Wie man in Indien reich wird
In seinem Debütroman zeichnet Rahul Raina ein bitterböses Gesellschaftsbild der größten Demokratie der Welt und revidiert dabei so manches Indien-Klischee nachhaltig.
Dies ist eine rabenschwarze Satire über den sozialen Aufstieg im zeitgenössischen Indien. Und Achtung: Die Lektüre ist eine Achterbahnfahrt mit verrücktem Ende. Doch auf dieser Reise werden viele romantische Bilder der größten Demokratie der Welt auf den Kopf gestellt, und zwar nachhaltig.
Rahul Raina erzählt in seinem Debütroman die Geschichte des Ramesh Kumar, Sohn eines armen, alkoholkranken und gewalttätigen Chai-Wallah (Teeverkäufers) aus Alt-Delhi. Der Bub schafft dank Intelligenz, schwerster Arbeit und hart erkämpfter Bildung den Sprung aus der Armut, wird zum „charmanten und urbanen“Unternehmer mit Apartment im modernen Teil Delhis. Ramesh verdient sein Geld als „akademischer Berater“, genauer: Er schreibt im Namen verwöhnter Sprösslinge der Elite All-India-Prüfungen, ein knallhartes Examen, das die Tore zu Unis öffnet und somit zu einer „weißen“Zukunft mit großen Autos, von der indische Eltern träumen.
Held indischer Mamas. Schon die Rahmenerzählung enthält die eine bittere Wahrheit: Der indische Traum hat klare Grenzen. Der Sohn eines Chai-Wallah bleibt der Sohn eines Chai-Wallah, ganz egal, wie begabt er ist. Nicht die zu sehr mit sich selbst beschäftigte Oberschicht erinnert Ramesh ständig daran, sondern Vertreter der unteren Mittelschicht, wie auch er einer ist, Indiens „Unsichtbare“: boshafte Schulwarte, zwielichtige Chauffeure, sein Vater.
Unsichtbar bleibt Ramesh auch, nachdem er Rudi und seine nervigen Eltern trifft – eine Begegnung, die sein Leben verändert. Denn für den pickeligen, fetten Teenager mit dem „No-Tinder-Match“-Gesicht schreibt Ramesh eine etwas zu gute All-India-Prüfung: Rudi wird de facto Bester (vor ihm gereiht ist ein Muslim, der wegen seiner Religion aber nicht zählt, wie Raina in seinem typisch zynischen Ton beiläufig anmerkt). Der unscheinbare Rudi wird zum Superstar: Er bekommt sogar seine eigene Quizshow im Fernsehen und wird der Megaheld indischer Mütter.
Hinter dem Erfolg steckt natürlich Ramesh, sein Einflüsterer und „Manager“. Die beiden verdienen Millionen. Bis alles wieder anders wird: Sie werden entführt, Ramesh verliert einen Finger – und verliebt sich.
„Bekenntnisse eines Betrügers“ist ein bitterböses, schonungsloses Porträt des heutigen Indien, inklusive Persiflage auf den politisch dominanten Hindu-Nationalismus (der freilich genauso korrupt ist wie alle Strömungen vor ihm). Doch das Buch ist nicht nur sarkastisch: Es enthält viele Passagen voller Zärtlichkeit, und man wird mitgerissen von der Energie der Protagonisten.
Thematisch schließt Raina an den verfilmten Bestseller „Slumdog Millionär“
aus dem Jahr 2005 an, den der Autor auch zitiert. Nur: Rainas Happy Ends sind nicht märchenhaft. Sein Indien zeigt nicht „Gewürzberge, mangofarbige Saris, Männer, die nach Haaröl duften . . . Anblicke und Geräusche, die Weiße überwältigen“. Sondern: „Mein Indien riecht wie etwas Ekliges, Verdorbenes, aus all den Träumen, die geronnen und verklumpt sind wie ranziger paneer. Man trinkt, man spielt . . . man lyncht Muslime, schlägt seine Kinder, die erwachsen werden und dasselbe tun.“Ein Roman mit Kultpotenzial.