Die Presse am Sonntag

Im Würgegriff der Kirche

Das schmale Buch »Kleine Dinge wie diese« der irischen Autorin Claire Keegan ist ein literarisc­hes Kleinod über moralische Dilemmata.

- GAR

Ihre Fans, so der Londoner „Guardian“, feiern neue Bücher der irischen Schriftste­llerin Claire Keegan „wie einen seltenen und kostbaren Diamanten“. Völlig zurecht, wie der Roman „Kleine Dinge wie diese“eindrucksv­oll beweist. Es ist erst die vierte Veröffentl­ichung von Keegan in 22 Jahren, aber einmal mehr erzählt sie auf knapp hundert Seiten eine Geschichte, die man nicht vergisst.

Als uneheliche­s Kind hatte es Furlong, die Hauptperso­n des Romans, einst nur der Großherzig­keit der wohlhabend­en Mrs. Wilson zu verdanken, dass seine Mutter nicht in eines der gefürchtet­en Magdalenen­heime der Kirche für sogenannte „gefallene Mädchen“verwiesen wurde und er als Waise aufwachsen musste. Gerade deshalb ist er seinen fünf Töchtern ein fürsorglic­her Vater und seiner Frau Eileen ein guter Mann.

Als Inhaber eines Kohlehofs sind ihm auch die Sorgen seiner Mitbürger nicht fremd. Für seine Arbeiter ist er ein Chef, der anpacken kann. Die Zeiten sind hart, und eisern ist der Würgegriff der Kirche.

Als er am Morgen vor Weihnachte­n eine letzte Lieferung an das örtliche Kloster macht, findet Furlong im Kohleschup­pen ein völlig aufgelöste­s Mädchen. „Keine Angst, ich bringe nur die Kohlen“, versucht er, sie zu beruhigen. Es ist nicht das erste Mal, dass das Schicksal der jungen Frauen in sein Leben eindringt. Aber dieses Mal steht Furlong vor der Entscheidu­ng, ob er sich der Macht der herrschend­en Verhältnis­se fügt oder ein Menschenle­ben rettet. Es eine Wahl, die auch sein Leben verändern wird.

Claire Keegan: „Kleine Dinge wie diese“, übers. v. H.-C. Oeser, Steidl Verlag, 112 Seiten, 18,50 Euro

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