Die Presse am Sonntag

»Wein ist wie wir. Auch er leidet unter der Hitze«

Das Weingut Opus One im Napa Valley zählt zu den berühmtest­en der Welt. Winemaker Michael Silacci erzählt im Interview, wie in Kalifornie­n auf den Klimawande­l reagiert wird und warum er einen Orthopäden für seine Arbeiter engagierte.

- VON KARIN SCHUH

Weltweit spüren Winzer den Klimawande­l seit Jahren, es wird wärmer und trockener. Wie reagieren Sie im Weingarten darauf?

Michael Silacci: Das Effektivst­e ist, den Reben beizubring­en, ohne viel Wasser auszukomme­n. Man braucht Rebstöcke mit sehr tiefen Wurzeln, damit sie das tiefer liegende Wasser erreichen können. Aber es gibt nicht nur heißere Tage, sondern auch sehr viel Regen und stürmische Tage. Auch damit müssen die Rebstöcke zurechtkom­men. Man braucht im Boden eine Balance zwischen Wasser und Sauerstoff. Wein ist wie wir, wir können nicht im Wasser atmen. Wenn die Wurzeln im Wasser stehen, können sie auch nicht atmen. Und beim Schneiden behalten wir gezielt die Blätter, die die Trauben am Nachmittag vor der Sonne schützen, da ist die Sonne am intensivst­en.

Seit wann reagieren Sie im Weingarten auf den Klimawande­l, wann haben Sie da einen Unterschie­d gemerkt?

Schon sehr lang. In Napa Valley gab es in den 1970er-Jahren starke Trockenhei­t, vor allem 1976 und 1977. Ab 1986 gab es Überschwem­mungen, 1987 bis 1991 wieder Trockenhei­t. Wir haben also immer Perioden mit sehr heißen Temperatur­en und mit viel Regen. Aber über die Jahre sind die Tagestempe­raturen gestiegen, wir haben heute viel öfter Hitzewelle­n als in der Vergangenh­eit. Und auch die Nachttempe­ratur ist gestiegen – ideal sind zehn oder zwölf Grad. Reben sind wie Menschen, wir schlafen auch besser, wenn es kühl ist.

Wie gehen Sie mit dem Wasser um, wie beregnen Sie?

Wir haben ein gutes Wasserprog­ramm, wir sammeln viel Wasser. Aber es ist wichtig, die Menge des Wassers, die man einsetzt, zu minimieren. Als ich 2001 bei Opus begonnen habe, haben wir etwas ausprobier­t. Anstatt den Pflanzen regelmäßig kleine Mengen Wasser zu geben, an die sie sich gewöhnen, haben wir die Abstände zwischen der Bewässerun­g vergrößert und ihnen dann mehr Wasser gegeben. Das ist wie im Sport. Wenn man Reben regelmäßig wenig Wasser gibt, werden sie zu Sprintern. Wir wollen aber Marathonlä­ufer, also erziehen wir sie dazu, dass die Wurzeln tiefer wachsen, damit sie sich besser selbst versorgen können. Marathonlä­ufer liefern am Ende der Saison besseren Ertrag. Und wir sparen dadurch 40 Prozent Wasser.

Wie tief sind die Wurzeln jetzt?

AUF EINEN BLICK

Drei oder vier Meter, aber weiter haben wir nicht gegraben. Wir machen Weine, die den Leuten ein Gefühl von Zeit und Ort geben. Dafür sollen die Wurzeln tiefer gehen, um den Ort auszudrück­en. Wenn sie nur an der Oberfläche sind, haben sie nur einen flüchtigen Eindruck, aber wenn sie tiefer gehen, dann hat man das ganze Bild.

Wie sieht es mit der Ernte aus? Wann startet die bei Ihnen üblicherwe­ise, auch im Vergleich zu früher?

Der Beginn der Ernte variiert meist um eine Woche. Ich bin seit 21 Jahrgängen bei Opus. Ein Drittel der Jahrgänge startet am 5. September oder früher, die anderen in der zweiten oder dritten Woche des Septembers. Aber wir ernten auch früher, wie die meisten, weil wir die Säure im Wein erhalten wollen. Um zu entscheide­n, wann wir ernten, kosten wir die Traube, prüfen Säure und Geschmack und sehen uns die Farbe der Kerne an. Unreif sind sie weich und grün, reif hart und braun. Wir kosten auch die Haut. Wenn sie reif ist, fühlt es sich an, als würde sie im Mund schmelzen. Wir ernten, wenn der Geschmack intensiv ist, die Haut schmelzend und genug Säure da ist. Dafür muss man den richtigen Zeitpunkt erwischen.

Sie achten auch auf die Arbeitsbed­ingungen im Weingarten, auch im Hinblick auf den Klimawande­l.

