Die Presse am Sonntag

Von Panama an die Front in der Ostukraine

Dutzende Ausländer kämpfen im ukrainisch­en Bataillon Karpatska Sich. Warum riskieren sie ihr Leben für ein anderes Land? Eine Reportage.

- VON ALFRED HACKENSBER­GER

Ich saß an einem Nachmittag gemütlich im Cafe´ in Panama City“, erzählt Efrias. „Dann kamen wieder die Nachrichte­n von getöteten Kindern und Frauen in der Ukraine. Da konnte ich nicht tatenlos zusehen.“Heute steht der 60-Jährige mit Helm, schusssich­erer Weste und Gewehr in einem Keller einer Militärbas­is in der Ostukraine, 10.000 Kilometer von seiner Heimat entfernt. „Wenn Kinder sterben, geht mir das besonders zu Herzen“, betont der pensionier­te Hauptmann der panamaisch­en Streitkräf­te. „Ich habe selbst neun Kinder und weiß, wovon ich spreche.“Draußen donnern erneut die schweren russischen Artillerie­geschütze vom Kaliber 152 mm. Die lauten, dumpfen Einschläge der Granaten sind im Schutzkell­er nur als leichtes Zittern zu spüren.

Efrias, der seine auffallend blauen Augen von seinem deutschen Vater geerbt hat, ist einer von insgesamt 60 Ausländern des Bataillons Karpatska Sich (gesprochen: Sitsch). Es setzt sich ausschließ­lich aus Freiwillig­en zusammen und ist nach einer legendären ukrainisch­en Kosakenein­heit aus den 1930erJahr­en benannt. Gewöhnlich macht die Internatio­nale Legion mit ihren Kämpfern aus dem Ausland Schlagzeil­en. Aber Karpatska Sich ist militärisc­h nicht minder bedeutend.

Das Bataillon kämpfte in Kiew und Charkiw gegen die russische Invasion. Mittlerwei­le ist die mehrere Hundert Mann starke Truppe in der Region Izyum stationier­t – einem strategisc­h wichtigen Frontabsch­nitt im Norden des Donbass. Sollte die russische Armee die ukrainisch­en Verteidigu­ngslinien dort durchbrech­en, wäre der Weg auf die Stadt Slavjansk frei, und damit würde eine Einkesselu­ng des Donbass drohen.

Lazarett und Internet-Caf´e. Die kahlen Ziegelwänd­e und massiven Betonpfeil­er des Stützpunkt­s im Untergesch­oß sind vor vielen Jahren cremeweiß gestrichen worden und vergilbt. Auf dem Fußboden geht man über Kieselstei­ne. Synthetikd­ecken hängen in den Durchgänge­n zwischen den Räumen. Wie üblich kein Luxus an der Front. Zentraler Bereich ist eine große Halle, die Küche, Feldlazare­tt, Raucherzim­mer, Internetca­fe´, Kontroll- und Aufenthalt­sraum zugleich ist. An drei Tischen, voll gestellt mit Plastikbec­hern, Wasserflas­chen, Schüsseln und Dosen, sitzen etwa ein Dutzend Soldaten bei spärlichem Licht, rauchen und starren versunken auf ihre Handys. Sie surfen im Starlink-Internet von Elon Musk, das via Satellit verbunden ist.

»Man kann bei den russischen Kriegsverb­rechen nicht zu Hause auf dem Sofa sitzen.«

Hier gibt es noch mehr Spanisch sprechende Freiwillig­e. Da ist Fidel aus Peru, Mario aus Argentinie­n und Pablo aus Spanien. Hier spricht man sich nur beim Vornamen an, der oft nicht der echte ist. Man bevorzugt ein Low Profile – aus Sicherheit­sgründen und oft auch aus persönlich­en Gründen.

Der 56-jährige Pablo stammt aus Teneriffa. Er war sechs Jahre bei der

 ?? Ricardo Garcia Vilanova ?? Die Einschläge der Granaten sind nur als leises Zittern zu spüren. Im Stützpunkt des Bataillons Karpatska Sich.
Ricardo Garcia Vilanova Die Einschläge der Granaten sind nur als leises Zittern zu spüren. Im Stützpunkt des Bataillons Karpatska Sich.

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