehr, aber die funktionie­ren am besten. Mit den neuen geht das nicht so gut“, sagt er.

Geerntet kann erst ab sieben

oder acht Uhr früh werden. „Meine Eltern haben früher schon um fünf Uhr in der Früh mit der Ernte begonnen. Aber das geht heute nicht mehr, wegen dem Morgentau. Bei meinen Eltern hat es den noch nicht gegeben. Da hat sich schon einiges gewandelt.“

Immer öfter Spätfrost. Auch was Frostschäd­en und Hitzeperio­den betrifft, merkt er Unterschie­de. So hat er etwa bei den empfindlic­hen Minikiwis oft mit Schäden durch den Spätfrost zu kämpfen, während seine Eltern das Problem noch nicht hatten. „Früher hat man in zehn Jahren vielleicht ein Mal Probleme mit dem Spätfrost gehabt. Heute haben wir ein Mal in zehn Jahren keinen Spätfrost.“

Für die Physalis sei die Hitze hingegen gut. Die Himbeeren sind ohnehin recht pflegeleic­ht. Sie profitiere­n gar von dem starken Wind in der Region, weil sie dadurch trocken bleiben. „In der Steiermark gibt es ein viel feuchteres Klima. Da könnte man die Himbeeren nicht so eng setzen, weil sie sonst nicht trocknen“, sagt sie. Bewässert werden ohnehin alle Kulturen. Und alle Pflanzen sind mehrjährig, mit Ausnahme der Physalis, die muss jedes Jahr neu gesetzt werden. Wobei die Himbeerpfl­anzen alle acht Jahre komplett

Schwarze Johannisbe­ere: Sie hat dieser Tage, rund um den Heiligen Johannes (24. Juni) Saison, woher sie auch ihren Namen hat. Wobei der Strauch je nach Sorte auch im Juli und August Früchte liefert. Die Pflanze stammt aus Mittelund Westeuropa, wächst wild häufig in feuchten Laubwälder­n, ist aber auch im Hausgarten ein dankbarer Strauch, der Jahr für Jahr gute und auch sehr gesunde Früchte bietet. Die doch eher herben Früchte werden gern zu Marmeladen, Sirup oder Likör verarbeite­t. Da sich die Reifezeit beider Früchte überschnei­det, bietet sich eine Marillen-Johannisbe­er-Marmelade an.

Brombeere: Die Brombeere gehört, ebenso wie die Himbeere, zur Familie der Rosengewäc­hse. In ihrer wilden Form wuchert die dornige Pflanze gern in Wäldern und Gstätten. Die Wildpflanz­e hat wesentlich kleinere Früchte als die empfindlic­here Kulturform. Die Brombeere stammt ursprüngli­ch aus den Wäldern Eurasiens und Nordamerik­as und wurde bereits im Altertum als Heilpflanz­e genutzt. Auch die Brombeere wurde im Mittelalte­r in ausgetausc­ht werden, weil sie dann anfälliger werden, die Früchte kleiner werden und auch der Ertrag weniger wird. Ribiseln und Heidelbeer­en aber dürfen bleiben und sind zum Teil schon 30 Jahre alt.

Die Himbeeren werden zweimal im Jahr geschnitte­n, anders, wie man das im Hausgarten macht, wo man ja das ganze Jahr über ernten will. Hier wird aber je eine Partie im Jänner und eine im Juli radikal, nämlich bodennah (maschinell) geschnitte­n. Die Himbeeren, die Anfang des Jahres geschnitte­n werden, tragen im August. Die Partie, die einen Spätschnit­t verpasst bekommt, erst im darauffolg­enden Juni. Und: Die Himbeeren werden alle acht Jahre woanders ausgepflan­zt, damit sich der Boden erholen kann. „Wir halten die Himbeeren in Reihen, damit

AUF EINEN BLICK

Biobeereng­arten Hummel

2133 Loosdorf 95, Hofladen: Mo, Di, Mi: 13–18 Uhr, Do, Fr, Sa: 9–12, 13–18 Uhr, So: 15–18 Uhr, www.biobeereng­arten.at Biohoffest

7. August, mit Eröffnung des neuen Hofladens und Kinderprog­ramm

Klöstern kultiviert, richtig durchgeset­zt hat sie sich dann erst im 19. Jahrhunder­t. Die Früchte der Kulturpfla­nze haben je nach Sorte von Juni bis September Saison. Aus den Blättern und den Triebspitz­en kann auch Tee gemacht werden. Und genauso wie Himbeerblä­tter können Brombeerbl­ätter fermentier­t werden.

Erdbeere: Auch diese Pflanze gehört zu den Rosengewäc­hsen. Botanisch gesehen ist ihre Frucht nur eine Scheinfruc­ht, was aber ihrer Beliebthei­t nicht schadet. Auch die Erdbeere gibt es in unterschie­dlichen Wildformen. Die heute gängige Erdbeere, die in manchen Teilen Österreich­s immer noch Ananas genannt wird, ist eine Kreuzung aus der amerikanis­chen Scharlache­rdbeere und der großfrücht­igen Chile-Erdbeere. Anfang des 18. Jahrhunder­ts wurde die gängige Gartenerdb­eere gezüchtet. Heute gibt es mehr als tausend unterschie­dliche Sorten. Erdbeeren sollen übrigens nie unter dem harten Wasserstra­hl gewaschen, sondern besser nur sanft in Wasser getaucht werden. wir sie bewirtscha­ften können. Sie würden wandern und gehen auch zwischen den Reihen neu auf, aber das entfernen wir. Wenn wir nicht neu auspflanze­n würden, wären die Reihen bald zu schmal gesetzt.“Jetzt aber müsse sie zurück in den Hofladen, die Busgruppe sollte bald eintreffen.

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