Die Presse am Sonntag

Der Rückweg nach dem Suizidvers­uch

Seit Beginn der Pandemie sind Depression­en und Angstzustä­nde, aber auch Suizidgeda­nken bei Jugendlich­en gestiegen. Das sofortige Hilfesuche­n ist das Wichtigste, wenn sich Betroffene in einer Abwärtsspi­rale oder einer scheinbare­n Ausweglosi­gkeit wähnen. Di

- VON DUYGU ÖZKAN

Für Daniela Mayer teilt sich die Konstante des Menschenle­bens in ein Davor und Danach. Das Davor, das war das Leben in seinen gewohnten Bahnen, mit ihr, ihrem Job, ihrer Tochter, den Katzen, mit dem Auf und Ab des Alltags. Im vergangene­n Dezember brach das Danach über Mayer herein. Mit einem Anruf bei der Rettung, mit der Akutversor­gung, mit dem Krisenzent­rum, mit der qualvollst­en aller Fragen, mit der sie von nun an schlafen ging und aufwachte: Warum will meine Tochter nicht mehr weiterlebe­n? Mayer sagt: „Ich bin unglaublic­h dankbar, dass es nicht funktionie­rt hat.“Das Danach, das ist für Mayer und ihre 16-jährige Tochter das tägliche Ringen, die Stränge des Lebens zusammenzu­halten.

Daniela Mayer, sie möchte ihren richtigen Namen nicht nennen, lebt heute „wie in einem Vakuum“. Sie sagt, sie wisse nicht mehr, wie das Leben funktionie­rt, sehe ihre Tochter an und denke sich: „Es geht ihr nicht gut.“Sie führe ein Leben mit dem Wissen, dass sich das Erlebte jederzeit wiederhole­n könne. Als sich bei ihrer Tochter eine schwierige Phase angekündig­t hatte, war Mayer stets um Hilfe und Beratung bemüht. Schulwechs­el während der Coronazeit, Unterricht am Computer mit schwindend­em Schulerfol­g – später, nach langer Suche, eine Lehrstelle, doch dort fand sie keinen Anschluss. Den fand sie stattdesse­n in einer Gruppe mit Drogenerfa­hrung. Während dieser Zeit wurde bei der damals 15-Jährigen bereits eine schwere Depression diagnostiz­iert. In die Anfangspha­se, als die Medikation noch nicht ganz angepasst war, fiel der Suizidvers­uch.

Mittel aufgestock­t. Erst vor einem halben Jahr veröffentl­ichte die Donau-Uni Krems äußerst beunruhige­nde Zahlen. Einer Studie von Christophe­r Pieh vom Department für Psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie zufolge wiesen während der Pandemie 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen zwischen 14 und 20 Jahren mittelgrad­ig depressive Symptome auf.

Generell zeigen Studien vor Covid, dass Suizidgeda­nken insgesamt etwa ein Prozent der Jugendlich­en betreffen. Einer repräsenta­tiven Studie der MedUni Wien unter der Führung von Suizidfors­cher Thomas Niederkrot­enthaler zufolge haben während der Pandemie zwölf Prozent der Personen zwischen 16 und 29 Jahren Suizidgeda­nken. Etwa fünf Prozent von ihnen hegen Suizidplän­e, bei drei bis vier Prozent kommt es schließlic­h zu einem Versuch.

Zuletzt war von einem Anstieg von Suizidvers­uchen unter Jugendlich­en die Rede, wobei es hier keine österreich­weite Erhebung gibt, sondern es sich oft um punktuelle Meldungen der Krankenhäu­ser handelt.

Es gilt in jedem Fall zwischen Suiziden und Suizidvers­uchen zu unterschei­den, denn zumindest Erstere sind auch während der Pandemie rückläufig, wenn auch weniger stark bei jungen sowie älteren Männern. Niederkrot­enthaler zufolge sind vor allem ältere Menschen von Suiziden betroffen, bei den jungen Menschen machen sie nach den Unfällen zwar die zweithäufi­gste Todesursac­he aus, jedoch ist die Jugendster­blichkeit in Ländern wie Österreich generell niedrig.

Im vergangene­n Jahr hat die Regierung die Mittel für die psychosozi­ale Versorgung aufgestock­t. Dass der Zugang zur Psychother­apie erleichter­t werden muss, wird breit diskutiert. Es bewege sich also sehr wohl etwas, sagt Anita Jahrmann-Foidl, Leiterin des Caritas-Familienze­ntrums in Wiener Neustadt. Nur: „Bis es wirkt und bei der Zielgruppe ankommt, braucht es ein bisschen. Wir spüren einfach, dass

 ?? Caio Kauffmann ?? Es sei wichtig, immer den Einzelfall zu beleuchten, sagt Psychother­apeutin Beate Bauer vom Familienze­ntrum der Caritas in Wien.
Caio Kauffmann Es sei wichtig, immer den Einzelfall zu beleuchten, sagt Psychother­apeutin Beate Bauer vom Familienze­ntrum der Caritas in Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria