Wer künftig Geld an die Medien verteilt
Wie erwartet hat Medienministerin Raab Radio-Arabella-Chef Wolfgang Struber zum neuen Geschäftsführer der Medienförderstelle RTR bestellt. Das Vorgehen der ÖVP im Auswahlverfahren irritierte nicht nur Neos und Grüne.
Am Freitag bestellte Medienministerin Susanne Raab einen Geschäftsführer für die RTR. Neuer Leiter des Medienbereichs der Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH wird – wie erwartet – der langjährige Radio-Arabella-Geschäftsführer und Mitbegründer des Vereins Digitalradio Österreich Wolfgang Struber. Als RTR-Chef entscheidet er (nach Empfehlung des Beirats, die nicht bindend ist) künftig im Alleingang über 20 Mio. Euro Förderung für kommerzielle Privatsender, fünf Mio. Euro für nicht kommerzielle Sender und 13,5 Mio. Euro Fernsehfonds. Dazu kommt die neue Digitalisierungsförderung von 20 Mio. Euro jährlich (2022 sind es einmalig 54 Mio. Euro), mit der die digitale Transformation von Medien unterstützt wird.
Existenzbedrohend. Doch das wird nicht reichen. Die geplante Reform des ORF-Gesetzes rief am Freitag den Verein der Chefredakteurinnen und Chefredakteure auf den Plan: Die neuen Möglichkeiten für den ORF im Onlinebereich seien für digitalen Printjournalismus „existenzbedrohend“, warnen sie. Angesichts sich dramatisch verschlechternder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die Medienbranche seien „eine rasche Reform der Medienförderung und deren Ausbau“nötig. Kleinere Verlage haben etwa das Problem, dass sie von der Digitalförderung gar nicht profitieren können, weil sie sich keine 200.000-Euro-Digitalisierungsprojekte leisten können. Das ist aber die Mindestgröße, um überhaupt um Förderung ansuchen zu können.
Ministerin Raab hat eine Restrukturierung der Medienpolitik angekündigt. Die Medienförderung soll neu aufgestellt, die Vergabe von Regierungsinseraten nach dem Skandal neu geregelt werden. In den vergangenen Jahren hat die öffentliche Hand für werbliche Einschaltungen deutlich mehr ausgegeben als für Presseförderung – und damit vor allem den Boulevard bedient, der im Gegenzug gefällig berichtet hat. Die Chefredakteure plädieren nun für eine Medienförderung, die „redaktionelle Qualität, journalistische Ressource, Recherche, Ausbildung sowie digitale Innovation“unterstützt.
Will die Ministerin etwas ändern, wird sie unbequeme Entscheidungen fällen müssen. Da könnte die RTR mit ihrer Expertise ein Sparringpartner sein. Umso verwunderter waren Insider, dass ein Topbewerber für den RTRSpitzenjob nicht einmal zum Hearing eingeladen wurde: Sebastian Loudon hatte ein umfassendes Konzept vorgelegt und u. a. ein Zurückfahren der Regierungsinserate zugunsten von Förderungen vorgeschlagen. Loudon war von 2002 bis 2007 Assistent von RTRGeschäftsführer Alfred Grinschgl und ist nach Stationen bei „Horizont“und „Zeit“jetzt Herausgeber von „Datum“. Er hat sich schon 2017 unter SPÖ-Minister Thomas Drozda um die RTR-Geschäftsführung beworben, wurde nach dem Hearing auch als Erster gereiht. Den Job bekam allerdings jemand aus dem SPÖ-Umfeld: Oliver Stribl, der nun zur Wien Holding wechselte.
Dass Loudon nicht zum Hearing eingeladen wurde, irritiert nicht nur die Grünen und Neos, deren Mediensprecherinnen das Vorgehen kritisiert haben. Das Ministerium hat erklärt, die Personalberater hätten entschieden, wer zum Hearing eingeladen wird. Im Absagemail von Deloitte liest sich das anders: „Die Kommission“habe entschieden. In der Hearing-Kommission (unter Vorsitz von Albert Posch, Leiter des Verfassungsdiensts im Bundeskanzleramt) saßen ausschließlich türkise Vertrauensleute, dafür weder ein Vertreter der KommAustria noch (wie beim letzten Mal) jemand von der RTR.
Türkiser Wunschkandidat. Zum Hearing eingeladen waren dem Vernehmen nach Petra Höfer (ORF), Stefan Rauschenberger (Leiter der RTRRechtsabteilung) sowie ein Jurist, der einmal für Pro7Sat1Puls24 gearbeitet hat. Sie alle konnten dem Vierten im Bunde – Wolfgang Struber – nicht gefährlich werden. Auf ihn war die Ausschreibung zugeschnitten, ist nicht nur Helge Fahrnberger vom Medienwatchblog „Kobuk“überzeugt. Er brauchte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zehn Einträge, um seinem Ärger über das Vorgehen bei dieser Postenbesetzung Luft zu machen. „So drücken die Türkisen ihren Wunschkandidaten als einflussreichen RTR-Chef durch“, wettert er in seinem Thread.
In der Ausschreibung sei z. B. nicht wie 2017 „Erfahrung in leitender Funktion in der öffentlichen Verwaltung“verlangt gewesen, sondern nur „in einem mittelständischen Unternehmen“. Das traf unter den Kandidaten nur auf Struber zu. Und auf Loudon. Aber der wurde ja nicht eingeladen.
Ein Topbewerber wurde zum Hearing für den RTR-Posten nicht einmal eingeladen.