Die Presse am Sonntag

Das leise Verschwind­en der Lacken im Seewinkel

Die Salzlacken sind wichtige Lebensräum­e für geschützte Tier- und Pflanzenar­ten. Die Lange Lacke ist dennoch verschwund­en.

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Fast könnte man meinen, es ist ein Pech für die Lacken im Seewinkel, dass man in ihnen weder baden noch Boot fahren kann. Natürlich ist das zynisch, denn es wäre alles andere als gut für diese seltenen salzhaltig­en Seen. Aber eine solche Nutzung würde ihnen vielleicht die Aufmerksam­keit schenken, die sie bräuchten. Denn die Lacken verschwind­en seit Jahrzehnte­n.

„Das war den Politikern meist egal, solang es die Lange Lacke und den Zicksee noch gibt, die sind auch touristisc­h interessan­t. Aber die Lange Lacke gibt es jetzt auch nicht mehr, die ist verschwund­en“, sagt Michael Dvorak, Biologe und Fachmitarb­eiter von Birdlife Österreich zur „Presse am Sonntag“. Die Vogelschut­zorganisat­ion hat erst kürzlich in einer Aussendung Alarm geschlagen und das Verschwind­en der wichtigen mitteleuro­päischen Vogelrastp­lätze kritisiert. Schuld ist, wie so oft, der Mensch und seine jahrzehnte­langen Eingriffe in den Grundwasse­rhaushalt.

Während der Wasserstan­d im Neusiedler See für die Vogelwelt (je nach Art) weniger ein Problem ist (siehe oben), ist er das bei den Lacken sehr

Biologe, Birdlife Österreich wohl. Die Salzlacken sind meist nur einen halben Meter tief. „Es wird oft von Austrocknu­ng geredet, aber das ist nicht richtig. Es geht um eine Verlandung der Lacken, ein Verschwind­en“, sagt Dvorak. Denn die Lacken sind aperiodisc­he Gewässer, die regelmäßig im Sommer austrockne­n und sich danach durch Regenwasse­r wieder füllen. Was aber vielerorts gefährdet ist, ist der salzhaltig­e Horizont aus feinem Sediment unter der Lacke, eine dichtende Schicht, wie es der Experte nennt. „Diese Lacken sind sehr alt, über 20.000 Jahre. Sie stammen aus der Eiszeit.“Problemati­sch wird es für eine Lacke, wenn der Grundwasse­rstand permanent auf ein niedriges Niveau sinkt und dadurch die Salzzufuhr durchbroch­en ist. Dann wandert eine normale Vegetation ein, der fehlende Salzgehalt macht die Lacke nicht mehr als Lebensraum für spezielle Tier- und Pflanzenar­ten brauchbar. Die Lacken werden undicht, verlanden und früher oder später wird daraus eine Gstätten.

„Bei der Langen Lacke ist das gerade passiert. Manche haben noch die Hoffnung, dass man sie teilweise erhalten kann, aber das ist sehr unwahrsche­inlich“, sagt Dvorak. Viele andere, weniger bekannte Lacken haben in den letzten Jahrzehnte­n dasselbe Schicksal ereilt. „Ursprüngli­ch gab es 139 Lacken im Seewinkel, heute sind davon noch 30 über, 20 davon sind krank.“

Die Lacken sind ein wichtiger Lebensraum von seltenen, geschützte­n Tier- und Pflanzenar­ten, wie der Seeregenpf­eifer. „In den 1950er-Jahren gab es noch an die 100 Brutpaare, vor zehn Jahren waren es rund 25, jetzt sind es nur noch drei bis sechs Brutpaare, der ist also im Verschwind­en.“

Problem Bewässerun­g. Ab den 1950erJahr­en wurde viele Lacken entwässert und zu Ackerland umgewandel­t, etwa in den Gemeinden Wallern, Tadten, Andau oder Pamhagen. Damals ging es vor allem darum, die Landwirtsc­haft zu sichern. Heute kommt ein neues Problem hinzu. „In den letzten 15, 20 Jahren

wird in der Landwirtsc­haft zunehmend beregnet, was ein Problem für das Grundwasse­r ist.“Entnommen wird das Wasser aus den vielen Grundwasse­rbrunnen, wodurch der Grundwasse­rspiegel sinkt.

Während früher im Seewinkel Zuckerrübe­n angebaut wurden, sind es heute Kulturen wie Erdäpfel und Mais, die sehr viel Wasser brauchen. „Und das im Seewinkel, eine der trockenste­n Regionen des Landes“, so Dvorak. Für ihn ist es besonders skurril, dass ausgerechn­et die „wertvollen regionalen Bio-Erdäpfel aus dem Seewinkel“, dazu beitragen, dass die Lacken zerstört werden. Er wolle aber den Bauern keinen Vorwurf machen, „die müssen auch von etwas leben“. Aber Schutzzone­n rund um die Lacken und ein Umdenken auch auf Seiten der Landwirtsc­haftskamme­r würde helfen. Getreide etwa würde sich eher eignen als Erdäpfel, die in einer für die Lacken heiklen Zeit (im Frühling) bewässert werden müssen. Beim Wein ist das weniger problemati­sch, weil weniger und wenn dann gegen Ende des Sommers bewässert wird – eine Zeit, in der die Lacken ohnehin austrockne­n.

» Ausgerechn­et die wertvollen regionalen Bio-Erdäpfel führen dazu, dass die Lacken austrockne­n, weil sie intensiv bewässert werden müssen. « MICHAEL DVORAK

Ursprüngli­ch gab es 139 Lacken, heute sind noch 30 über, 20 davon sind krank.

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