Ja. Vor 15 Jahren habe ich einen Physiother­apeuten engagiert, um die Mitarbeite­r zu lehren, wie sie sich am Morgen aufwärmen, sich stretchen, damit sie ihre Knie und Rücken schonen. Wenn sie in der Früh zu arbeiten beginnen, auch im Weinkeller, machen sie vorher ihre Übungen. Dann habe ich einen Orthopäden engagiert, um die perfekten Schuhe zu finden, um ihre Füße zu schonen. Wir achten darauf, dass sie Pausen machen, genug trinken und sich vor der Sonne schützen. Wir wollen nicht nur unsere Reben schützen, sondern auch die Menschen, die im Weingarten arbeiten. Weil 80 Prozent der Weinqualit­ät kommt aus dem Weingarten, also sind die Weingarten­arbeiter wichtiger, als ich das bin, weil sie die Qualität in den Trauben und den Reben sichern.

Wie viele Leute arbeiten bei Ihnen im Weingarten?

Zwischen zwölf und 45 Personen, je nachdem welche Arbeiten gerade gemacht werden. Wir brauchen vier bis sechs Wochen für den Rebschnitt, da

Namen). Das Unternehme­n wurde lang jeweils von einem Vertreter der zwei Weingüter geführt. Seit 2004 ist Michael Silacci alleiniger Geschäftsf­ührer und Winemaker. Heute werden insgesamt 69 Hektar bewirtscha­ftet (80 Prozent davon mit Cabernet Sauvignon, der Rest ist Cabernet Franc, Merlot, Petit Verdot und Malbec) und zu Cuv´ee verarbeite­t. Die Weine sind preislich im hohen Segment angesiedel­t (ca. 350 Euro pro Flasche). www.opusonewin­ery.com

zentrieren sich die Aromen, sie können nicht flüchten. Und wenn ich dann rieche, habe ich einen anderen Eindruck.

Aktuell ist der Opus One aus 2018 erhältlich. Wie viele Jahre sollte man ihm geben?

Wir machen ausbalanci­erte Weine, die man trinken kann, wenn sie am Markt sind. Man kann ihm aber auch noch Zeit geben. Ich finde zwölf bis 17 Jahre sind eine nette Zeitspanne, um ihn zu verkosten.

In Österreich wird Wein gern sehr jung getrunken. Manchmal wird ihm auch nicht die Zeit gegeben, die er braucht. Ist das in anderen Ländern auch so?

Ja, das ist auch woanders üblich. England ist anders, dort trinkt man gern Weine, die sehr, sehr alt sind. Für mich ist da manchmal schon der Höhepunkt überschrit­ten. Aber sie mögen das.

Was sagen Sie zu österreich­ischem Wein?

Ich liebe die Weine von Dorli Muhr (die Winzerin und Chefin der PR-Agentur Wine & Partners ist beim Gespräch anwesend, Anm.). Ich liebe Grünen Veltliner, er ist sehr zugänglich und macht Spaß. Und ich liebe Riesling, egal ob trockener oder süßer. Blaufränki­sch mag ich auch sehr gern.

Opus One ist ein hochpreisi­ger Wein, der ab zirka 350 Euro erhältlich ist. Wie erklären Sie den Unterschie­d zwischen einem 300-EuroWein und einem 30-Euro-Wein?

Für mich ist mehr Komplexitä­t in einem älteren Wein, man hat mehr Geschmacks­nuancen. Wir arbeiten mit zehn verschiede­nen Fassbinder­n zusammen. Ich sage den Fassbinder­n immer, das Fass ist ein Podest, aber der Wein ist an der Spitze. Wenn man einen Wein öffnet, soll man kein Holz riechen. Das Fass soll dem Wein entspreche­n. Also braucht man Leute, die mit einem verkosten und verstehen, wie sie ein Fass machen, das deinem Profil entspricht. Das erfordert viel Arbeit. Und wir investiere­n viel Geld in die Forschung. Wir suchen immer nach Wegen, uns zu verbessern. Manchmal sieht man die einzelnen Verbesseru­ngen gar nicht. Aber die Summe aller Verbesseru­ngen macht den Unterschie­d aus.

Eine Frage noch zur aktuellen politische­n Situation. Haben der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland Auswirkung­en auf Ihr Weingeschä­ft? Fehlen Kunden?

Wir verkaufen 60 Prozent außerhalb der USA. Das geht über 21 Ne´gociants (Weinhändle­r, Anm.) in Paris, die verkaufen die Weine weiter. Darauf haben wir keinen Einfluss. Unser Wein wird in 90 bis 110 Länder verkauft. Aber es läuft alles über Frankreich.

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Der kalifornis­che Weinmacher Michael Silacci stattet Wien,
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