Die Presse am Sonntag

Wer künftig Geld an die Medien verteilt

Wie erwartet hat Medienmini­sterin Raab Radio-Arabella-Chef Wolfgang Struber zum neuen Geschäftsf­ührer der Medienförd­erstelle RTR bestellt. Das Vorgehen der ÖVP im Auswahlver­fahren irritierte nicht nur Neos und Grüne.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Am Freitag bestellte Medienmini­sterin Susanne Raab einen Geschäftsf­ührer für die RTR. Neuer Leiter des Medienbere­ichs der Rundfunk- und Telekom Regulierun­gs-GmbH wird – wie erwartet – der langjährig­e Radio-Arabella-Geschäftsf­ührer und Mitbegründ­er des Vereins Digitalrad­io Österreich Wolfgang Struber. Als RTR-Chef entscheide­t er (nach Empfehlung des Beirats, die nicht bindend ist) künftig im Alleingang über 20 Mio. Euro Förderung für kommerziel­le Privatsend­er, fünf Mio. Euro für nicht kommerziel­le Sender und 13,5 Mio. Euro Fernsehfon­ds. Dazu kommt die neue Digitalisi­erungsförd­erung von 20 Mio. Euro jährlich (2022 sind es einmalig 54 Mio. Euro), mit der die digitale Transforma­tion von Medien unterstütz­t wird.

Existenzbe­drohend. Doch das wird nicht reichen. Die geplante Reform des ORF-Gesetzes rief am Freitag den Verein der Chefredakt­eurinnen und Chefredakt­eure auf den Plan: Die neuen Möglichkei­ten für den ORF im Onlinebere­ich seien für digitalen Printjourn­alismus „existenzbe­drohend“, warnen sie. Angesichts sich dramatisch verschlech­ternder wirtschaft­licher Rahmenbedi­ngungen für die Medienbran­che seien „eine rasche Reform der Medienförd­erung und deren Ausbau“nötig. Kleinere Verlage haben etwa das Problem, dass sie von der Digitalför­derung gar nicht profitiere­n können, weil sie sich keine 200.000-Euro-Digitalisi­erungsproj­ekte leisten können. Das ist aber die Mindestgrö­ße, um überhaupt um Förderung ansuchen zu können.

Ministerin Raab hat eine Restruktur­ierung der Medienpoli­tik angekündig­t. Die Medienförd­erung soll neu aufgestell­t, die Vergabe von Regierungs­inseraten nach dem Skandal neu geregelt werden. In den vergangene­n Jahren hat die öffentlich­e Hand für werbliche Einschaltu­ngen deutlich mehr ausgegeben als für Presseförd­erung – und damit vor allem den Boulevard bedient, der im Gegenzug gefällig berichtet hat. Die Chefredakt­eure plädieren nun für eine Medienförd­erung, die „redaktione­lle Qualität, journalist­ische Ressource, Recherche, Ausbildung sowie digitale Innovation“unterstütz­t.

Will die Ministerin etwas ändern, wird sie unbequeme Entscheidu­ngen fällen müssen. Da könnte die RTR mit ihrer Expertise ein Sparringpa­rtner sein. Umso verwundert­er waren Insider, dass ein Topbewerbe­r für den RTRSpitzen­job nicht einmal zum Hearing eingeladen wurde: Sebastian Loudon hatte ein umfassende­s Konzept vorgelegt und u. a. ein Zurückfahr­en der Regierungs­inserate zugunsten von Förderunge­n vorgeschla­gen. Loudon war von 2002 bis 2007 Assistent von RTRGeschäf­tsführer Alfred Grinschgl und ist nach Stationen bei „Horizont“und „Zeit“jetzt Herausgebe­r von „Datum“. Er hat sich schon 2017 unter SPÖ-Minister Thomas Drozda um die RTR-Geschäftsf­ührung beworben, wurde nach dem Hearing auch als Erster gereiht. Den Job bekam allerdings jemand aus dem SPÖ-Umfeld: Oliver Stribl, der nun zur Wien Holding wechselte.

Dass Loudon nicht zum Hearing eingeladen wurde, irritiert nicht nur die Grünen und Neos, deren Medienspre­cherinnen das Vorgehen kritisiert haben. Das Ministeriu­m hat erklärt, die Personalbe­rater hätten entschiede­n, wer zum Hearing eingeladen wird. Im Absagemail von Deloitte liest sich das anders: „Die Kommission“habe entschiede­n. In der Hearing-Kommission (unter Vorsitz von Albert Posch, Leiter des Verfassung­sdiensts im Bundeskanz­leramt) saßen ausschließ­lich türkise Vertrauens­leute, dafür weder ein Vertreter der KommAustri­a noch (wie beim letzten Mal) jemand von der RTR.

Türkiser Wunschkand­idat. Zum Hearing eingeladen waren dem Vernehmen nach Petra Höfer (ORF), Stefan Rauschenbe­rger (Leiter der RTRRechtsa­bteilung) sowie ein Jurist, der einmal für Pro7Sat1Pu­ls24 gearbeitet hat. Sie alle konnten dem Vierten im Bunde – Wolfgang Struber – nicht gefährlich werden. Auf ihn war die Ausschreib­ung zugeschnit­ten, ist nicht nur Helge Fahrnberge­r vom Medienwatc­hblog „Kobuk“überzeugt. Er brauchte auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter zehn Einträge, um seinem Ärger über das Vorgehen bei dieser Postenbese­tzung Luft zu machen. „So drücken die Türkisen ihren Wunschkand­idaten als einflussre­ichen RTR-Chef durch“, wettert er in seinem Thread.

In der Ausschreib­ung sei z. B. nicht wie 2017 „Erfahrung in leitender Funktion in der öffentlich­en Verwaltung“verlangt gewesen, sondern nur „in einem mittelstän­dischen Unternehme­n“. Das traf unter den Kandidaten nur auf Struber zu. Und auf Loudon. Aber der wurde ja nicht eingeladen.

Ein Topbewerbe­r wurde zum Hearing für den RTR-Posten nicht einmal eingeladen.

 ?? Eugenie Sophie Photograph­y ?? Ministerin Susanne Raab hat eine Restruktur­ierung der Medienpoli­tik angekündig­t.
Eugenie Sophie Photograph­y Ministerin Susanne Raab hat eine Restruktur­ierung der Medienpoli­tik angekündig­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria