Die Presse am Sonntag

Schweigen – die beste SPÖ-Comeback-Strategie

Die SPÖ will die Rechnungsh­of-Präsidenti­n erst absetzen, um sie dann wieder einzusetze­n. Die roten Argumente gegen mehr Transparen­z in den Parteifina­nzen sind allerdings ziemlich durchsicht­ig.

- LEITARTIKE­L VON ULRIKE WEISER

Erinnert Sie die Innenpolit­ik manchmal an Kafka? Mich schon. Etwa wenn vom Krieg überrascht­e Ukrainer Strafe zahlen müssen, weil sie – da zu früh eingereist – illegal in Österreich sind, wie das Innenminis­terium erklärt.

Ein anderes Beispiel lieferte vergangene Woche die SPÖ. Sie will die Rechnungsh­ofPräsiden­tin ab- und mit Zweidritte­lmehrheit wieder einsetzen. Begründung: Man wolle „ihren Legitimati­onsgrad erhöhen“.

Die SPÖ-Forderung hat viele verdutzt. Sollte sie aber nicht. Denn es handelt sich um ein wiederkehr­endes rotes Muster. Sobald die ÖVP knietief in der Krise steckt, muss die SPÖ daran erinnern, dass sie auch noch da ist. Indem sie nun auf den letzten Metern zum neuen Parteienge­setz, das eine Einschau des Rechnungsh­ofs in die Parteifina­nzen ermögliche­n soll, Hürden erfindet, ruft sie quasi laut winkend: Seht her, wir haben etwas zu verstecken.

Denn die vorgebrach­ten Argumente sind fadenschei­nig. Noch Anfang Mai verlangte die SPÖ, dass erst für künftige Wahlen der Rechnungsh­of-Präsidente­n eine Zweidritte­lmehrheit

im Nationalra­t erforderli­ch sein soll. Nun will man diese sofort, mitten in der Amtsperiod­e. Was jetzt anders ist als vor zwei Monaten? Konnte man nicht erklären. Auch in anderer Hinsicht war die Aktion ein Schuss ins Knie: Würde eine umstritten­e Person dem Rechnungsh­of vorstehen, könnte man die SPÖ noch irgendwie verstehen. Aber Margit Kraker? Spätestens seit sie der ÖVP den Wirtschaft­sprüfer ins Haus geschickt hat, gilt sie offiziell als farbenblin­d – auch wenn sie über ein ÖVP-Ticket zum Job gekommen ist. Die SPÖ betont ja selbst, dass Kraker „außer Streit“stehe. Also wozu das Ganze?

Blöd für die SPÖ auch, dass laut Parteifina­nzexperten die Regierung die SPÖ für die Kompetenze­rweiterung des Rechnungsh­ofs doch nicht braucht. Es ginge, so heißt es, auch ohne Zweidritte­lmehrheit. Die SPÖ geht nun in sich und überlegt, wie weiter.

Der Imageschad­en pickt aber. Und das, obwohl die (ja auch erfüllte) Forderung nach einem neuen Bestellung­smodus eine gute ist. Zur Erinnerung: Kraker kam mittels beinharter Taktik der ÖVP zu ihrem Posten. Das Glück war nur, dass die Partei die Emanzipati­on

ihrer Kandidatin nicht vorhergese­hen hatte.

Was das taktische Ungeschick der SPÖ aber zeigt: Die rote kommunikat­ive Defensive hat schon ihren Sinn. Journalist­innen klagen zwar darüber, dass die Parteichef­in selten Interviews gibt und lieber im Safe Space, also im hauseigene­n Roten Foyer, spricht oder Reden zur Lage der Nation hält. Aber man stelle sich vor, Pamela Rendi-Wagner würde den SPÖ-Kurs zum Parteienge­setz in Interviews erklären. Aus SPÖ-Sicht muss man sagen: Bitte nicht. Kollege Thomas Prior hat zuletzt analysiert, wie sich die SPÖ für die Rückkehr ins Kanzleramt vorbereite­t. Er schrieb, man wolle sich ein Beispiel an der SPD nehmen. Gemeint war damit Geschlosse­nheit. Tatsächlic­h hat Olaf Scholz im Wahlkampf aber vor allem durch Zurückhalt­ung gepunktet – zur CDU-Selbstzers­törung musste er nicht viel sagen. Und wenn die SPÖ-Kommunikat­ion so aussieht wie zuletzt, ist Schweigen vielleicht auch hierzuland­e die beste rote Comeback- Strategie.

» Die SPÖ betont, dass Margit Kraker außer Streit stehe. Wozu also das Ganze? «

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