Dacia-Chef: »Der Markt kommt zu uns«
Renault-Österreich-Chef Martin Labaye über die Wandlung der Tochtermarke Dacia, über Lieferzeiten, Autopreise, den Einstieg Dacias ins elektrische Fach und den Rückzug des Konzerns aus Russland.
Herr Labaye, Sie sind seit Mitte März im Amt, was sind aus Ihrer Sicht die Besonderheiten Österreichs und des österreichischen Automarkts – gibt es denn welche?
Martin Labaye: Vieles kommt mir bekannt vor aus anderen Ländern, in denen ich tätig war. Den Standard der Lebensqualität empfinde ich ähnlich wie in Frankreich. Der Automarkt mit seiner besonderen Bedeutung von Allrad und Winterreifen erinnert an Slowenien, wobei der österreichische Markt viel größer ist. Besonders der „Green Market“, also Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride, ist in Österreich viel weiter entwickelt. Er liegt auch über dem europäischen Durchschnitt, und es ist sehr interessant zu beobachten, wie sich dieses Segment entwickelt.
Dagegen liegt der Rückgang bei den Zulassungen in Österreich höher als im EUSchnitt – haben Sie dafür eine Erklärung?
Durch die Implementierung der NoVA für leichte Nutzfahrzeuge hat es 2021 einen starken Push in dem Segment gegeben. Viele Unternehmen hatten sich entschlossen, ihre Anschaffung vorzuziehen. Dadurch sind die Zulassungen in dem Segment mehr als signifikant zurückgegangen. Bei den Pkw sind wir von Lieferengpässen betroffen, wie das mehr oder minder für alle gilt. Das betraf ursprünglich elektronische Bauteile aus Asien und wurde durch den Krieg in der Ukraine noch massiv verschärft. Davon abgesehen gibt es keine Anzeichen, dass sich der österreichische Automarkt anders verhalten würde als im Rest Europas.
In welcher Verfassung haben Sie Dacia in Österreich übernommen?
Bei Dacia läuft es hervorragend. Die Marke widersetzt sich dem aktuellen negativen Markttrend. Aus zwei Gründen: Zum einen ist Dacia von der Komponentenkrise weniger stark betroffen, dank der, sagen wir, Simplizität unserer Modelle und einem Zugang ohne viel Chichi. Wir haben eine interessante und wirklich starke Performance mit allen unseren Modellen. Und wir sind stark auf das Privatgeschäft fokussiert. In Österreich verkaufen wir zu 90 Prozent an private Käufer.
Wie lang sind die Lieferfristen bei Dacia?
Das ist die Schlüsselfrage. Es gibt Kunden, die auf ihr Fahrzeug warten. Das ist aktuell ein Thema. Wir erleben gerade eine Nachfrage, die zwischen 50 und 100 Prozent über dem liegt, was wir kurzfristig ausliefern können. Darin liegen mittelfristig die guten Nachrichten. Unser Sortiment ist doppelt so groß wie ein Jahr zuvor und dreimal so groß wie 2020. Was die Lieferzeiten angeht: Zum einen haben wir noch Autos auf Lager. Zum anderen genießen wir den Wettbewerbsvorteil eines simplen Line-ups, sprich einer sehr geringen Diversität bei Varianten und Ausstattung. Was bedeutet, dass Sie Ihr gewünschtes Fahrzeug in Lagerbeständen leicht finden können. Falls nicht, betragen die Lieferzeiten zwischen fünf und sieben Monate.
Einfachheit als Wettbewerbsvorteil?
Dacia ist die Marke für Kunden, die dafür bereit zu zahlen sind, was sie wirklich nutzen wollen, und nicht für Dinge, die sie im täglichen Gebrauch für unbedeutend halten. Auch ist es leichter, eine geringe Modell- und Ausstattungsvielfalt zu managen, gerade in einer angespannten Liefersituation.
Hersteller bevorzugen derzeit teurere Modelle, die mehr Marge bringen. Müssen Sie im Konzern um Komponenten kämpfen?
Nein, denn erstens kommen DaciaModelle mit weniger elektronischen Bauteilen aus als Renaults. Es gibt zwischen Renault und Dacia keinen Mix in der Produktion – Dacias werden ausschließlich in eigenen Werken gefertigt (Rumänien, Tanger/Marokko, Anm.). Zweitens sind wir auf den Verkauf an Privatkunden fokussiert, was auch hilft, mehr zu verdienen als beim Geschäft mit Flottenkunden. Dazu kommt: Egal welches Modell, unsere Kunden kaufen überwiegend die gehobenen Ausstattungsversionen.
Mit welcher Marge ist man bei Dacia happy?
Was Dacia braucht, um happy zu sein, ist der Verkauf an Private, worauf wir spezialisiert sind. Diese Quote liegt, wie erwähnt, bei 90 Prozent. Zweitens ist Dacia happy, wenn wir gehobene Ausstattungen verkaufen. Das ist je nach Modell mit 60 bis 90 Prozent der Fall. Das ist unser Weg, auf der Grundlage guter Verkäufe, den Profit für das Unternehmen zu optimieren.
Autos, wie alles andere, werden teurer. Kann sich Dacia dem widersetzen?
Alle Autohersteller müssen die Preise
STECKBRIEF
Martin Labaye, 36, seit März Generaldirektor von Renault Österreich. Bei Renault Adriatic war er zuvor als Marketingdirektor tätig. erhöhen, aus den bekannten Gründen. Der starke Anstieg und die hohe Volatilität bei den Preisen für Energie und Rohmaterial, zum anderen müssen Sie, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, immer mehr in die Autos hineinpacken. Beides führt zu einem steigenden Preisniveau. Hier sehen wir Chancen für Dacia: Weil der Markt zu uns kommt. Weil wir nur in unsere Autos stecken, was der Kunde erwartet, und nicht mehr.
Es heißt, der Luxus des Dacia-Kunden ist es, einen Neuwagen zu kaufen . . .
Als wir mit der Marke begannen, galt sie als Billigmarke. Wir haben uns seither zur „smart buy brand“entwickelt. In der Anfangszeit kam die Hälfte unserer Kunden vom Gebrauchtwagenmarkt. Der Anteil ist auf 30 Prozent zurückgegangen. Mit Dacia sind wir heute in der ziemlich einzigartigen Position, sowohl Neuwagen- als auch Gebrauchtwagenkäufer anzusprechen.
Bei Dacia kommt bald ein großes SUV namens Bigster. Wie passt das ins Sortiment?
Mit dem Modell – und der nächsten Duster-Generation – bewegen wir uns erstmals vom B- ins C-Segment. Die Marke Dacia werden Sie darin aber zweifelsfrei erkennen.
Wie ist Dacias erstes Elektroauto angelaufen? Es wird in China produziert . . .
Der Spring ist das leistbarste E-Auto auf dem Markt, als typischer Dacia bietet er genau das, was der Kunde erwartet. Ein Stadtauto, komplett für die Nutzung im Urbanen ausgerichtet. So findet er seinen Markt: Bis Ende Mai war der Spring die Nummer zwei bei den privaten E-Auto-Zulassungen im Kleinwagen-Segment. Was die Produktion in China angeht: Renault verlegt große Teile der Wertschöpfungskette nach Frankreich. Es entsteht ein Komplex aus drei französischen Standorten mit einer Gigafactory für die Montage von Batterien, mit der Entwicklung und Produktion von Elektroautos. Für den Spring gibt es bislang keine Pläne, die Produktion aus China abzuziehen.
Der Krieg in der Ukraine hat die Pläne von Renault in Russland durchkreuzt, speziell was die Einheit von Dacia und Lada angeht. Wie geht man damit um?
Der Kernpunkt, Russland zu verlassen, war der Schutz der 45.000 Mitarbeiter. (Anmerkung: Die Anteile von Renault an AvtoVAZ, dem größten russischen Autohersteller, in der Höhe von 67,69 Prozent wurden dem Moskauer Nami-Institut übertragen, Renault Russland ging zu 100 Prozent an die Stadt Moskau. Renault nimmt dafür eine Abschreibung von 2,2 Mrd. Euro vor und hat eine sechsjährige Buy-back-Option). Auf die Entwicklung künftiger DaciaGenerationen wird diese Entscheidung keinen Einfluss haben. Die Entwicklung, das war immer so vorgesehen, geschieht in Rumänien. Die BusinessUnit von Lada und Dacia ist mit dem Rückzug aus Russland aufgelöst.
NL0013654783). Bei ihrer Aktie haben Anleger bisher viel Geduld gebraucht. Seit Kurzem aber dreht der Kurs nach oben. Das liegt auch daran, dass China, wo Prosus Großaktionär beim dortigen IT-Giganten Tencent ist, wieder etwas positiver daherkommt und dass der Essenszusteller Delivery Hero, wo Prosus investiert ist, nach seinem katastrophalen Kurssturz leicht anzieht. Goldman Sachs hat jedenfalls kürzlich für die Prosus-Aktie, die bei 53 Euro steht, das Votum „Conviction Buy“belassen und das Kursziel bei 93,10 Euro bestätigt.
Angesichts der Verwerfungen auf dem Ölmarkt infolge der Sanktionen gegen Russland hat der Sektor sensationell vom hohen Ölpreis profitiert. Russisches Öl wird freilich weiter exportiert, allerdings weniger nach Europa als vielmehr in andere Weltgegenden. Der Bedarf an Tankern wird so oder so groß bleiben und das Geschäft der größten Tanker-Reederei Frontline (ISIN: BMG3682E1921) auch. Die Aktie bietet eine Dividendenrendite von acht Prozent und hat ein mickriges KGV.
Als besonders robust erwies sich im vergangenen Halbjahr der britische und weltweit größte Tabakkonzern BAT (ISIN: GB0002875804). Kein Aufreger, aber eine schöne Chartentwicklung. Dazu eine hohe Dividendenrendite und ein Aktienrückkaufprogramm von zwei Milliarden Pfund.
Interessant ist auch Corteva (ISIN: US22052L1044), einer der weltweit führenden Anbieter von Agrarchemie und Saatgut. Der Krieg in der Ukraine hat zu einer Verknappung beim Angebot und zu hohen Getreide- sowie Düngerpreisen geführt. Die Produzenten verdienen prächtig – und Corteva mit ihnen.
Die Besprechung von Wertpapieren und Investments auf dieser Seite ersetzt keine professionelle Beratung und ist nicht als Kaufempfehlung zu betrachten. „Die Presse“übernimmt keine Haftung für die künftige Kursentwicklung.